Asien, Malediven

Maledivische Local Islands – Ein Besuch auf Fenfushi

Es beginnt wie eine gute Geschichte: zwei Briten, zwei Deutsche und zwei Italiener laufen über eine Insel. Der Guide geht barfuß voran. Wir passieren bunt angestrichene Häuser, deren Farbe an vielen Stellen schon abblättert, bewegen uns im Schatten dichter Vegetation. Wir erkunden Fenfushi, eine der bewohnten Inseln der Malediven.

Bereits zur Anfang unseres Aufenthaltes auf den Trauminseln, inmitten von Stränden und türkisblauen Wasser, inmitten einer Landschaft, die wie gemalt aussah, hatte mir etwas Essentielles gefehlt: ich wollte mehr vom Malediven, dem Land sehen. Ich wollte es sehen, wie es tatsächlich ist, wollte wissen, wie die Menschen dort leben. Die Malediven bestehen aus 1200 Inseln, die durch Korallenriffe und Koralensand entstanden sind. 200 der Inseln sind bewohnt und circa 100 werden als Resortinseln genutzt. Zusätzlich sind seit den neunziger Jahren einige der bewohnten Inseln für den Tourismus geöffnet worden, es gibt Gasthäuser, Restaurants und eine touristische Infrastruktur. Eine solche Insel ist Fenfushi.

Nun ist so etwas wie Inselhopping auf den Malediven nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Verbringt man seinen Urlaub auf einer Local Island, so kann man sich dort frei bewegen. Möchte man hingegen von einer Hotelinsel aus die Local Islands erkunden, ist es nur mit einem Guide möglich. Als Grund hierfür wurden Sicherheitsbedenken genannt, doch ich vermute eher, dass die Gewinnmarge eine nicht unerhebliche Rolle spielt, denn eine solche Guide-Tour kostet gut und gerne an die 150$.

Die Resorts bieten verschiedene Arten von Ausflügen für ihre Gäste an: Schnorcheln mit Delfinen, Dinner irgendwo im Nirgendwo am Strand und diverse andere Aktivitäten wie Jetsky fahren, Tauchkurse oder Touren mit dem Speedboot zu Mantarochen und Wallhaien. Wir haben uns für eine All-in-one-tour entschieden, die für 74$ pro Person eine Tour zur nicht näher benannten Local Island, den Besuch einer Korallenmoschee, ein Picknick auf einer nicht näher benannten, mehr oder weniger einsamen Insel und Schnorcheln am Riff beinhaltet. Und auf diese Tour freue ich mich schon seit Tagen.

 

Fenfushi, die Local Island

So finden wir uns also zusammen, eine kleine, intime Truppe aus sechs Personen, allesamt Paare: die bereits erwähnten Briten und Italiener und wir zwei. Ein Boot holt uns am Morgen um halb Zehn ab und wir setzen zu Fenfushi über, einer Insel im Ari-Südatoll, unweit von Nalaguraidhoo, oder auch Sun Island gelegen. Am Bootsanleger steigen wir aus und werden sogleich von einem alten Mann begrüßt, der Kokosnüsse verkauft. Der Guide führt uns über die Insel. Die Straßen sind wie ausgestorben, nur hier und da in den Seitengassen stehen ein paar Arbeiter im Schatten herum. Aus Mangel an Alternativen wurden in der Vergangenheit Korallen als Baumaterial verwendet und so sehen wir einige Häuser und Mauern, die aus Korallen gefertigt sind. Wir passieren eine Schule, eine Arztpraxis und eine Apotheke. Die Schule dürfen wir nur von außen besichtigen, erklärt uns der Guide. An vielen Wänden hängen Plakate mit politischen Botschaften, das Gesicht eines Mannes taucht immer wieder auf. „The maledivian Donald Trump.“ Tönt Stefan laut und ich wünsche mir, er möge doch still sein. Der irritierte Blick unseres Guides lässt erahnen, dass wir uns in einem Land befinden, in dem Meinungsfreiheit nicht gerade hoch im Kurs steht.

Kaum ein Tourist ahnt, wie tief gespalten das Land wirklich ist. Es sind zwei Welten, die unabhängig voneinander existieren: die Touristeninseln und Urlauberinnen im Bikini und die zunehmende Islamisierung in der Bevölkerung. Seit dem Tsunami im Jahre 2004 wenden sich immer mehr Menschen der Religion zu, ein Trend zur Radikalisierung ist zu erkennen. Oder wusstet ihr, dass die Malediven auf die Bevölkerungszahl gerechnet die meisten IS-Kämpfer stellen?

