Der Garten von Palazzo Pitti
Florenz, Juli 2012
Wir nähern uns der linken Seite; von dort aus beginnen wir unsere Erkundungstour. Am gemauerten Eingang mit den vielen Säulen vorbei passieren wir eine Skulptur von Bacchus, dem Gott des Weines und der Lebensfreude, der nackt, dickbäuchig und zufrieden mit einem Lorbeerkranz auf seinem Haupt auf einer Schildkröte reitet. Die Statue fällt mir besonders ins Auge; gerade hier in Florenz, inmitten so viele nackter, perfekt in Stein gemeißelter Körper bildet sie einen herrlichen Kontrast zum Ideal.
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Dann bleiben wir an einer kleinen, mit Muscheln und Gesichtern reich verzierten Höhle stehen, die so etwas wie Wasserwesen zu beherbergen schien.
Einen Lustgarten kann man ihn eigentlich nicht nennen, doch interessant ist es allemal, die große Gartenanlage entlang zu spazieren. Allein dafür haben wir einen ganzen Tag eingeplant. Der Garten ist auf der Rückseite des Schlosses gelegen und so entworfen, dass man entlang der Pfade immer stückchenweise, Ebene um Ebene nach oben aufsteigt. Wir kommen zu einem Brunnen, über dem ein Wasserspeier thront und in dessen grünes Wasser Besucher Münzen hineinwerfen.
Oberhalb des Brunnens bleiben wir auf einer Bank sitzen und verschnaufen; der Aufstieg und die italienische Hitze machen uns zu schaffen. Auch hier haben wir bereits einen tollen Ausblick über das Schloss und die Stadt, die sich dahinter erhebt.
Den höchsten Punkt der Anlage bildet eine meterhohe, weiße Skulptur. Wir lassen uns zu ihren Füßen nieder; der Ausblick von hier oben ist atemberaubend. Der gesamte Garten inklusive Schloss liegt vor uns wie auf der ausgestreckten Hand ausgebreitet. Dahinter – die Türme der Stadt, die große, runde Kuppel des Doms von Florenz.
Über die verwinkelten, seitlichen Bereiche des Gartens steigen wir wieder ab. Während wir uns unterhalten, sind wir fast alleine hier, da die Hecken, Bäume und vielen Stufen, die nach unten führen, trotz vieler Besucher für eine angenehme Abgeschiedenheit sorgen. Jedoch bilden sie auch gleichzeitig eine Art Labyrinth, so dass wir, vertieft ins Gespräch, uns plötzlich inmitten eines abgesperrten Bereiches hinter verschlossenen Schranken wiederfinden. Wie sind wir da bloß hinein geraten? Eine graue, plüschige Katze hat sich neben uns eingefunden und fordert ihre Streicheleinheiten ein.
Sollen wir den Weg wieder wieder zurückgehen?
„Da habe ich ehrlich gesagt keine Lust zu.“ Sage ich. Die Katze hat sich neben Ninas Füßen niedergelassen und schaut gleichmütig an der Schranke vorbei hinunter auf das Schloss. Ein Blick nach links, ein Blick nach rechts und schon schiebe ich die Absperrung ein Stück weit zur Seite und gehe durch. Nina und die Katze folgen mir.
Nach dem Besuch im Schlossgarten suchen wir uns ein gemütliches, stylisches Eiscafé und bestellen Sorbet. Wir rechnen mit einer schön dekorierten Schale, doch wie groß ist unsere Überraschung, als uns der Kellner einfach nur zwei kleine Schraubgläser hinstellt… doch das Zeug ist lecker.
Am Abend kommen wir nochmal hierher. Die Lokale um Palazzo Pitti herum sind um die Zeit hoffnungslos überfüllt, doch Nina und ich hatten es uns in den Kopf gesetzt, hier ein Gläschen Wein zu trinken. Wir betreten eines der Lokale und warten auf einen freien Platz, alternativ auch auf einen Kellner, der uns sagt, dass es gleich einen Platz für uns geben würde. Oder dass es keinen Platz für uns geben würde; wie auch immer. Doch als volle fünfzehn Minuten lang niemand von uns Notiz nimmt, drehen wir uns auf dem Absatz um und gehen weiter.
Wir gehen in unsere Lieblings-Pizzeria.
