„Türkischer Mokka, gebraut auf Sand“, verspricht das Aushängeschild. Ich spähe interessiert durch die Scheibe. Ich stehe vor einem türkischen Supermarket in der Andernacher Fußgängerzone, es ist kühl und wolkig und ein kalter Wind weht mir um die Ohren. Eigentlich muss ich noch woanders hin, aber auf einen Mokka und das dazugehörende Päuschen habe ich mehr Lust.
Drinnen umgibt mich sofort der allgegenwärtige Duft von Minze; ich schaue um mich und versuche, die Quelle der aromatischen Gerüche auszumachen. Der ältere Mann scheint überrascht. Mit großen Gesten zeigt er an, ich solle es mir an einem der Stehtische gemütlich machen, der Mokka braucht noch ein paar Minuten. Ich kuschle mich in die Ecke zwischen Stehtisch, Wand und Schaufensterscheibe und warte.
Einmal registriere ich den prüfenden Blick des Mannes. Danach wendet er sich wieder seinem (meinem) Kaffee zu. Und nach einem kurzen, aber unausweichlichen „was-mach-ich-hier“-Gefühl beginne ich mich wohl zu fühlen.
Ursprünglich wollte ich mich vor das Schaufenster setzen und das Treiben auf der Straße beobachten, doch schnell stelle ich fest, dass es drinnen viel spannender zugeht. Von meinem Platz aus habe ich die perfekte Sicht auf die zwei Kassen und die Kundenreihen davor. Und bin überrascht darüber, wie die Leute miteinander umgehen.
Während an den Pennys und Lidls dieser Republik betretenes Schweigen herrscht und die Kassiererinnen dreinschauen wie drei Tage Regenwetter, wird hier miteinander gesprochen und gelacht. Der junge Kassierer, wahrscheinlich der Sohn des Hauses (der Vater macht meinen Mokka und seine Frau bedient an der Oliven-Dürum Theke) hat für jeden einen kleinen Plausch übrig. Und nicht nur Türken kommen hierher; eine ältere, breit lachende Italienerin schnackt mit dem Kassierer, was die Leute hinter ihr eben nicht dazu bringt, ungeduldig mit den Augen zu rollen. Alle sind freundlich zueinander und es hat gefühlt fast jeder ein Lächeln auf den Lippen. Ich muss an meinen Flug nach Jordanien denken, wo sich die Menschen unaufgefordert gegenseitig geholfen hatten, ihr Gepäck aus den Fächern zu holen. „Hier sind alle so nett.“ Sage ich zu der Frau des Kaffeemannes, die gerade eine deutsche Dame bedient. „Sitzt man dagegen woanders beim Bäcker, ziehen alle lange Gesichter, wer weiß, warum.“ Sie lacht.
Mein Mokka ist fertig und als ich bezahlen will, deutet der Mann wieder mit großen Gesten an, dass ich zuerst austrinken soll. „Trinken Sie erstmal.“ Er legt mir ein Lokum neben die Tasse und verschwindet an einer der anderen Kassen.
So trinke ich Mokka aus der kleinen, weiß-blau bemalten Mini-Tasse und erfreue mich an der herzlichen Atmosphäre. Wenn Urlaub für Menschen wie mich nicht Erholung, sondern neue Eindrücke, neue Reize für meine Sinne bedeutet, dann werde ich hier, einen Schritt entfernt von der kalten, deutschen Stadt, mehr als bedient. Sofort ist mein Geist hellwach, nimmt die Menschen und die unvertraute Umgebung in sich auf. So viele Produkte in den Regalen, die ich nicht wirklich kenne. Willst du ein Land und seine Kultur kennen lernen, sagte mir einmal eine Freundin, so gehe im örtlichen Supermarket einkaufen.
Eine Reise in eine andere Kultur muss nicht zwangsläufig bedeuten, die Landesgrenzen zu verlassen. Manchmal reicht es, sich hierzulande aus seinem gewohnten Umfeld zu wagen und einen Fuss in eine andere Umgebung zu setzen. Wie auf dem thailändischen Lichterfest in Bad Homburg zu gehen, das jedes Jahr im Sommer stattfindet. Oder auf dem Henna-Abend einer indischen Familie. Oder aber in einen türkischen Supermarket. Der Effekt ist immer dergleiche: ein kleines Stückchen Annäherung. Neue visuelle Reize. Ein Kennenlernen.
Der Kaffee kostet zwei Euro, ich gebe vier. Einfach weil es mir so gut gefallen hat. Der ältere Mann weigert sich, das Mehr an Geld anzunehmen, doch ich bitte ihn darum, dem, der nach mir kommt, einen Mokka zu spendieren. Egal, wer das sein wird.
Damit kann er leben.
Extra-Tipp für dich: wenn du dich für das Thema Kaffee begeistern kannst, empfehle ich dir wärmstens CoffeeNewstom, den Blog rund um Kaffee. Was, ein ganzer Blog, der sich um das Thema Kaffee dreht? Was kann man denn dazu so viel schreiben? – dachte ich mir, als ich zum ersten Mal über Tom’s Website gestolpert bin. Doch, Tom kann. Lass dich überraschen.
[…] verreisen muss. Manchmal kommt so ein Mikro-Reisen-Flash komplett unerwartet. Manchmal ist es der Kaffee, der auf Sand gebrüht wird (was??). Oder der Raki-Abend bei einer Freundin. Mannheim ist eine so wunderbar multikulturelle […]