Europa, Irland

Dublin – Die Alte Bibliothek im Trinity College

Kalt ist es am frühen Morgen, als ich den Bus im Stadtzentrum von Dublin verlasse und durch die Straßen streife. Dublin ist geschäftig an diesem Morgen; mit kleinen Köfferchen hinter sich und dampfenden Pappbechern in der Hand wechseln Pendler die Bahn, überqueren die Straßen. Doch siehe da – die ersten Pubs haben schon geöffnet…

„Das Geld hier rein werfen.“ Sagt der Busfahrer belustigt und meine drei Euro dreißig verschwinden klimpernd im Schlitz der Vorrichtung. Dann kommt mir summend mein Busticket entgegen – und schon sitze ich mit meinem Rucksack da und schaue durch die matte Scheibe hinaus in die Welt. Dublin zieht an mir vorbei. Dublin, die Metropole? Nein, eher Dublin, die Vororte. Dass die ganze Stadt mehr oder weniger wie ein einziger, großer Vorort aussieht, wo es gemütlich zugeht und gefühlt jeder jeden kennt, das weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Häuserreihen aus Backstein, mit hohen, rechteckigen Schornsteinkaminen. Häuser die aussehen, als wären sie aus der gleichen Sandkastenform gegossen worden, gemütliche Vorstadtidylle. Viele der Häuser sind durch ein Alarmsystem gesichert, auf den meisten ist eine angebrachte Plakette zu sehen: phone watch. Nicht unüblich hier.

Eine einfache Fahrt vom Flughafen ins Zentrum der Stadt kostet soziale €3,30 bei der Linie Dublin Bus – in ca. 40 bis 45 Minuten ist man da. Ich lasse mich nahe des Spire rauswerfen; die große „Nadel“, die pfeilgerade in den Himmel ragt, ist eine der markantesten Wahrzeichen der Stadt.

 

The Spire – Monument of light

Sie steht in der O’connel Street im Zentrum der Stadt und ist, ähnlich dem Brandenburger Tor in Berlin oder dem Wasserturm in Mannheim, ein markanter Orientierungspunkt. Das 120 Meter hohe Kunstwerk sticht unverwechselbar und unvermittelt in den Himmel. Und so filigran, leicht und anmutig sie auch wirken mag, wie sie so matt in der Sonne glänzt – das Bauwerk aus Edelstahl hat rund 126 Tonnen Gewicht. Die Einwohner nennen sie auch scherzhaft „Stiletto in the Ghetto“.

Die Skulptur wurde 2003 fertiggestellt und sollte die längste Skulptur der Welt sein. Das „Denkmal des Lichts“ ersetzt die 1966 gesprengte Nelson-Säule. Horatio Nelson war ein Engländer, ein britischer Admiral, und die Nelson Säule entstand zu einer Zeit, als Irland noch Teil des Vereinigten Königreichs war. Doch mit dem neu erwachenden Nationalstolz der Iren war sie vielen ein Dorn im Auge geworden. Schließlich wurde sie von irischen Republikanern kurzerhand gesprengt. An diese Stelle sollte 2000 die „Nadel“ kommen, doch der Bau hat sich um 3 Jahre verzögert. Ich würde sagen: drei Jahre, das geht ja noch… ?

Doch auch hier im Zentrum wirkt es zunächst mal so, als wäre man in einem schickeren Vorort. Die Temperaturen erreichen gerade mal die drei Grad Marke und die schräg stehende Sonne lässt an den bevorstehenden Winter denken. Doch die Sonne scheint, sie scheint und will gar nicht aufhören. Und ich bin müde, unausgeschlafen und habe Augenringe wie ein Waschbär. Ich rücke meinen Rucksack zurecht und laufe los.

Meine erste Lektion lerne ich bereits an den Verkehrsampeln: wer stehen bleibt und wartet, ist ein Tourist. Ist die Ampel rot, doch die Straße frei? Dann nix wie los – etwas irritiert beobachte ich die Einheimischen, die über die Straßen huschen und das viel besungene „bei rot stehen, bei grün gehen“
schwirrt mir klangvoll durch den Kopf.

Als dann selbst die Autofahrer mich ermuntern, doch noch die Straße zu überqueren, da meine Grünphase zwar vorbei ist, doch ihre Rotphase noch andauert, ist der Groschen endgültig gefallen und ich mache es wie die Locals. Und ja, die Fahrer rechnen auch damit, dass sich kurz vor knapp noch jemand über die Ampel schiebt; grundsätzlich wird der Fußgänger erst einmal misstrauisch beäugt, ehe sich der Fuß gen Gaspedal senkt.

Was ist mein erster Eindruck von Dublin? Vielleicht, dass man unbewusst versucht, irgendwie das Stadtzentrum zu erreichen, dann aber merkt, dass man längst da ist?

So urig und gemütlich habe ich mir das alles vorgestellt; ja, Dublin ist einer der wenigen Orte, die so sind wie in meiner Vorstellung. Ich genehmige mir zu Beginn des Tages einen schönen, süßen Donut, der großartig schmeckt und mir die Finger verklebt. Das war dann mein Frühstück. So gestärkt ist mein erstes Ziel das Trinity College.

