Deutschland, Europa

An der Saar – Der Baumwipfelpfad

Wie ein Spiegel, grün und still, liegen die Biegungen der Saar in dieser frühen Morgenstunde da. Kaum ein Auto ist unterwegs, es ist erst knapp sieben Uhr. Ich stelle mein Auto in einer Seitenstraße ab und laufe vor bis zum Ufer.

Die glatte Oberfläche, noch warm vom Vortag, dampft vor sich hin in die kalte Luft hinein, eine kleine, ätherisch weiße Wolke hängt unbeweglich über den grünen Hügeln, als hätte jemand sie angeklebt.

Fahre ich weiter, zerreißen rote Felsen die Landschaft an der Saar; ich komme an Förderstellen von rotem Sandstein, der seit 160 Millionen Jahren in dieser Gegend lagert. Die Straße windet sich in tausend Kurven und ich halte locker das Lenkrad zwischen zwei Fingern und Daumen der rechten Hand, bin vollkommen auf die Landschaft fokussiert. Nur am Rande nehme ich den schwarzen, schnellen Mercedes wahr, der sich in Schumi-Manier im Gegenverkehr kurz auf meiner Spur befindet, den Wagen vor sich überholt und knapp vor mir wieder einschert, ehe es zum Crash kommen kann. Die Nebelhaften Wolken umringen den Fluss wie ein Kranz, alles scheint still zu stehen. Welch verwunschenes Land.

Schon damals, in Oktober letzten Jahres, hatte ich die Saar für mich entdeckt. Gold, orange und feuerrot leuchteten damals die Blätter und die Natur schien einen goldenen Ball zu geben. Die Sonnenstrahlen, müde vom Kampf des Sommers, waren warm und weich wie hinter Milchglas versteckt. Und auch damals hingen geheimnisvoll die Nebelschwaden über dem Fluss, während kleine Spinnen ihre feinen, seidig glänzenden Netze hinaus in die Welt warfen. Meine Augen hingen an der Szenerie und versuchte, sie sich einzuprägen.

Dieser Augenblick ist mir für ewig in Erinnerung geblieben, und dann, dann tauchte das kleine, wunderschöne Juwel aus all dem Gold und Nebel auf: Saarburg.

 

Saarburg

 

Schlammig schön – die Saarschleife

„Das Ticket in den Schlitz heben! Nein, mit dem Strichcode nach vorne! Jaaa, genau…“ Die Dame am Ticketschalter und ich lächeln nachsichtig, als der ältere Herr versucht, seine Karte durch den Schlitz zu ziehen, die Ehefrau an seiner Seite hilft tatkräftig mit. Irgendwann hat er den Dreh raus und entschwindet durch die Schranke. Dann bin ich an der Reihe.

„Einmal Erwachsener, bitte.“

Der hölzerne Steg in Mettlach-Orscholz an der Saar führt sanft, aber stetig in die Höhe. Nein, eigentlich führt er nicht in die Höhe; es ist, als sanken die Bäume mit einem Male ab. Ich strecke die Hand aus und berühre die grünen Blätter der hoch gelegenen Äste direkt über meinem Kopf – einfach weil ich es kann.

Der Baumwipfelpfad wurde direkt am Cloef, also am Abhang der Saar gebaut und 2016 eröffnet. Seine 1250 m Länge sind kaum zu spüren, wie ein kurzer Spaziergang kommen sie einem vor. Der gesamte Pfad ist barrierefrei und lässt sich auch mit einem Kinderwagen gut bis ganz nach oben begehen.

Ein wenig komme ich mit den älteren Herrschaften von vorhin ins Gespräch. Der Pfad hat auf seiner gesamten Länge verschiedene Spielereien im Angebot, die sich vor allem an Kinder richten. Doch mich interessiert im Grunde nur die Saarschleife, die ich von unzähligen Bildern kenne und auf die man von hier oben einen sagenhaften Ausblick hat. Ich überlasse das Ehepaar also nach kurzer Zeit sich selbst und marschiere zügig weiter – bis ich über eine Grundschulklasse stolpere.