Die Pizzeria befindet sich auf der gegenüberliegenden Seite der Stadt, inmitten von Lokalen, Bars und Cafés, weit abseits der Touristenströme, die sich im Zentrum der Stadt konzentrieren. Wir sind irgendwann dazu übergegangen, fast jeden zweiten Abend hier zu essen – unserer Ansicht nach hat das Lokal die beste Pizza der Stadt. Es ist in Italien schwer, nicht zuzunehmen; die Menschen haben sich hier dem leiblichen Wohl verschrieben und sie verstehen es, zu essen. Nach unserem gemeinsam ausgetrunkenen halben Liter Wein schwanken wir zufrieden und kugelrund nach Hause.
Ponte Vecchio
… was soviel heißt wie „die alte Brücke“, ist auch einer der Orte, die du am Abend oder in der Nacht besuchen solltest. Tagsüber von Touristen bevölkert und von Goldläden gesäumt verwandelt sie am Abend, wenn die Läden schließen und ihre glitzernden und funkelnden Waren hinter massiven Eisengittern in Sicherheit zu bringen suchen, ihr Antlitz und wird zu einer magischen Bühne, wo unter ihren Bögen und zwischen ihren Pfeilern Musiker die Menschen verzaubern.
Die, die nach Romantik hungern, werden hier nicht enttäuscht, denn hier bekommen sie den Wind, die warmen Nächte, die Lichter, die am Wasser tanzen und zauberhafte Gitarrenklänge italienischer Liebeslieder; hoffnungsvoll, nicht so melancholisch wie bei Tadeusz Machalski; ja, beinahe fröhlich, die einen glauben lassen, dass alles möglich ist, die von unerfüllter Liebe sprechen und von denjenigen, die alles für sie tun.
Es sind Vater und Sohn, die da spielen, beide groß und schlank mit langem, lockigen Haar; beide gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Sie spielen Gitarre und singen und obwohl die Brücke offiziell eigentlich ein ganz normaler Fußgängerweg ist, stört es hier keinen, dass es kein Vorwärtskommen gibt – die Menschen stehen da, lauschen und denken nicht daran, sich von der Stelle zu bewegen. Glücklich der, der einen freien Platz am Wasser zwischen den Säulen der Brücke ergattern konnte. Irgendwann während des Spielens stehen beide Musiker auf und setzen sich auf das nackte Steinpflaster der Brücke; am Ende liegen sie rücklings da und spielen im Liegen ihre Gitarre. Dann wissen wir, dass das Stück bald zu Ende geht, denn alle ihre Lieder enden so.
Auch wir beide, die nach Romantik hungern, lehnen an den Säulen oder sitzen auf dem Geländer; begeistert lauschen wir der Musik. Es ist kühl, aber nicht zu kühl. Es dämmert und all die Lichter der Stadt spiegeln sich im Wasser. Wir streifen abends durch die Stadt, am schönsten ist es jedoch, den Arno entlang zu spazieren. Ich lasse so vieles in meinem Kopf Revue passieren, so viele Gefühle zerrten mich hin und her. Die Musik ließ mich glauben, das Leben sei einfach; dass alles möglich ist. Vielleicht saß ich – und all die anderen Menschen – deshalb so gerne hier. Illusionen sind etwas wunderschönes, ganz egal, wie das Leben ist. Illusionen sind Träume. Und wir träumten.
Fiesole
Fabio, unser Hotel-Portier, hatte uns dorthin begleitet; ja, uns überhaupt erst davon erzählt. Es ist ein Geheimtipp und ein Muss für jedem Florenz-Reisenden. Wir treffen uns mit Fabio an der Piazza San Marco und warten auf den Bus Nr. 7 (dieser verkehrt außerdem noch vom Bhf SMN oder vom Dom/Via Mortelli). Fahrkarte ziehen, einsteigen (die Fahrkarte kostet 1,20 € und ist 70 min lang gültig). Außer uns sind nur wenige Fahrgäste im Bus und ich frage mich, warum uns der Busfahrer so penetrant durch den Rückspiegel beobachtet. Der Bus schlängelt sich eine kurvige Straße entlang nach oben. In Fiesole steigen wir an der Endhaltestelle aus; es ist die Piazza Mino da Fiesole.
Wir kaufen uns Eis. Es gibt nichts besseres als italienisches Eis – sei es Sizilien, Florenz, Siena… Dann, mit schmelzenden, tropfenden Bechern in der Hand laufen wir ein Stück zurück und die Via di San Francesco entlang, die steil nach oben führt. Wir überqueren einen Kirchenplatz und finden uns einer grandiosen Aussicht auf Florenz gegenüber. Hoch oben wie eine Sirene lasse ich den Wind mit meinen Haaren spielen und denke mir; ach wie schön… Wir betrachten die sonnenerleuchtete Stadt, die Dächer und die Kuppel des Dom. Man kann bei klarem Wetter bis hin zu den Alpen blicken – und wir haben klares Wetter und die Sonne im Rücken.
