Europa, Italien

Sizilien – Die Burg von Erice

Das Land sieht aus wie ein vielfarbiger Teppich aus grünen Flächen, Feldern und sandfarbenen, kargen Gebieten. Mein Blick wandert weiter, bis hin zum Meer und den kleinen, weißen Spielzeugbooten, die von hier oben kaum noch zu sehen sind. Der Horizont verschwindet in feinem Dunst. Ich sitze da, schaue hinunter. Könnte ewig da sitzen und hinunter schauen.

Ich wälze mich in meinen Decken und versuche, das Aufstehen um ein paar Minuten hinauszuzögern. So oft sind wir nun früher raus, um so viel von der Insel mitzunehmen wie möglich. Und für heute ist Erice geplant, eine mittelalterliche Stadt in der Provinz Trapani, hoch oben auf einem der Berge Siziliens gelegen; auf dem Monte Erice.

Einen Kaffee später schlängeln wir uns die kurvige, serpentinenreiche Straße nach oben, um die kleine Stadt auf dem 750 Meter hohen Berg zu erreichen. Der Motor jault und immer mal wieder schaltet Jimmy einen Gang nach unten. Der Berg, genauso wie die Stadt, geben sich nicht einfach so her, sie wollen erobert werden; und das machen sie jedem Besucher unmißverständlich klar.

Wir lassen das Auto vor den Toren der Stadt auf einem großen Parkplatz stehen – die erste Stunde kostet 2 €, jede weitere 1 €. Durch einen massiven Torbogen treten wir ein und begeben uns über enge, gepflasterte Gassen in die Tiefen der mittelalterlichen Stadt.

Man fühlt sich hier sofort um Jahrhunderte zurückversetzt. Die Wege sind eng und in einem ganz eigenen Muster mit Pflastersteinen versetzt. Das Pflaster ist stellenweise rutschig, selbst jetzt im Sommer bei trockener Witterung. Insgeheim frage ich mich, wie es hier die Menschen im Winter mit der Mobilität halten, wenn das Wetter die Wege zu glatten, lebensgefährdenden Fallen macht; hier fällt doch sicher ab und zu Schnee…?
Denn obgleich die Stadt für mich in den ersten Augenblicken wie ein großes Freilichtmuseum anmutet, so stelle ich sehr schnell fest, dass es sich trotz diesen Eindrucks um einen ganz normalen, bewohnten Ort handelt. Es gibt eine Post, eine Schule, eine Polizeistation; in den Steinhäusern leben Menschen. Natürlich leben hier Menschen, was hatte  ich denn erwartet?

Es ist warm und trocken, ich habe flache Schuhe an. Teilweise steigen die Gassen an, so dass man sich wie beim Wandern fühlt, teilweise sind die Wege, die zwischen den Häusern hindurch führen, so eng, dass ein beleibter Mensch vermutlich seine Schwierigkeiten hätte, hier hindurch zu gelangen. Immer wieder treffen wir auf Souvenirshops, die allerlei Urlaubsmitbringsel vertreiben. Geschäfte mit bunt bemalten Ton- und Keramikwaren wirken wie vielfarbige Schmuckstücke inmitten der grauen, steinernen Häuser. Die wunderschönen Wandteller sind in detaillierten Mustern bemalt, die Farben voller Sonne und Wärme aufeinander abgestimmt. Immer wieder begegnet uns das Zeichen Siziliens – die runde Sonne mit den drei Fußen außenherum. Manche der bemalten Teller vereinen in sich die beiden ehemals wichtigsten Wirtschaftszweige Siziliens (nein, nicht die Mafia…); die Keramikherstellung und den Handel mit Zitronen – viele der Werke sind mit sonnengelben Zitronen bemalt. So viel wunderbarer Handarbeit.

