März 2014
Es ist schier unglaublich, denke ich mir, während ich in meinen Online-Fotoalben aus dem Jahr 2014 blättere – seit ich Stefan kenne, scheint mein Leben gar nicht mehr still stehen zu wollen. Ständig sind wir irgendwo unterwegs und ihm gehen auch nie die Ideen aus für schöne Orte, die zu besuchen ich so nicht gekommen wäre. So geht es auch heute auf eine Tour in den Schwarzwald nach Triberg, zu dem größten Wasserfall Deutschlands.
Wie kamen wir auf Triberg? Nun, vielleicht deshalb, weil Stefan diese Gegend schon ziemlich gut kennt, befindet sich dort in der Nähe der Standort seines Arbeitgebers, einer der weltweit führenden Produzenten für Bäder und Zubehör.
Triberg ist eine der wohl bekanntesten touristischen Orte des Schwarzwald, der Besucher über die Bundesgrenzen hinaus anzieht. Größere und kleinere Attraktionen laden zum Verweilen ein, wie zum Beispiel die angeblich größte Schwarzwald – Uhr der Welt. Doch wir lassen die Stadt für heute links liegen und begeben uns gleich den steilen, sich schlängelnden Weg hinauf zum Wasserfall.
Es ist Frühjahr, die Sonne ist bemüht, eine Illusion von Wärme zu verbreiten, die sich jedoch sofort verflüchtigt, sobald wir den Parkplatz verlassen um uns in den Schatten der noch kahlen Bäume zu begeben. So laufe ich zurück und hole doch noch meine Jacke aus dem Auto, die ich in einem Anfall von Übermut drinnen gelassen habe.
Die Bäume sind unglaublich groß, mächtige Baumstämme der Fichten streben pfeilgerade nach oben und lassen uns ganz klein in der Nähe des Bodens zurück. Ihre Wurzeln klettern, teilweise oberirdisch, ein verschlungenes Geflecht bildend auf grauen Felsbrocken entlang. Bemooste Steine und Baumstümpfe, die aussehen wie grüne Kobolde, stehen nahe der Schotterpiste Spalier und scheinen uns empfangen – oder einschüchtern – zu wollen. Und ja, vielleicht ist es einer kunterbunten Fantasie zu verdanken, doch ich meine, auch Gesichter in ihnen zu erkennen…
Hier und da sehen wir eine Ansammlung von gelben Blumen, wenige, die um die frühe Jahreszeit schon zu sehen sind. Es ist zwar schon Ende März und das Rhein-Main-Gebiet ertrinkt bereits in einem Blütenmeer, doch der Frühling ist hier, auf dieser Höhe, noch nicht richtig angekommen.
Vogelstimmen, die ein Echo von Baum zu Baum, von Baumkrone zu Baumkrone weiterträgt, begleiten uns.
Aus dem Bekanntheitsgrad des Wasserfalls wird Profit geschlagen: der Zugang zum Wasserfall ist nach einem Eintrittsgeld möglich. Ein kleines Häuschen am Rande der hölzernen Brücke sorgt dafür, dass alles nach dem Rechten zugeht.
Dann der Wasserfall. Ja, er ist hoch und ja, er ist sehenswert, doch als überwältigend würde ich ihn nicht gerade bezeichnen. Es ist nun mal das, was Deutschland an Wasserfällen so zu bieten hat, und so machen wir fleißig unsere Fotos und versuchen, dabei anderen Menschen aus dem Weg zu gehen, die, genauso wie wir, danach trachten, die Wassermassen in die Tiefe stürzen zu sehen.
Noch faszinierender als den Wasserfall selbst finde ich die Stromschellen des kleinen Baches, die wie wütende Wirbel an nassen, grünen Steinen entlang eiskalt und klar hinunter flitzen. Ich bin versucht, meine Hand hinein zu halten und von dem kalten Wasser zu trinken.
Die Wurzeln der Bäume um uns herum bilden an den Hängen abenteuerliche Formen und da ich eh schon so anfällig bin für solche Dinge, glaube ich wieder, irgendwelche Waldgeister in ihnen zu sehen (ach ja, übrigens: Wusstest Du, dass es in Island und manchen Teilen Norwegens sogenannte Kobold-Beauftragte gibt, die darauf achten, dass keine Straßenplanung und keine neu zu bauenden Häuser den kleinen Geisterwesen in die Quere kommen? Hier, in der Tiefe des Waldes, das Rauschen des Wassers in meinem Ohr, bin ich gewillt, daran zu glauben…)
Weiter führt uns der Weg auf den Feldberg, wo ich während der Fahrt mit Erschrecken feststelle, dass wir dabei sind, die Schneegrenze zu erreichen… Mit Erschrecken deshalb, weil ich entsprechend dem warmen Rhein-Main-Frühling gekleidet bin, das heißt: Strumpfhose, Röckchen, Absatz.
Und mit Strumpfhose, Röckchen, Absatz stöckele ich nun durch den Schnee hindurch, als wir aus dem Auto steigen und versuche möglichst, die schmutzigen, matschigen Pfützen zu umgehen.
Der Feldberg im Schwarzwald ist mit 1493 Höhenmetern im Winter ein hoch frequentierter Skiort, doch die Piste liegt trotz des Schnees um diese Jahreszeit verlassen vor uns. Das Restaurant, welches sich in der Berghütte befindet, hat allerdings Hochbetrieb. Nach einer warmen Mahlzeit und der obligatorischen Schneeballschlacht, wobei uns die Autos, die den Parkplatz bevölkern, als Deckung dienen, fahren wir wieder runter nach Triberg, wo mich Stefan am Bahnhof absetzt und von wo ich mit dem Zug wieder nach Mannheim fahre. Stefan bleibt in Triberg – die beruflichen Verpflichtungen des kommenden Tages rufen…