Was viele nicht wissen oder nicht auf dem Schirm haben, ist, dass Island einmal in seiner Geschichte unter britischer Besatzung stand. Wie auch, wird diese Tatsache im Zusammenhang mit den Geschehnissen des Zweiten Weltkrieges wenn, dann höchstens als Randnotiz erwähnt. Die vorübergehende Okkupation durch die Briten wird vor allem in der isländischen Geschichtsschreibung verarbeitet. Einen solchen Lost Place schauen wir uns jetzt an, einen Ort, der an vergangene Geschichte erinnert: den ehemaligen Landungsplatz der Briten am Fjord Hvalfjörður.
Die Britische Besatzung, beschlossen am 6 Mai 1940, die unter dem Decknamen Operation Fork lief, war taktischer Natur. Zumindest wurde das Manöver im Nachtrag auf diese Weise begründet. Während des Zweiten Weltkriegs wuchs die Sorge, Island würde dem Schicksal von Dänemark und Norwegen folgen, also von den Deutschen besetzt und als strategischen Punkt genutzt werden.
Nachdem sich die isländische Regierung zum wiederholten Male nicht zu einer Zusammenarbeit mit Großbritannien überreden ließ, landeten am 10 Mai Einheiten der Royal Navy und der Royal Marines auf Island. Sie stießen auf keinen Widerstand seitens der Isländer und errichteten sogleich Stützpunkte, unter anderen in Hvalfjörður, Kaldaðarnes, Sandskeið und Akranes. Diese nutzten sie, um ihre eigenen Nordatlantikrouten zu schützen und deutsche Schiffe und U-Boote abzuwehren. In ganz Island wurden an strategischen Punkten Flughäfen und Landungsstellen für Schiffe angelegt, wie zum Beispiel der Flughafen in Reykjavik. Die isländische Regierung protestierte gegen die Besatzung, doch es kam zu keinen weiteren Gegenmaßnahmen.
Der Fjord Hvalfjörður (Walfjord) war mit seiner Tiefe von bis zu 84 Metern und 30 Kilometern Länge besonders gut dafür geeignet, selbst schwere Schiffe anlegen zu lassen. Teilweise ankerten hier die größten Kriegsschiffe der Welt, doch der Hafen wurde auch als Zwischenstopp für Handelsflotten genutzt.

Während Island weiterhin auf diplomatischem Wege auf seine Unabhängigkeit pochte, landeten schließlich auch die US-Amerikanischen Truppen auf der Insel. Wie kam es dazu? Dezember 1940 soll es eine inoffizielle Anfrage des isländischen Außenministeriums nach Schutz der Amerikaner gegeben haben für den Fall, dass die Briten Rückschläge erleiden sollten. Die Amerikaner erteilten den Plänen zunächst eine Absage. Zugleich gab es geheime Besprechungen zwischen den USA und den Briten darüber, die Nordatlantikroute durch amerikanische Truppen abzusichern. Schließlich wurde am 27 Juni 1941 eine Stationierung von US Truppen zum Schutze Islands beschlossen. Am 7 Juli landeten amerikanische Truppen auf Island, diesmal mit der ausdrücklichen Zustimmung der isländischen Regierung. Auf diese Zustimmung bestand Roosevelt.
In Hvammsvik entstand ein Freizeitzentrum für die US-Flotte sowie eine Lagerstation für Tiefseebomben und Munition. Urlaub zwischen Bombenlagern klingt für euch nach viel Kontrast? Dem stimme ich zu. Die ehemaligen Offiziershäuser stehen noch heute da; sie wurden zu Ferienunterkünften mit großen Panoramafenstern umgebaut. Die in der Gegend vorkommenden heißen Quellen machen Hvammsvik zu einem beliebten Erholungsort.
Im Verlauf der Kriegshandlungen gewannen die Alliierten nach und nach die Oberhand und ihre isländischen Stützpunkte verloren an Bedeutung. Immer weniger Schiffe fuhren die Häfen an. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Abzug der Briten und Amerikaner wurde ein Großteil der verlassenen Fläche wieder zum Ackerland und die hinterlassene Ausrüstung, bis auf Waffen, von der isländischen Regierung als Reparation abgekauft oder einbehalten. Die Reste der Marinebasis im Fjord Hvalfjörður sind heute noch erhalten, die verbliebenen Öltanks werden von der NATO genutzt. Auf der Nordseite kann man den US Stützpunkt sehen, während auf der Südseite die Briten landeten.