Die Trauminseln, wie ich sie gerne nenne, sind das Lieblingsziel für Honeymooner, doch gleichzeitig hat das Land die höchste Scheidungsrate der Welt (Stand 2018). Es ist relativ einfach, sich scheiden zu lassen: sowohl der Mann als auch die Frau können erklären, dass sie nicht mehr verheiratet sein möchten. Bis zu fünfzehn Ehen innerhalb eines Lebens sind nicht selten. Auch die Politik spaltet das Land. Die Opposition leidet unter Repressalien, der frühere Präsident Mohamed Nasheed lebt in englischen Exil, nachdem der aktuelle Präsident Abdulla Yameen Abdul, der nach einem Militärputsch 2013 an die Macht kam; immer wieder versucht Nasheed, auf die Menschenrechtverletzungen im Inselstaat aufmerksam zu machen. Und die Bauwirtschaft im Land wird zunehmend von den Chinesen bestimmt.(Quelle: https://www.fnp.de/politik/widersprueche-trauminseln-10393800.html)

Durch die Einnahmen aus dem Tourismus konnte das Gesundheitswesen und das Schulsystem ausgebaut werden. Unser Guide erzählt uns, dass die Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung kostenlos sei. „For maledivians.“ Betont er. Ja klar doch. Und als wir die Polizeistation passieren, wendet er sich zu Stefan: „Your best friends?“

Die Korallenmoschee liegt inmitten eines Friedhofs still und verlassen da. Hohe, schmale Grabsteine mit dichten Schriftzeichen versehen, darüber wedelnde Palmenblätter. Ich muss sagen, ich habe mir unter „Moschee“ etwas großes, prachtvolles mit runder Kuppel vorgestellt, doch zum Vorschein kommt ein kleines Häuschen, das ich gut und gerne übersehen hätte, hätte man uns nicht darauf aufmerksam gemacht. Doch schön ist sie, außen wie innen, aus weißem Kalk und Holz gefertigt und mit Ornamenten und Schnitzereien versehen – die Korallenmoscheen auf den Malediven gehören zum UNESCO Weltkulturerbe. Zur Anlage gehört ein Fischteich, in dem keine Fische mehr schwimmen und eine steinerne Sonnenuhr. Betreten dürfen wir die Moschee nicht, doch lässt sich der kleine Raum gut von außen überblicken. Die Wasserhähne für die Waschung vor dem Gebet und die im Innenraum stehenden Ventilatoren zeugen davon, dass das Gotteshaus immer noch rege genutzt wird.

Das obligatorische Souvenir-Shopping steht auf dem Programm. Kleine Läden, von Einheimischen geführt, in denen sowohl der normale Haushaltsbedarf als auch eine große Auswahl an… ich würde sagen, veraltetem Ramsch angeboten wird. Im ersten Lädchen ist keiner anzutreffen, der Guide kehrt etwas ratlos zurück. „She is sleeping.“ Lädchen Nr 2 hat geöffnet und der Verkäufer lotst uns eifrig hinein. Stefan nutzt die Gelegenheit, sich mit günstigen Zigaretten einzudecken.

Und der alte Mann mit seinen Kokosnüssen ist auch wieder da, er hat seinen Standort von der Anlegestelle zum Souvenirladen hin verlagert. Ich will ihm etwas abkaufen und frage nach einer Kokosnuss. „Zwei Dollar.“ Zeigt er mir mit Handzeichen an. Wow, das ist Wucher; in Sri Lanka haben die Dinger knapp 50 Cent gekostet. Doch Stefan schlägt sofort zu. „Wir sind in Urlaub.“ Mir ist klar, hier hätte man handeln müssen – andererseits bin ich auch nicht besonders traurig darüber, einem alten Mann seinen Tagesverdienst gesichert zu haben. Soll er sich doch denken, die doofen Touristen lassen sich gutgläubig übers Ohr hauen – nein, manchmal ist es eine bewusste Entscheidung in Hinsicht auf die finanzielle Lage der Einheimischen, einen solchen Preis, der uns schließlich noch nicht einmal weh tut, zu bezahlen. Nix zu danken.

 

Das Picknick – „And the island will be yours…“

Ein alter Bootsführer holt uns mit seiner Nussschale ab. Wir verlassen Fenfushi und steuern ein weiteres Ziel an, die Miniinsel Tholhifushi, direkt vor der Sun Island gelegen. Zu sechst quetschen wir uns in der Nusschale und der alte Mann steuert gekonnt das Gerät über die Wellen. Sonnenschein, Wind und das laute Rattern des Motors. Das Picknick auf Tholhifushi (irgendwie enden die meisten Inselnamen auf „…fushi“…) ist ein Teil unseres Programms und als wir auf der flachen Sandbank abgeladen werden, kehrt der Mann um, um unseren Proviant zu holen. Indessen werden wir ein Stück über die Insel geführt, über einen sandigen Pfad, der sich durch hohe, dichte Vegetation schlängelt, bis sich schließlich der Weg zu einer anderen Stelle am Wasser hin öffnet. Wir finden uns an einem Stück flachen Strand wieder, eine kleine, zwischen dichtem Pflanzenwuchs geborgene Bucht. Bänke stehen da und eine kleine, mit Palmblättern bedeckte Hütte lässt das Gefühl von Robinson Cruise aufkommen. Verloren im Paradies. Ach, was einem da nicht alles durch den Kopf geht. Das Innere der Hütte ist abgeschlossen, doch durch die Fensterschlitze kann man die spärliche Einrichtung sehen bestehend aus einem Bett, einem Spiegel und einer Kommode. Draußen setzen wir uns mit patschnassen Klamotten auf die große Schaukel.