Und jetzt kommt die schlechte Nachricht: ich habe kein einziges Foto mehr von diesem wunderbaren Ausblick. Ich weiß nicht, wo ich die entsprechende Speicherkarte verschlampt habe – ich habe also heute kein Foto für Dich (Euch). Na ja, nicht ganz; ersatzweise kann ich Euch mit ein paar weiteren schönen Bildern von Florenz erfreuen. Aber solltet ihr mal in der Nähe sein oder Florenz gar besuchen wollen – Fiesole ist ein lohnenswerter Tipp. Ein „To do“ in Zeiten von Slow Travelling (ihr könnt Fiesole ja slowly besuchen, nur macht es…)
Uffizien
Dass die Kunst in Florenz sehr gewaltverherrlichend sein kann, hatte ich in einem der letzten Beiträge schon erwähnt. Doch sie ist noch etwas anderes – nämlich nur so aufgeladen mit Erotik und, ähm…
An jeder Ecke der wunderschönen Stadt strahlen sie uns entgegen. Wunderschöne, wohlgeformte, unbekleidete Männerkörper. Ob auf der Plaza della Signore oder an den Uffizien, ob im Pallazo Pitti oder einfach nur an einer Straßenecke – die Menschen der Renaissance haben den Körper zum Kultobjekt erkoren. Sehr offen selbst für die unsere Zeit – so spazieren in den Uffizien vor unseren verwunderten Augen ein nackter Mann und ein ebensolcher Jüngling Arm in Arm den Korridor entlang – als Marmor-Skulpturen natürlich.
Sogar die Touristenbranche hat das Thema bereits aufgegriffen; so hielten wir auf dem Markt von Florenz kichernd eine Postkarte mit dem Titel Pistolini und einem Motiv mit einer Auswahl nackter Männerstatuen in der Hand. „Hauptstadt der Nacktheit“, so wurde Florenz zu Zeiten der Renaissance genannt. Ganz so sehr unterscheidet sich das nicht zur heutigen Zeit, nur dass man sich heutzutage keine so große Mühe mehr mit einer lebensechten Skulptur zu geben braucht: Man hängt einfach Werbeplakate an Straßenkreuzungen und dafür vorgesehenen Flächen auf. Wir erfreuen uns gerne an der Schönheit – heute wie damals.
Doch nicht nur perfekte Körper werden hier zur Schau gestellt. Beim Schlendern durch die wunderschönen Gärten des Palazzo Pitti entdecken wir noch etwas anderes in einer verborgenen Nische – die Skulptur eines beleibten Mannes, auf einer Schildkröte reitend. Bacchus – der Gott des Weines und der Genüsse. Verwundert und erfreut nehme ich die Darstellung des Unperfekten dar. Wie wunderbar, endlich mal etwas zu sehen, womit man sich identifizieren kann… nicht dass ich mich mit einem beleibten Mann identifiziere, aber ihr wisst schon, was gemeint ist.
Und die Frauen, die Frauen… ob es die nackte Schöne ist, die in der Muschel gondelt oder „der Frühling“, Botticellis Darstellung von Simonetta Vespucci, die mich schon seit meiner Kindheit fasziniert hatte; alle haben sie dasselbe Gesicht. Es sind die Gesichtszüge, die sich wiederholen, immer und immer wieder. Dieses Schönheitsideal hat bis in unsere Zeit hinein überdauert. Gerüchten zufolge hatte der Künstler eine Schwäche für die Dame, deren Gesicht uns in vielen seiner Bilder verfolgt.
Doch ob mordlüstern oder einfach nur wohlgeformt – Fakt ist, dass Florenz eine Vielzahl an Kunstschätzen für den Besucher bereithält. Allein um die Uffizien zu besuchen benötigt man locker einen vollen Tag. Und auch beim Spaziergang durch die Stadt reibt man sich verwundert die Augen ob des Reichtums und der Pracht.
Deshalb sage ich: Nimm dir Zeit für Florenz. Eine Woche. Zwei.
Dies hier ist nichts für einen Schnelldurchlauf. Dies hier wird dich beeindrucken.
