Burgen gibt es in der Eifel wie Sand am Meer. Wohin das Auge blick, erhebt sich mal größer, mal kleiner, eine alte Ruine. Doch diese Burg hier ist besonders.
Es mag an ihrer Lage liegen; die Burganlage ergießt sich mit ihren Mauern praktisch den Berghang hinunter. Vielleicht ist es auch der Tatsache geschuldet, dass sie gesamte Anlage einerseits weiträumig, andererseits sehr gut erhalten ist. Es sei wie es mag, jedenfalls bietet sie vom Rande der Stadt Manderscheid aus, die auf einem zweiten Hügel gelegen ist – nebenan quasi – einen beeindruckenden Anblick.
Sie beeindruckt allein schon durch ihren Größe. Und trotz des bewölkten Himmels (ja, die Sonne hat sich endgültig verabschiedet), trotz der noch kahlen Bäume und der bräunlich-grauen Berge stehe ich da und staune. Und mit mir zusammen ein älteres Ehepaar, welches mit ihrem Mercedes eine Ebene unter mir auf einem Parkplatz anhielt und nun versucht, die imposante Erscheinung zu verewigen.
Was ich auf den zweiten Blick erst sehe: es ist nicht eine Burg, es sind zwei. Die gesamte Anlage besteht aus eine Ober- und einer Niederburg, und sie beide sind durch das Lieseltal voneinander getrennt. Im Mittelalter waren Herrschaften beider Burgen aufs tiefste miteinander verfeindet und bekämpften sich bis aufs Blut. Während die Oberburg schwieriger zu erobern war, konnte man von der Niederburg aus den Lieferverkehr kontrollieren und gegebenenfalls abfangen.
Die Gegend um die Eifel herum ist sehr weitläufig. Weitläufig im Sinne von; weite Anfahrten und sehr weite Wege vom Kunden zum Kunden. So ist es schon Mittag, ohne dass ich einen Cappuccino oder sonst irgend etwas vollwertiges in den Magen bekommen hätte. Und so langsam macht sich das Hungergefühl breit.
Das Burg Café unten am Hang war meine erste Anlaufstelle. Doch der Parkplatz erschien mir verdächtig leer. Geschlossen. Umbau.
Hunger!
Gut, ich parke also oben und watschele durch die Stadt. Manderscheid sieht zu der Jahreszeit und um die Uhrzeit sehr nach hochgeklappten Bürgersteigen aus, daher wundert es mich schon fast, ein geöffnetes Restaurant vorzufinden. Ich inspiziere die Speisekarte, die draußen hinter einer Scheibe hängt und lese was von Piroggen.
Piroggen? In der tiefsten Eifel? Im Ernst? Ihr seid mein!
Innendrin wird gefeiert; eine etwas größere Gesellschaft sitzt am Tisch. Ich schlüpfe, zunächst unbemerkt, hinein und suche mir einen schönen Platz im hinteren Bereich des Lokals, am unechten Kamin.
Der Kellner, ein waschechter Pole, nimmt meine Bestellung entgegen. Sehr schnell finden wir heraus, dass wir uns beide verstehen. Bei einem netten Plausch zwischen zwei Piroggen (leider ohne Wodka, ich muss noch fahren…) finde ich folgendes heraus:
Die Alte Molkerei, ein Jahrzehnte lang leerstehendes Restaurant in Manderscheid, wurde vor kurzem von Familie Kowalczyk aufgekauft und liebevoll renoviert. Ursprünglich sollte das Lokal zu einem Wohnhaus umgestaltet werden, doch die Kochkünste der Hausherrin und die Lobeshymnen der Gäste, die zur Besuch kamen, veranlassten das Ehepaar schließlich dazu, das Restaurant neu aufleben zu lassen. In der Alten Molkerei wird sowohl traditionelle deutsche Küche als auch viele polnische Gerichte serviert, in liebevoller Kleinarbeit von der Chefin selbst zu Hause vorgekocht und zubereitet.
„Wir verwenden nichts fertiges.“ Sagt der junge, blonde Mann begeistert. „Wir kochen alles selbst. Meine Kollegin bereitet die Piroggen zu Hause am Vorabend vor.“
Und das schmeckt man auch. Die Piroggen schmecken wie bei meiner Oma zu Hause – und glaubt mir; ich verstehe was von der Materie. „Einmal, da haben wir in Polen für ein Festival (…)tausend (hier ist mir die Zahl entfallen) Piroggen selbst geklebt – zu dritt!“ Erzählt er.
Der Mann ist nun vollends aufgetaut. Immer wieder wird mir bei solchen Begebenheiten die sehr eigene Art der Polen bewusst: Ihr Erscheinen ist eine Mischung aus höflicher Zurückhaltung, einer netten, freundlichen Distanziertheit, an die ich mich selbst immer wieder aufs Neue gewöhnen muss. Doch sobald die Menschen beginnen, sich wohl in ihrer Haut zu fühlen, ist sehr schnell ein herzliches Lächeln auf ihre Gesichter gezaubert. Im Vergleich zu ihnen wirken wir, Deutsche (ja, genau, ich meine mich…) sehr jovial, fast schon draufgängerisch. Wir mögen im internationalen Vergleich als kühl und sachlich eingestuft werden; im Vergleich zu den Polen rocken wir den Saal.
Und ich rocke die Piroggen. Gott, sind die herrlich! Allein dafür (und für die nette Gastfreundschaft) lohnt es sich, einen Abstecher nach Manderscheid zu machen… (Ja, und die Burg ist auch noch ganz nett…)
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