Bonaire, September 2016
Die Sonne ist wieder eine orangene Kugel am sich verdunkelnden Himmel. Außer uns sitzt am Strand nur eine junge blonde Frau in einem Campingstuhl zwischen den Bäumen. Das Wasser, das in wohl geformten Wellen den Sand erreicht, ist von einem sehr sanften, hellen Blau, welches sich mit der warmen Farbgebung der Sonne mischt.
Ich sehe fasziniert zu, wie sich die Wellen bilden, höher werden, so dass man den Lichtschein beinahe durch sie hindurch wie durch Milchglas sehen kann – um dann schaumig zu zerbrechen und entweder an den paar wenigen, aus dem Wasser ragenden Felsen zu zerschellen oder den Strand mit einem glänzenden Teppich zu glätten, alle Spuren zu verwischen, das orangene Licht in seinem Glanz zu reflektieren und sich dann wieder ins Meer zurückzuziehen.
Ein kleiner Krabbentaucher rennt verstohlen durch die Szenerie, dann noch einer. Ich greife hinein in den weißen Sand; puderweich. Er lässt keine Wünsche offen. Weich und samtig, ohne die scharfkantigen Muschelstücke, auf die man auf Aruba ab und zu mal achten musste. Ich lasse den Sand zwischen meinen Händen rieseln und grabe meine Hand tiefer ein. Unter der ersten, feuchten Schicht hatte der Sand die Wärme des Tages gespeichert. Wäre es doch schön, sich da wie eine Krabbe ganz einzugraben.
Die Dämmerung bricht schnell herein. Die Frau mit dem Stuhl ist weg. Eine junge Mutter geht mit ihrer kleinen Tochter zum Schnorcheln ins Meer hinaus. Die Kleine ziert sich ein bisschen. „Na komm…“ Die Mutter streckt ermutigend ihre Hand nach ihr aus. Einen Moment später sieht man in der Dunkelheit den Schein ihrer Taschenlampen unter Wasser wandern.
Ich hatte auch daran gedacht, ins Wasser zu gehen. Doch ich stecke einen Zeh hinein und überlege es mir anders. „Gefühlte 28 Grad, vieeel zu kalt zum Schwimmen.“ Rufe ich Stefan lachend zu. Wir sind inzwischen sonnen- und badewannenwasser-verwöhnt. Stefan bleibt auch am Strand liegen. Ein Flugzeug taucht im Landeanflug aus der Dunkelheit auf. Stefan, schnapp dir dein Handy, will ich ihm zurufen; doch als ich mich umdrehe, hat er das Handy längst in der Hand. Landeanflug auf Bonaire. Der Flughafen ist ja einen Katzensprung entfernt von hier.
Die Strände von Bonaire sind vielleicht nicht so langgezogen wie auf Aruba und auch nicht so breit – doch ich finde sie überaus gemütlicher. Das Fehlen der Stadt direkt im Hintergrund (Eagle Beach) und der dazugehörenden Baustelle lässt das alles urgemütlich wirken. Und dann sind da noch diese weitläufigen Lagunen. Auch gibt es überall Taucher- und Schnorchlerpoints entlang der Insel.
Immer mehr Sterne tauchen am Himmel auf. Auch hier kann man die Milchstraße sehen. Die Küstenlinie rechts von uns zieht sich mit ihren Lichtern funkelnd in der Nacht wie eine leuchtende Diamantenkette am Meer entlang.
Ich liege da, das Geräusch der Wellen um mich herum, die sich am Strand zerschlagen, der kühle Wind und die Sterne über mir, auf die mein Blick gerichtet ist. Der Gedanke an Gott drängt sich mir auf. Wenn es denn einen Gott geben sollte, dann hat er uns ein Paradies zum Leben gegeben – nur sehen wir es nicht. Ich hatte schon länger den Gedanken, dass das Paradies hier auf der Erde sein muss, so wunderschön sie doch ist; dass es nicht etwas sein kann, auf das wir erst warten müssen.
Die Hand unter meinem Kopf, der Sternenhimmel über mir, die Wellen… so könnte ich jetzt einschlafen, mehr bräuchte ich nicht. (Na, vielleicht eine kleine Decke, falls es kühler werden sollte… 🙂 ) Links neben meinem Ohr höre ich ein leises Kratzen im Sand. Eine Krabbe? Ein Insekt? Weiß nicht.
Der Gedanke an die harmlosen Inselskorpione taucht in meinem Kopf auf. Und daher bin ich nicht unfroh, als ich Stefans Stimme irgendwo hinter mir höre: „Wollen wir heim?“
„Was hast du am Himmel gesehen?“ Fragt mich Stefan, als wir unsere Sachen zusammenräumen. „Also ich habe drei Satelliten gesehen.“ Ich lächle. Ich habe Sterne gesehen…