Wir kommen zur Campanile de Erice; zum Glockenturm, der so etwas wie ein Wahrzeichen der Stadt ist und sofort beim Betreten derselben ins Auge fällt. Der Aufstieg über die sehr enge Treppe kostet 2 €, doch ja… das ist es wert. Immer wieder kommen uns auf der sehr engen Treppe Menschen entgegen, die hinunter wollen. Endlich angekommen haben wir einen Panoramablick über die Stadt. Die Glocken erscheinen riesig im Verhältnis zu unseren schmächtigen Menschenkörpern.

Die Stadt Erice ist wirklich sehenswert, auch wenn mir das Grün der Bäume und die grünen Oasen der Hinterhöfe fehlen, die ich in manch anderen mediterranen Städten angetroffen habe. Es ist viel grau und viel Stein und auch viel Steinpflaster zu sehen; das alles zusammen wirkt auf mich ein wenig trist.

Doch sobald man weiter geht und die Burg von Erice erobert, ändert sich das sehr schnell.

Der Weg zur Burg wird noch ein bisschen steiler und während wir da so schön entlang laufen, denke ich mir, wie froh ich über meine flachen Treter bin. Die Sache hätte, der weiblichen Eitelkeit geschuldet, auch ganz anders ausgehen können! (Siehe auch: Über den Dächern von Barcelona in „Barcelona“) Als wir uns zum Ausruhen auf einer Bank niederlassen, begegnet uns ein kleiner, anhänglicher grauer Hund.

Die Burg umgibt ein großer, grüner Garten. Pinienbäume, hoch in den Himmel ragend, spenden Schatten und Steinbänke laden den Besucher zum Verweilen ein. Blumen und Sträucher schaffen einen schattigen Rückzugsort. Hier weht ein leichter, wohltuender Wind; hier hört man das Zwitschern der Vögel. Und die Lage hoch oben auf dem Berg bietet eine herausragende Aussicht über die Weiten Siziliens, die von hier oben überraschend grün erscheinen.

Wir betreten den Burghof, wo sich Einheimische wie Touristen gleichermaßen tummeln. Die Burg selbst ist verschlossen und nicht zu besichtigen; Jimmy* ist darüber untröstlich. Doch hier auf dem Hof tummelt sich das Leben; Händler versuchen, ihre Waren an den Mann zu bringen und eine Gruppe Menschen versammelt sich um ein weißes, geschmücktes Pferd. Schnell schieße ich ein Foto davon, was mir die bösen Blicke des Mannes einbringt, der die Zügel des Tieres in der Hand hält.

Der Ausblick von der Mauer der Burg aus ist gigantisch; alle anderen Umschreibungen dafür wären zu klein, zu unbedeutend. Wie auf der Handfläche sehen wir die Straße, über die wir hinauf gekommen sind und die nun wie eine feine, verschlungene weiße Linie wirkt. Das Land sieht aus wie ein vielfarbiger Teppich aus grünen Flächen, Feldern und sandfarbenen, kargen Gebieten. Mein Blick wandert weiter, bis hin zum Meer und den kleinen, weißen Spielzeugbooten, die von hier oben kaum noch zu sehen sind. Der Horizont verschwindet in feinem Dunst. Ich sitze da, schaue hinunter. Könnte ewig da sitzen und hinunter schauen. Doch Jimmy* möchte heute noch nach San Vito lo Capo, dem Ort mit dem feinen, weißen Strand.

Auf dem Weg nach unten versuche ich, ihn zu trösten, denn die Sache mit der verschlossenen Burg nagt immer noch an Jimmy*. „Gerade dafür bin ich hierher gekommen.“ Sagt er wehmütig.

* Namen geändert

Tipp: Wer keine Lust auf den Aufstieg über die kurvige Serpentinenstraße hat, der kann Erice spielend leicht mit der Seilbahn erreichen. Diese fährt von Trapani aus und ist in etwa zehn Minuten oben auf dem Gipfel des Monte Erice, Kostenpunkt 9 € (Stand 2015). Eine entspannte Variante, die bereits beim Besteigen die wundervolle Aussicht genießen lässt.

Das war: Sizilien, August 2010

Kasia

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