Später finden wir heraus, dass die Hütte tatsächlich irgendwas mit Robinson Cruise (Club? Resort? Whatever…) heißt und dass man sie mieten kann. Wahrscheinlich zu einem horrenden Preis und das Essen wird täglich mit dem Boot angeliefert…

Hier, an dieser kleinen Strandbucht lässt man uns allein; unsere Guides kümmern sich um die Anlieferung vom Essen. Wer will, kann schwimmen, wer möchte, sich ausruhen, das Wasser ist warm (wie immer…), flach und klar, die Strömung etwas stärker. Ich stopfe mir sofort den Schnorchel in den Mund und tauche mit dem Kopf unter Wasser. Und da jubelt mein Herz, denn die Korallenriffe sind hier noch intakt! Im Gegensatz zu dem hoffnungslosen Bild, das ich am Sun Island und auch an unserer „Hausinsel“ bekommen habe, zu den toten Riffen, an die sich die Fische klammerten, bekomme ich hier unten eine wunderbar lebendige Welt zu sehen. Muscheln, die sich öffnen und schließen, Polypen, die im Wasser hin und her schwingen und farbige Schwämme, bunte, flach gedrückte Fische, zart wie Schmetterlinge – die ganze verdammte Ariel-Fantasywelt, wie sie sein sollte. Wie schön.

Nach dem Schnorcheln entspannen wir in der Hütte auf der großen, hölzernen Schaukel. Der Holzboden trägt die nassen Spuren unserer Füße, und wir spinnen Pläne, träumen davon, die Hütte mal zu mieten, für eine Woche oder zwei. „Was macht dein Lottogewinn?“ Frage ich Stefan, wie immer bei solchen Gelegenheiten. „Halt dich ran…“

Währenddessen wir uns die Zeit vertreiben, wird für uns das Picknick aufgebaut. Das Ganze erinnert eher an ein Dinner, die Männer tragen Essenspakete und Gasflaschen vom Boot auf die Insel und verschwinden damit im Dickicht. Irgendwann dürfen wir schauen kommen, werden den sandigen Pfad zurück über die Insel geführt. Ein freier Platz zwischen den Bäumen, ein für uns aufgebautes Buffet mit Brötchen, Süßem und Salaten und ein Mann, der am Grill steht und Hähnchen und Fisch für uns brutzelt. Wie aus dem Nichts. „Was für ein Aufwand.“ Bemerkt Stefan. Hinter uns, vom anderen Ende der Insel ertönt der Ruf des Muezzin zum Gebet.

Als wir mit je einem Pappteller am Buffet stehen, dringt von irgendwoher ein Miauen in mein Bewusstsein, das zunächst so absurd klingt, dass ich es gar nicht beachte. Doch das Miauen wird immer lauter und dann erscheint eine alte, struppige Katze und lugt hinter der Hausecke hervor. Dabei miaut sie ununterbrochen, laut und vorwurfsvoll, wie um sicher zu stellen, dass man sie ja nicht vergisst. „Miau, Miaau… MII…AAUU…!“ Fast rechne ich damit, dass einer der Männer die alte Katze gleich vertreiben würde, doch nein, auch sie bekommt ihre Portion. Eine sehr üppige Portion noch dazu. Und so sitzen wir unter dem Blätterdach einer Hütte an langen Tischen und Bänken und immer mal wieder späht der einer oder andere durch das Fenster nach draußen zu der Katze, die sich seelenruhig und in aller Langsamkeit über den Inhalt ihres Tellers macht. Die Katze ist die Attraktion des Tages und immer wieder legt ihr jemand seine Reste auf ihren Katzenteller. Als der Grillmeister jedoch mit dem unaufgegessenem Fisch ankommt, wird ihr das Ganze zu suspekt; sie flüchtet vor dem Fisch, der fast so groß ist wie sie selbst, ganz so, als könne er wider Erwarten doch noch zum Leben erwachen.

In aller Gemütlichkeit rauche ich meine Zigarre. Wir sind satt, wir sind entspannt, es waren viele Eindrücke an diesem Tag. Jetzt nur noch in aller Ruhe gemütlich ein paar Runden schnorcheln gehen und dann ab nach Hause. Und die Katze war der Höhepunkt des Tages.

Oh wie wir uns da täuschten.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
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Die Welt wartet auf uns.

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