Asien, Jordanien

Jordanien, Tag 7 – Amman, die Metropole

Samstag, der 6 Oktober 2018

An Morgen werde ich unsanft durch ein hartnäckiges Klopfen geweckt.

Djamal* und Fran sind nicht da; die beiden hatten sich zu einer morgentlichen Wanderung entschlossen, die um halb fünf starten sollte und sitzen nun vermutlich auf einem Felsen oder einer Düne und blicken in den Sonnenaufgang.

Ein etwa zwölfjähriger Junge steht vor der Tür. Er entschuldigt sich, das Frühstück sei gleich fertig.

Knapp fünf Minuten später, ich gerade dabei bin, mich umzuziehen, klopft es erneut. Es ist derselbe Junge, der mir nun sagt, dass ich mich beeilen solle, denn die Touristen müssten die Zelte räumen. Angesäuert schaue ich mich in unserem Zelt um. Ich habe zwar bereits gepackt, doch Fran ist noch nicht da und ihre Sachen liegen noch verstreut auf dem Bett herum. Ehe die beiden nicht zurück sind, gehe ich nirgendwo hin. Außer vielleicht gestresst in den Frühstücksraum. Ein Minderjähriger traut sich doch tatsächlich, mich zu wecken!

Doch kurz danach tauchen Fran und Djamal* auf. Djamal* ist die Ruhe in Person. „Komm frühstücken, trink noch einen Kaffee!“ Im Frühstücksraum erzähle ich ihm von dem Vorfall von heute Morgen. Inzwischen gehe ich treffender Weise davon aus, dass man Djamals* Schützlinge anders zu behandeln hat. Er verschwindet und spricht mit ein paar Leuten.

Als er sich wieder zu mir setzt, sagt er: „Ich habe jeden gefragt, doch angeblich wusste keiner, wer dich geweckt hatte. Keine wollte es zugeben. Ich habe ihnen gesagt, dass es nicht geht, gleich am Morgen so einen Stress zu machen.“ Ich lächle dankbar. Ja, an Djamals* Fürsorge habe ich mich schon gewöhnt.

Später fährt uns ein Toyota Pick-up wieder durch die Wüste. Mit uns an Board sind diesmal drei andere Reisende, zwei Holländer und ein Chinese, die ich bereits am Vorabend beim Abendessen gesehen habe. Der junge Chinese erzählt uns von seiner Heimat, einer Großstadt, wo die Wohnungen die Größe eines Schuhkartons haben und man sich mit dem Nötigsten begnügen muss, um an Platz zu sparen. Die Mieten in großen Städten seien astronomisch teuer und Wohnraum knapp, und das nimmt dann extreme Ausmaße an. Doch trotz alledem wollen alle in der Stadt leben – wegen Arbeit, wegen des Studiums. Auch er sei Student.

Das ist mit ein Grund, weshalb ich so gerne unterwegs bin: es sind nicht (nur) die Sehenswürdigkeiten, für die ich mich aufmache in die große, weite Welt, es sind die Menschen, die woanders leben, die so anders leben als ich, und über die ich etwas erfahren möchte. Wenn möglich, aus erster Hand. Einmal einen Perspektivwechsel erleben. Das würde einigen in Deutschland auch gut tun.

Zurück an unserem Auto wäscht Djamal* kurz die Scheiben durch, die nach unserer Abwesenheit nun von einer dicken Schicht Wüstenstaub bedeckt sind. Wir laden das Gepäck um und räumen den Innenraum auf. Die Holländer und der Chinese hatten sich verabschiedet.

„Willst du ein kleines Kätzchen sehen?“ Fragt Fran und deutet auf einen großen Müllhaufen auf der anderen Seite der Straße, wo um zwei große, metallene Tonnen herum Unmengen an Müll drapiert ist. Zwischen den Tüten steht ein strubbeliges, dünnes Kätzchen, das auf zitternden Beinchen ein paar Schritte vorwärts geht und dabei ununterbrochen erbärmlich miaut. Die Katzenmama ist nirgends zu sehen. Mit etwas Glück wird es vielleicht überleben – falls es jemand von den Menschen drumherum nicht zu Tode tritt.

