Bonaire, Südamerika

Gelbe Sklavenhütten

Bonaire, September 2016

„Wir fahren den gestrigen Weg nochmal bei Tageslicht ab. Magst du?“

Und ob ich mochte. Darauf hatte ich mich seit gestern schon gefreut. Und überlegte, wie ich denn noch mehr Eindrücke wie diese an einem Tag überhaupt verarbeiten kann?

Gelbe Sklavenhütten

Es ging mit dem Pick-up wieder auf die Umgehungsstraße, diesmal in die Richtung, wo sich die Salinen und die weißen Sklavenhütten befinden. Unterwegs, zum wiederholten Male überwältigt von dem tiefen türkis und dem farblichen Wechselspiel des Wassers in Ufernähe schoss ich Bilder aus dem Fenster des fahrenden Autos. An dieser Straße entlang befanden sich auch viele Schnorchel-und Taucherspots.

Azurblau. Türkis. Auf der linken Seite das Rosa der Salinen.  Das seichte Babyblau, das fast ins Grünliche reicht. Die Mangrovenpflanzen, die Wurzeln wie Tentakel, welche tief ins feuchte Erdreich reichen.

Meine Augen waren reizüberflutet. Stefan musste dauernd stehen bleiben, damit ich fotografieren konnte. Ich war so viel Schönheit schlicht nicht gewohnt.

An den weißen Sklavenhäusern vorbei weiter den Weg entlang kommen irgendwann die gelben Sklavenhäuser in Sicht. Vom Bau, Form und Größe genau wie die weißen – nur die Farbe ist anders. Sie ziehen sich in mehreren Reihen auf beiden Seiten der Straße. Gekennzeichnet sind sie durch einen orangenen Obelisken, dessen Farbe einmal auf die Art des hier vorkommenden Salzes hinwies.

Ich gehe hinunter zum Meer. Hier setze ich mich auf einen der vielen großen Steine, stelle die Füße ins Wasser und schaue fasziniert dem Entstehen der Wellen zu. Wie sich zuerst eine Erhebung auf dem Wasser bildet, diese immer großer wird und kurz bevor sie überschwappt, kann man ihre ganze Zerbrechlichkeit und Transparenz sehen, die zarte Wand in milchigem Blau, die das Licht hindurch lässt und sich  in einer schäumenden Krone auf die nass glänzenden Steine am Ufer ergießt. Es war wie ein lebendiges Gemälde – ich hätte es mir ewig anschauen können.

„Es ist die perfekte Welle…“

Wir fahren weiter, passieren einen Leuchtturm. Eine schmale Brücke taucht auf, die über einen Kanal führt. Das Wasser hat hier nichts karibisches mehr, keine Spur türkis; es ist blau, rau und dunkel und die Schaumkronen, die sich bilden, lassen ohne weiteres den Gedanken zu, dass es Poseidon, der Meeresgott selbst ist, der hier auf ihnen reitet.

Das Ufer selbst ist auch hier übersät mit Gesteinsbrocken und es scheint ein Ort zu sein, an dem Touristen gerne mal das „Ausbalancieren der Steine“ spielen. Doch auch andere Kunstwerke sind zu sehen, entstanden aus Steinen, Ästen und was das Meer sonst noch so alles angespült hat: Plastikflaschen, Schrottteile, Schuhe… Die gebastelten Werke ragen wie Schreine aus den Steinhaufen heraus und wirken wie Gedenkstätte für am See verstorbene Seeleute. Doch welche Bedeutung sie tatsächlich haben – und ob sie eine haben – das weiß ich nicht. Doch ich muss sagen, dass das Meer hier außer Muscheln, Korallen und Treibholz tatsächlich sehr viel anderes Strandgut hier anschwemmt.

