Deutschland, Europa

Schloss Lüll – Wachenheim in der Pfalz

Es ist niemand da, das Anwesen liegt scheinbar komplett verlassen vor mir, als ich aus dem Auto steige. Ich schaue mich um. Gehe den Kiesweg rauf und bin mir nicht sicher: in welche Richtung setze ich nun meine Schritte? Und – darf ich überhaupt hier sein?

Das Tor des verwucherten Gartens ist weit geöffnet, genauso wie die Tore zum Innenhof; trotzdem widerstrebt es mir, da einfach hinein zu spazieren. Guten Tag, kann ich Ihnen helfen? Ach wissen Sie, ich möchte mir nur mal das Schloss anschauen. Hm.

Der Garten ist menschenleer, auf den noch kahlen Zweigen der Bäume und Sträucher liegt ein Schein, wie nur die sanfte Wintersonne ihn herzaubern kann. Nur der Efeu ist hier grün und irgendwie hat das Ganze etwas von einem Lost Place. Ein hölzernes Sommerpavillon steht einsam da und zwischen den Zweigen der Bäume kann ich einen Blick auf die aufragenden Türme erhaschen.

Viel weiß ich nicht über das Schloss; auch hatte ich nicht mehr als einen flüchtigen Blick darauf werfen können, als ich es vor circa einer Woche entdeckte. Und das nur, weil ich mich verfahren habe – eigentlich hatte ich in der Gegend nicht wirklich zu tun. Damals war keine Zeit, doch ich versprach mir, wieder zu kommen – ein Blick über die dicke, verwucherte Mauer, die den verlassenen, zugewachsenen Garten umgab; ein flüchtiger Eindruck von diesem Ort, und schon wollte ich mehr.

Den Ort umgibt heute eine besondere Atmosphäre, eine Stimmung der Einsamkeit und Stille, ganz so, als wären die Inhaber mit einem Male verdunstet. Doch dass das Schlossgut Lüll so einsam gar nicht ist, zeigt eine kurze Recherche im Internet, die ich anschließend, im Auto sitzend, machen werde. Das Schloss ist in die Liste der Kulturdenkmäler von Rheinland-Pfalz eingetragen. Das Anwesen wird als Weingut bewirtschaftet, man kann hier feiern oder eine Weinprobe buchen, die Räumlichkeiten sind für Hochzeiten und Geburtstage zu vermieten. Da geht es sicher lebhaft zu und ich weiß, dass ich das Schloss Lüll in den Sommermonaten nicht mehr so erleben werde wie heute, still und scheinbar vollkommen verlassen, wo sich trockene Zweige des Weinlaubes um seine Türme ranken.

Das trockene Laub des vorherigen Herbstes knirscht unter meinen Schuhen. Durch das offene, schief stehende Tor gelange ich wieder aus dem Garten und richte meine Schritte zum Innenhof hin. Hinter mir sehe ich einen Mann. Allen Anschein nach gehört er hier dazu, er hat eine dunkelgrüne Latzhose an und trägt etwas. Der Mann läuft in die entgegengesetzte Richtung und verschwindet schnell wieder hinter der Ecke. Er sieht mich nicht.

Vom Eingangstor zum Hof, das sperrangelweit offen steht, kann ich einen besseren Blick auf die Türme und die Frontseite des Schlosses bekommen. Die Sonne steht inzwischen schräg und wirft einen langen Strahl auf die Pflastersteine. Ich mache verstohlen ein paar Bilder. Niemand hat hier das Fotografieren verboten – aber niemand hat es auch erlaubt. Und ganz offensichtlich befinde ich mich auf Privatbesitz.

Deswegen gehe ich auch nicht weiter in den Hof hinein. Weil ich nicht herumschleichen möchte. Was ich ja schon tue. Aber noch kann ich zu mir selbst sagen, dass ich nach jemanden Ausschau halte, der mir ein paar Infos geben kann. Oder mich herumführt. Wobei mir letzteres nun doch sehr unwahrscheinlich erscheint.

Noch ein Foto, noch ein Blick. Langsam wende ich mein Auto, das ich auf der Seite, bevor der Weg abbiegt, abgestellt habe, und verlasse das Gelände. Meine Anwesenheit hier ist vollkommen unbemerkt geblieben. Mehr zu sehen bekomme ich für heute nicht – außer, ich buche eine Weinprobe auf dem Anwesen. Und das würde ich tun, nur um das Schloss ganz aus der Nähe zu sehen…

Zum Geschichtlichen:

‚Die heutige Hoflage des Schlossgutes war ehemals die „Oberburg“. Um 1330 bewohnte sie das Geschlecht derer von Wachenheim. Inmitten der erhaltenen Schlossanlage steht der um 1500 errichtete, sechs Stockwerke und 25 Meter hohe Wohnturm. Der mächtige Burgfried gilt als der größte Wohnturm Rheinhessens. Der Turm war in Kriegszeiten letzter Zufluchtsort für Burg- und Dorfbewohner. Im Parkgelände befindet sich noch ein römischer Mühlstein aus der Zeit um ca. 300 n. Chr.Dieser kam bei Ausschachtarbeiten im Baugebiet „Hinter dem Mühlbrunnen“ Ender der 1980er Jahre zu Tage. Ebenfalls im Schloßpark ist noch das um 1750 erbaute, barocke sog. Kavaliershäuschen zu finden. Es war ursprünglich ein gestalterisches Element des vom damaligen Schlossbesiter von Botzheim angelegten sieben Morgen großen Schlossparks. Wegen seiner speziellen Nutzung unter napoleonischer Besatzung um 1800 erhielt das Gebäude später den liebevollen Namen „Kavaliershäuschen“. Das Schlossgut sowie der Park befinden sich heute im Privatbesitz der Fam. Lüll und wird als Weingut betrieben.Text entnommen aus Wachenheim-historische Gebäude mit freundlicher Genehmigung. Ergänzungen von Wolf-Dieter Egli‘

Quelle: www.rheinhessen.de

Kasia

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