Wir fahren zurück nach Amman, diesmal ohne Umwege und ohne nennenswerte Stopps. Unterwegs sehen wir unzählige Pick-ups, die Schafe auf der Ladefläche transportieren und Djamal* bestätigt mir, dass es hier in der Nähe einen großen Schafsmarkt gibt. Dann – Straßenschilder, die mich irritieren, denn laut der Beschilderung müssten wir uns gerade mal fünfhundert Meter von der saudischen Grenze befinden.

Während Fran auf dem Rücksitz ihren Schlaf nachholt, gibt mir Djamal* Tipps für meine Reise nach Palästina, denn die Autonomiegebiete im Westjordanland, Djamals* alte Heimat, sind mit ihren vielen biblischen Stätten zu meinem nächsten geplanten Ziel geworden.

Schon gegen Mittag erreichen wir Amman. Mein erster Tag hier in der Hauptstadt scheint so weit entfernt. Bei meiner Ankunft in Jordanien war Amman für mich wild und exotisch, orientalisch und fremd. Der riesenhafte Moloch mit all seinem Lärm und dem Gesang des Muezzin, mit seinen Souks und seinen Menschen hatte nichts, aber auch wirklich nichts Vertrautes an sich. Als jetzt das Auto durch die Straßen gleitet und die wenigen verglasten Wolkenkratzer passiert, fühle ich mich, so frisch aus der Wüste kommend, wie in einer leuchtenden, europäischen Metropole. Amman ist modern, Amman ist hip, Amman ist westlich – es ist wohl der westlichste Ort des Landes.

Und zurück im Hostel zu sein ist nach allem, was ich erlebt hatte, wie ein Stück Zuhause. Was war ich ängstlich bei meiner Ankunft, was saß ich scheu und ruhig am Rande der Wohnzimmercouch und fürchtete, mich zu bewegen! Wie anders fühlt sich nun alles an. Djamals* Söhne begrüßen uns herzlich.

Ich bekomme nochmal ein Upgrade und somit ein Zimmer mit Balkon. Zudem bekommen wir Zeit – viel Zeit für uns, denn für heute ist nichts weiter geplant, es gibt nichts weiter zu tun. Zeit für eine ausgiebige Dusche, den Sand aus der Kleidung und aus den Haaren zu waschen. Danach sitze ich auf dem Bett und ergänze meine Notizen, die viel zu lange liegen geblieben sind. Packe ein paar Sachen um. Schaue draußen auf dem Balkon auf die Stadt hinaus.

Und nach rund zwei Stunden der Ruhe und Zurückgezogenheit, nach der beschaulichen Zeit nur für mich registriere ich verwundert, dass ich es in der kurzen Zeit bereits verlernt hatte, für mich alleine zu sein. Nicht ganz eine Woche hat gereicht, um die ersehnten und herbei gewünschten stillen Augenblicke seltsam erscheinen zu lassen. Immer war Trubel und immer hatte ich jemanden um mich herum, sei es Djamal*, Fran oder beide. Jetzt schließe ich mein Notizbuch und gehe wieder nach unten ins Wohnzimmer, mal schauen, wer da so alles sitzt. Doch noch ist das Wohnzimmer bis auf die jüngeren Söhne und das Hausmädchen weitestgehend leer.

Am Abend überzieht ein rosaroter Himmel die Stadt. Das Kreuz der Kirche beginnt zu leuchten neben der Kuppel der Moschee. Inzwischen ist auch Fran wieder aufgetaucht und wir sind damit beschäftigt, unsere vielen Bilder auf unsere Laptops zu übertragen.

Djamals* Frau hat an diesem Abend wieder für uns gekocht, und diesmal bleibt sie auch nach dem Essen mit uns zusammen. Wir sitzen im Wohnzimmer und reden, Djamal* gibt mir Tipps für den Weg zum Flughafen und für die Autorückgabe. Fran wird morgen früh in den Bus nach Jerusalem steigen; ihr gibt er Tipps für den Grenzübertritt. Es scheint, als wolle er uns, seine Küken, nicht unvorbereitet in die weite Welt ziehen lassen.

*Name geändert

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

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