Kunst aus Müll? Wäre nicht das erste Mal…

„Strandgut“, also Müll. Und da sind Plastikflaschen und alte Schuhe noch das geringste. Vielleicht ist hier deshalb die Idee geboren, aus Schrott Kunst zu machen? Maybe…

Wir kommen zu dem Ort, den ich bereits von der letzten Nacht kenne – Bilder mit vielen Sternen am Firmament tauchen vor meinem inneren Auge auf.

„Wir alle sind aus Sternenstaub…“

Dieser Ort hier ist wieder anders. Es ist eine kleine Bucht, die durch eine Reihe aus dem Wasser ragender, scharfkantiger Felsen vor der zerstörerischen Wucht des Meeres teilweise geschützt ist. De machtvollen Wassermassen prallen an den Steinen ab, zerschellen und schießen, wie aus wilder Wut, nicht weiter gekommen zu sein, meterweit in die Höhe, wie Wasserfontänen oder Geisire. Wie damals auf Aruba, wo in der Tiefe tausend Teufel tanztenNur dass sich all das nicht wie damals, weit unter uns; sondern direkt vor uns abspielt, so dass wir nur dastehen und staunen können. Ein Stück weit trauen wir uns ins Wasser hinein, gerade mal so weit, dass uns die mächtigen Wellen nicht den Boden unter den Füßen wegziehen und mitreißen. Die Felsen um uns herum sind unglaublich scharfkantig, das Wasser hatte hier alles Weiche und Lösliche restlos ausgespült, was blieb, war die reine Härte, das reine Gerüst. Mit ihren vielen Zacken, Poren und Kratern ließen die Felsen wahrhaftig an die zerfurchte, narbige Oberfläche des Mondes; an Mondgestein denken.

In den vielen Poren und Spalten hatten sich tausende und abertausende kleine Schnecken eingenistet und unter der Wasseroberfläche, wenn sich die Wellen gerade einmal zurückgezogen haben, waren jede Menge schwarz-roter Seeigel zu sehen. Deshalb lief ich nur mit äußerster Vorsicht über den Meeresgrund und langte auch das Felsgestein so sachte wie möglich an. Ich wollte nichts beschädigen, und natürlich wollte ich mich auch nicht piksen 🙂 . Doch mit den bloßen Füßen auf den scharfkantigen Steinen gelang mir das nur bedingt.

Irgendwann gingen wir zurück in etwas flacheres Wasser; Stefan lehnte sich an einen Fels an und ich setzte mich, so wie ich war, einfach ins kühle Nass (ja, mit Hose und so 🙂 ). Zweimal hatte mich eine stärkere Welle beim Sitzen fast umgeworfen; Stefan lachte köstlich zwischen seinen Felsen eingeklemmt 🙂

Als wir den Ort wieder verließen, nahm ich mir eine Handvoll Sand von dort mit – wobei man hier vom Sand gar nicht mehr sprechen konnte – vielmehr waren das zerstoßene Muscheln, Schalen von Meerestieren und Stücke von langen, schwarzen Nadeln der Seeigel.

Am Auto angekommen war ich klatschnass; Den Weg zurück fuhr ich daher auf der Ladefläche des Pick-up mit („Darf ich, Schatz, darf ich, ja? ja?“ – „Na von mir aus…„)

Und herrje..!So viel Spaß hatte ich lange nicht mehr. Ich grinste da hinten so breit wie ein Honigkuchenpferd und andere Autofahrer grinsten mich auch an und winkten, während Stefan mich auf diese Weise über die Insel kutschierte. („Aber wenn uns unterwegs Esel begegnen, dann fährst du etwas schneller, ja?“ – „Und was, wenn ich dann stehen bleibe?“ – „Neeein!“)

Ich hatte beim Fahren einen tollen Rundumblick und als wir zu Hause ankamen, war meine Kleidung fast schon wieder trocken.

An diesem Abend kochte uns Stefan Nudeln mit Meeresfrüchten. Lecker!

Ich muss noch so viel aufschreiben, so viel erlebtes und gesehenes, dachte ich mir; doch an diesem Abend bin ich nicht alt geworden – bereits in der Hängematte schlief ich selig ein.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
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