Hier befinden wir uns jetzt. So lost sieht der Ort ja gar nicht aus, vor den Hallen brennt Licht und parken Fahrzeuge. Die Unterkünfte werden heute von den Einheimischen genutzt. Wir steigen aus dem Bus, der Wind pfeift mir um die Ohren. Einige Meter stampfe ich durch tiefen Schnee zwischen den Lagerhallen. Eine Schiffsschraube ist zum Andenken an die britische Zeit im Boden verankert. Lange sind wir nicht unterwegs denn das Wetter ist, falls überhaupt möglich, noch schlechter geworden. Die Kälte kriecht bis in die Knochen und so bin ich froh, wieder auf dem warmen Polster zu sitzen.
Die Reise als solche neigt sich dem Ende zu. Berge und Land sind so vollständig Schwarzweiß, wie mit einem Graphitstift gezeichnet. Kein Blau des Himmels, kein Blau des Wassers. Das Beige der trockenen Gräser ist unter Schnee verschwunden. Der Winter hat alle Farben aus der Umgebung gesaugt, was bleibt, ist nur das Licht – oder die Abwesenheit desselbigen. Zugefrorene Flüsse, Seen mit einer Schneeschicht bedeckt. Selbst die tiefgefrorenen Wasserfälle sind als solche kaum zu erkennen und so hält sich die Begeisterung über einen weiteren Stopp am Fossarett Wasserfall offensichtlich in Grenzen. Ich habe viel gesehen und viel erlebt, was nun folgt, sind einige ruhige Tage in Reykjavik.

Die Wolkendecke ist dicht und tiefgrau. Das Tageslicht schwindet langsam, die Landschaft steht still. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommen wir im Dunkeln in der Hauptstadt an. Alles ist in Weihnachtsmodus, selbst die Tankstellen leuchten in festlicher Illumination. Lichterketten überall. Wenn man Energie fast umsonst erhält, darf man prassen. Der Preis dafür? Ein Leben buchstäblich auf dem Vulkan, mit der stetigen Gefahr, dass einem die Asche unter dem Hintern kocht. Doch im Laufe der Jahrhunderte haben sich die Menschen daran angepasst. Vielleicht ist es gerade das, diese Lebendigkeit der Landschaft, welche das Land so anziehend für Besucher macht. Und die teils skurrilen Eigenheiten der Eingeborenen. Bräuche, die sich so sehr von den unseren unterscheiden. Legenden, die eine gewisse Härte inne haben. Heavy Metal, das so gut wie nichts zu dieser Insel passt.
In der nächsten Folge zeige ich euch interessante Plätze und einige Skurrilitäten der Hauptstadt Reykjavik. Eine davon ist das isländische Penis-Museum. Was, davon habt ihr noch nie gehört? Dann dürft ihr den kommenden Beitrag nicht verpassen 😉
Eine höchst interessante Episode der Geschichte. Vielleicht folgt ja die amerikanische Besatzung…
Das ist zur Zeit eine reelle Option…
Leider wahr.
Diese tonnenförmigen Gebäude mit den roten Dächern würden mir als (temporäre) Unterkunft wohl auch gefallen. Nun freue ich mich auf deinen Beitrag zu Reykjavik – nicht nur wegen des Penis-Museums 😁.
Der Beitrag ist in Arbeit, es geht mir aber zäh von der Hand, nicht zuletzt, weil alles so lange her ist und ich nur noch ein paar Sprachnotizen habe. Aber ich arbeite dran 😉 Demnächst kommt aber noch etwas Ostern dazwischen.
Kann ich mir gut vorstellen. Einige Jahre her und dann hauptsächlich auf Basis von ein paar Sprachnotizen: schwierig! Aber du wirst es letztendlich hinkriegen. Ein paar Erinnerungen werden dir schon noch dabei helfen.
Vielen Dank. Ja, Island die Unvollendete war wie eine offene Wunde in meinem Blog, die sich nun endlich schließen wird, um Platz für neue, aktuelle Beiträge zu machen.