 

Das Trinity College – Die alte Bibliothek

Sie wirkt wie einem der Harry Potter Filme entnommen – wobei dem Baustil nach erzeugen viele ältere Bauten in Irland diese leicht schaurige Atmosphäre. Die Trinity Universität nimmt auf der Karte einen großen Teil der Fläche als weißer Fleck ein und ist die älteste Universität in Irland. Gegründet wurde sie 1592 von der englischen Königin Elisabeth I, um „das Barbarentum dieser wilden Leute“ in Irland zu bekämpfen, doch besonders in der Anfangszeit wurde es zur Bildungsstätte englischer Protestanten.

Gebaut wurde sie nach dem Vorbild von Oxford und Cambridge und die Studiengebühren betragen stolze 18.860,0 Euro im Jahr. Dafür sind den Reihen ihrer Studenten viele namhafte Absolventen entsprungen wie Oscar Wilde, Bram Stoker (der geistige Vater von Dracula) und Courtney Love (letztere ist wohl ein gutes Beispiel dafür, dass manchmal alles Geld nicht genug ist…).

Durch einen Rundbogen gelange ich auf das Universitätsgelände. Links und rechts an den Wänden sind Aktivitäten und Kurse ausgehängt (ein Fechtkurs? Ich komme mir vor wie in einem Film…), dahinter öffnet sich das Gelände zu einem großen Platz. Studierende laufen unbeteiligt vorbei, während sich Touristen mit neugierigen Blicken die Köpfe verdrehen. Aus grauen Quadern errichtete, hohe Wände, Arkaden und schlichte Eleganz, die jedoch etwas ehrwürdiges an sich hat. Ich mache mich auf die Suche nach der berühmten alten Bibliothek, derer vielen Bilder mich hierher gelockt haben.

Der Eintritt zur Bibliothek hat, soweit ich mich erinnern kann, um die sechszehn Euro gekostet, es gibt aber auch die Möglichkeit, Tickets online vorab zu buchen. Im Vorraum befindet sich eine umfangreiche Ausstellung zum Thema, an der ich allerdings mehr oder weniger achtlos vorbei gehe. Für Interessierte sicherlich spannend und rechtfertigt zumindest den Preis.

Dann, nach gefühlt tausend Gängen und einer Treppe, die sich nach oben windet, bin ich endlich da und stehe gemeinsam mit anderen Besuchern im langgezogenen, holzgetäfeltem Raum. Dieser wirkt mit seinem goldenem, altem Schimmer wie einem Sepia-Foto entnommen. Als würden die staubigen Bücher gleich zum Leben erwachen und zu flattern beginnen und als würde Harry Potter gleich auf seinem Besen hinter den Regalen hervor und mir um die Ohren schießen.

64 Meter lang ist die Halle und voll und ganz mit dunklem Holz ausgekleidet; da stehe ich nun und hunderte Jahre Geschichte strömen in meine Nase in Form eines einzigartigen Duftes: es ist der Duft nach Papier, eine Mischung aus Staub und Altertümlichkeit, es riecht wie die frisch umgeblätterte Seite deines vergilbten Lieblingsromans, welchen du bereits zum dreiundfünfzigsten Mal liest. Dieser Duft ist unverwechselbar, für Bücherwürmer ein Paradies.

Auch die Bücher selbst sind uralt, sie würden zerfallen unter den vielen Berührungen der Besucher. Deswegen sind all die Regale mit Schranken versehen und ein Blick aus dem mittleren Teil der Büchereibrücke muss genügen. Das älteste der Bücher ist das „Book of Kells“ (Buch der Kelten) aus dem achten Jahrhundert, welches die vier Evangelien des Neuen Testaments enthält. Es ist seit 2011 Dokumentenerbe der UNESCO. Das und die anderen Bücher sind von so unschätzbaren Wert, dass es den Preis wiederum entschädigt.

Auch die älteste Harfe Irlands ist hier ausgestellt, so in dieser Form überall präsent: als Staatswappen oder auf den irischen Euro-Münzen, als Markenzeichen für Guiness – und natürlich auf den Maschinen von Ryanair.

Büsten der berühmtesten Absolventen des Colleges stehen links und rechts des Ganges verteilt. Platon, Newton, Aristoteles… Dr. Soundso und Dr. Soundso… und ich frage mich grinsend: wo ist Dr. Who?

Ich lasse mich von einem freundlichen Iren auf Handy verewigen. Iren sind unglaublich nette, zurückhaltende Menschen und ich lerne ihre zurückhaltende Höflichkeit mehr und mehr zu schätzen. Sie sind in der Regel mit sich selbst beschäftigt und kümmern sich um ihren eigenen Kram, was ganz praktisch ist, wenn dir im Restaurant mal die Pommes von der Gabel fallen – nein, niemand hat es bemerkt, denn jeder schaut hier auf seinen eigenen Teller.

Doch sobald sie bemerken, dass du etwas suchst oder Hilfe brauchst, setzen sie alle Hebel in Bewegung, um dir helfen zu können, wie der Taxifahrer tags darauf, der einfach neben mir anhält und mir den Weg erklärt, unaufgefordert, einfach so, weil ich verloren aussehe. Oder die Jungs im Pub drei Tage später, die mich relativ schnell in ihren Kreis aufnehmen und mit beiläufigen Gesprächen dafür sorgen, dass ich mich wohl fühle. Ja, auch einfach so.

Auf dem Universitätsgelände gibt es noch andere Kuriositäten wie die bunte, verschmitzt lächelnde Oscar Wilde Statue oder Dublins kleinsten Friedhof, doch davon erfahre ich leider erst, als ich bereits zu Hause in Deutschland bin…

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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