Sofort fühle ich mich wie in einem Hummelnest. Die Hummeln schwirren um mich herum und summen vor sich hin. Langsam drücke ich mich an den kleinen Biestern vorbei und versuche, nach oben zu gelangen, ehe sie von den Betreuern von der Leine gelassen werden. Hinter mir höre ich die aufgeregte Stimme der Lehrerin: „Ihr zwei da! Wie oft habe ich euch gesagt: nicht rennen? Das seid schon wieder ihr beiden, ihr bleibt jetzt hier!“ Ich flüchte.

Über viele Windungen des Holzgerüstes gelange ich bis nach ganz oben. Die Saarschleife liegt wunderschön vor mir und die kleinen, roten Kajaks auf dem Wasser sehen aus wie Spielzeug. Auf beiden Seiten der Saar zieht sich die Straße entlang; mein Verstand sagt mir, dass dies die Straße ist, über die ich hierher gekommen bin, doch meine Augen sagen mir, es sei nur ein Pfadfinderweg. So winzig sieht alles von hier oben aus, das Land liegt da wie auf der Hand. Kaum zu glauben, dass sich ab und zu auch Frachtschiffe die enge Passage entlang drücken.

Der Wasserstand ist hoch und durch Gewitter und Starkregen der letzten Wochen sieht der Fluss braun und schlammig aus. Es hatte in kurzer Zeit von 29 auf 18 Grad abgekühlt und ich fröstele in meinem T-Shirt. Stellenweise durchbricht Sonne die Wolken und lässt Lichtreflexe auf dem sandig braunen Wasser da unten tanzen.

Nach einer Weile höre ich, wie die Kinderschar, die ich unter mir gelassen habe, immer näher kommt. Irgendwann gibt jemand anscheinend ein „Go!“ und die ersten rennen im Schweinsgalopp die hölzernen Bretter hoch. Das Gerüst zittert, der Mann neben mir und ich tauschen einen Blick. Spontan beschließe ich, dass ich genug gesehen habe, und trete den Rückzug an.

„Ach, Kinder… Kinder sind immer laut. Wenn das nicht so wäre, dann wären es keine Kinder.“ Dieser Satz stammt von dem älteren Mann; das Ehepaar, welches ich auf dem Weg nach oben zurück gelassen habe, kommt gerade an.

„Beeindruckender Ausblick, oder?“ Setzt der Mann fort. „Vor Jahren war ich schon mal hier, damals gab es diese Konstruktion hier nicht. Ich stand da unten.“ Er zeigt auf einen gemauerten Vorsprung, auf dem sich eine Handvoll Rentner versammelt haben, um über den servierten Cafe und die Snacks herzufallen. „Vermutlich ist ein Reisebus angekommen.“ Damals, erzählt er mir, hatte es beim Bau des Baumwipfelpfades an der Saar große Diskussionen gegeben. „Die Grünen hatten dagegen gewettert, da ziemlich viel Holz der Nordmanntanne dafür verwendet werden musste.“

Doch meinen späteren Recherchen nach ging es eher um die anscheinend nicht gewährleistete Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer, mehr dazu hier. Es wurden auch Douglasien- und Lerchenholz sowie Stahl verwendet. Wo haben die Menschen oft denn nur ihre Informationen her?

Update 2020: Das Saarland hat mehr zu bieten als nur die Saarschleife. Einige Tipps hat Renate von Raus ins Leben gesammelt. Schau vorbei, wenn du dich inspirieren lassen willst, oder wenn du einen guten Tipp auf Lager hast… 

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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3 Kommentare

  1. […] Es gibt einen Ort, von wo solche Aufnahmen gelingen – und noch viel mehr! Das ist der Baumwipfelpfad, der 1250 Meter lang in 23 Metern Höhe verläuft und über Mettlach-Orscholz zu erreichen […]

  2. Danuta sagt:

    Kochanie, zostałas pisarką. Pięknie opisujesz.

    1. Kochanie, tylko jeszcze na chleb zapracowac tym pisaniem dobrze by bylo… 😉

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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