Die Kathedrale von Florenz
Die Menschenschlange zieht sich bis hin zur Straße. Sie ist so lang, dass selbst meine Kamera sie nicht erfassen kann – ohne die Panoramafunktion. Doch wir wollen ins Innere dieses weltberühmten Bauwerks, wollen das Werk betrachten, welches uns bereits von unserem Hotelzimmer aus hier in dieser Stadt begrüßte: den Dom von Florenz. Wir stellen uns an.
Den ersten Versuch wagen wir gleich in den ersten Tagen nach unserer Ankunft. Warum ich vom ersten Versuch spreche?
Wir stellen uns also hinter die lange Schlange an und Schritt für Schritt bewegen wir uns nach vorne. Nur eine bestimmte Anzahl an Besuchern darf zur gleichen Zeit in die Kirche hinein – aus nachvollziehbaren Gründen.
Doch als wir endlich dran sind, stellt sich eines heraus: Wir sind zu nackt. Keine freien Schultern, keine kurzen Hosen – das war etwas, das wir nicht bedacht hatten. Wir haben die Wahl: Umkehren oder uns ein „Lätzchen“ ausborgen, einen grünen Viskose-Umhang, der mich mehr an einen OP-Kittel erinnert (und vermutlich auch dort entliehen wurden…) und uns von einer grimmig dreinschauenden Mitarbeiterin nachdrücklich angeboten wird. Das Ausborgen des Umhangs kostet ein paar Euro extra, uns ist es gefühlt zu viel. Trotz der langen Wartezeit kehren wir um und beschließen, an einem anderen Tag wieder zu kommen, diesmal klüger und bedeckter.
Dieser andere Tag ist heute. Der Himmel ist leicht bewölkt und wir züchtig angezogen. Doch die Schlange am Eingang des Dom ist auch heute nicht kürzer. Innen – zuallererst viele Menschen. Wir laufen durch den Zentralraum, versuchen, eine erhabene Stimmung auf uns wirken zu lassen.
Das Innere des Dom ist schlicht gehalten und wir sind offen gesagt sogar etwas enttäuscht, denn die prunkvolle Fassade der Kirche hatte dem Besucher das unausgesprochene Versprechen nach mehr vermittelt. Was dafür umso stärker wirkt, ist die mit einem Fresko von Giorgio Vasari verzierte Decke, die in lebhaften Farben Bibelszenen darstellt, unter anderen die Höllenqualen in den bildhaftesten Ausführungen. Früher galt dieses Fresko als misslungen, denn es lässt die Decke statt höher niedriger erscheinen. Auch die Figuren seien von unten aus nicht gut zu erkennen. Doch für mich ist es ein in sich stimmiges, einheitliches Kunstwerk. Auch die leuchtenden Buntglasfenster beeindrucken uns. Für ihre Gestaltung wurde eigens ein Glasmaler aus Lübeck einberufen.
Überhaupt ist die Kuppel des Florentiner Dom, die das Stadtbild so sehr dominiert, seinerzeit eine fragile Angelegenheit gewesen: Der Künstler Brunelleschi, der sie damals baute, war weder Architekt noch Baumeister gewesen. Die Kuppel der drittgrößten Kirche Europas trägt sich selbst – ohne Strebepfeiler oder sonstige unterstützende Maßnahmen. Sie besteht aus zwei zusammengefügten Schalen, was sie leichter macht als es eine massive Konstruktion gewesen wäre. Zusätzlich ist sie mit einem sog. Fischgrätverband verstärkt, was sie stabiler macht, ohne etwas vom Eindruck der schwebenden Leichtigkeit einzubüßen. Ja, es ist ein Meisterwerk, auf welches die Menschen hier blicken, wenn sie voller Staunen die Köpfe in den Nacken legen.
Etwas, das wir damals nicht gemacht haben, was sich aber ohne jeden Zweifel lohnen soll, ist es, die Kuppel hinauf zu steigen, um auf diese Weise die Fresken aus nächster Nähe zu bewundern. Die Tickets dafür kann man auf der offiziellen Webseite uffizi.com vorbestellen. Es empfiehlt sich, vor dem Betreten der Kirche (wie auch aller Kirchen in Italien und auch sonst wo) auf angemessene Kleidung zu achten, d.h. bedeckte Schultern und Beine; auf der Website wird gesondert darauf hingewiesen, liest Euch daher am besten die Hinweise im Vorfeld durch, bevor ihr, so wie wir das getan haben, einfach in den Dom hinein marschiert.