Europa, Frankreich

Paris – hast du keine Angst?

Paris, August 2016

„Diese schöne, alte Brücke und dahinter die Altstadt, das wird dich umhauen!“ Vanessa schwärmt. Paris – damals noch, vor Jahren. Doch die Frage nach der Angst war die erste, die sich stellte.

Ich habe ein freies Wochenende vor mir. Das erste seit langem. Und da treibt es mich nach draußen. In eine fremde Stadt. Doch warum Paris? Warum gerade jetzt? Habe ich Angst? Nö, eigentlich nicht. Mag ich jemandem davon erzählen? Nö… eigentlich auch nicht. Zumindest nicht im Vorfeld.

Ich möchte mit dem Auto hin. Kein Flieger, kein Zug. Es sollen in der nächsten Zeit keine größeren Veranstaltungen stattfinden. Es wird keine Menschenansammlungen geben. Der Sonder-Zustand in der Stadt wurde verlängert und ich werde an keinem Bahnhof, an keinem Flughafen sein. Paris wird zu gut überwacht und die Stadt wird momentan eher gemieden, so dass ein weiterer Anschlag eher nicht sehr wahrscheinlich ist.

Ja, Anschlag. Nun habe ich es gesagt. Es fällt nicht leicht, diese Zeilen zu schreiben. Wenden wir uns also lieber den schönen Dingen zu.

Die Fahrt mit dem Auto dauert so an die fünf Stunden. Ich fahre am Freitagabend los. Über Nacht unterwegs und am Morgen in der Nähe von Paris angekommen stelle ich das Auto ab und lege mich für ein paar Stunden schlafen, um mir am nächsten Morgen die Stadt anzusehen. Die Stadt im Ausnahmezustand. So der Plan.

Doch schließlich leben auch Menschen dort; sie leben und gehen ihren ganz normalen Alltagstätigkeiten nach. Und der Terror ist längst auch bei uns angekommen.

Ich kommen mir verrückt vor, allein schon, diese Zeilen zu schreiben. Wie oft hatte ich schon von Krieg geträumt, von Feuer und davon, dass ich weg lief, mich versteckt hatte?

Doch wenden wir uns den schöneren Dingen zu; das wollte ich doch tun, oder etwa nicht?

Am Samstagmorgen werde ich mich im Auto ausstrecken, nachdem ich die Augen aufgemacht habe, zweimal gähnen, mir die Zähne putzen und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ins Zentrum fahren. Dann die Stadt erkunden – möglichst zu Fuß, so wie ich es am liebsten mache. Abends irgendwo Wein trinken und etwas leckeres essen. Am Sonntag – ein ähnlicher Tagesablauf. Und auch am Montag Vormittag kann ich noch einen Spaziergang wagen, bevor ich mich langsam wieder mit dem Auto nach Mannheim bewege.

„Eine Bootsfahrt über die Seine, das musst du unbedingt machen!“ Sagt Vanessa mit leuchtenden Augen. „Paris ist so schön…“

Nein, ich werde Stefan vorerst nichts erzählen. Kann sein, dass er, aus Sorge um mich, die Wohnungstür abschließt, während ich noch drin bin, und den Schlüssel wegwirft…

Der Rastplatz, an dem ich halte, ist hoffnungslos überfüllt. Ich bin ca. 200 km von Paris entfernt. Gestern Abend, direkt nach der Arbeit, fuhr ich los. Es war nach 20 Uhr. Ich stellte mein Navi ein und versuchte, den unangenehmen Geschehnissen zu entkommen, den Stimmen, die wie ein Echo in meinem Kopf hallten.

Die Autobahn war fast leer, und je näher ich der deutsch-französischen Grenze kam, umso weniger war los auf den Straßen – ob es nun der späten Uhrzeit geschuldet war, das sein dahingestellt. Und dann – die Grenze. Passiert, einfach so. So einfach ist es, nach Frankreich zu kommen…

Auf der anderen Seite werde ich relativ schnell von der Autobahn auf die Landstraße gelotst. Ich vertraue meinem Navi, also fahre ich weiter durch die menschenleeren, mondbeschienenen Ortschaften. Ja, es ist eine mondklare Nacht, und ich fühle mich nicht müde.

Doch mein Navi lässt mich schon bald hinter der Grenze im Stich. „Route neu berechnen… “ Spricht die Stimme immer wieder vor sich hin. Nur dass keine neue Route berechnet wird… Ich checke die Lage: Ich habe Empfang, doch keine Internetverbindung im Ausland. Was? Da werde ich mit 1 & 1 mal ein Wörtchen reden… Ich beschließe, es für heute gut sein zu lassen, suche mir einen Parkplatz im Wohngebiet unter ein paar Bäumen und lege mich schlafen.

Ich schlafe wunderbar durch. Am nächsten Morgen bin ich um punkt acht hellwach – ganz ohne Wecker. So tief ist die Arbeitszeit also schon in mir drin…?

Beim nächstgelegenen Lidl kaufe ich mir Zahnpasta, ein Stück Seife und ein Croissant zum Frühstück. Anschließend halte ich etwas abgelegen inmitten von Feldern und Bäumen an, esse, putze mir die Zähne und wasche mir die Haare – aber wie! Fragt lieber nicht, das kann man eigentlich keinem erzählen… 🙂

Egal, ich bin sauber und erfrischt, es geht weiter. In der Zwischenzeit versucht Stefan, mich zu erreichen. Da meine Whats App an ihn anscheinend nicht durchgeht, schreibe ich eine SMS und warte auf das Donnerwetter, das da über mich hereinbrechen würde. Ich bin auf dem Weg nach Paris. Komme am Montag wieder.

Doch es kommt kein Donnerwetter. „Viel Spaß, meine Allerliebste!“ Schreibt mir mein Schatz. Puh… Stefan wird heute als Fahrer eines LKW mit seinen Piraten auf dem CSD in Mannheim sein.

Als ich mich über die Autobahn der Stadt Paris nähere, wird die allgemeine Höchstgeschwindigkeit auf 110 km/h gedrosselt. Es hat etwas sehr erhabenes, feierliches, wie wir uns alle auf einer mehrspurigen Autobahn gleichsam im selben Tempo langsam der Stadt annähern.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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2 Kommentare

  1. […] Das war früher mal anders; ich weiß noch, wie ich spontan, von einem Tag auf den anderen, nach Paris gefahren bin. Ich hatte nicht mal eine Zahnbürste […]

  2. […] treibt mich zu dieser Zeit schon länger um. Doch eines schönen Abends vor einem langen Wochenende steige ich freitags nach Feierabend in mein Auto und fahre los – ohne Plan, ohne Gepäck, ja, selbst eine Zahnbürste habe ich nicht dabei. Ich habe nur das […]

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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