Deutschland, Europa

Mannheim – Weihnachtsmarkt am Wasserturm

…ein authentisches Erlebnis.

Dass ich dezent Mannheim-vernarrt bin, ich kein Geheimnis. Das Raue, Unverstellte. Der ganz eigene, unkomplizierte Charme. Die zwei Männer, die vor dem Hauptbahnhof einfach mal Schach spielen. Die erstaunlich harmonische Mischung aus reich, leicht abgewrackt/alternativ und multikulturell. Das vielfältige Kulturangebot an Ausstellungen, Theater, Kino, Museen und Veranstaltungen aller Art. Es ist eine Stadt, der selbst die Nähe zum großen, touristischen Bruder Heidelberg nicht geschadet hat. Böse Zungen mögen behaupten, man hätte die Quadrate von Übersee kopiert oder auch, dass man nur zum Einkaufen oder Essen nach Mannheim käme, doch wie ich immer sage: Lass die Leute reden…

Es gibt drei recht bekannte Weihnachtsmärkte in Mannheim: am Wasserturm, am Paradeplatz und an den Kapuzinerplanken. Wobei mir der Weihnachtsmarkt am Wasserturm seit Jahren der liebste ist, nicht zuletzt aufgrund seiner gemütlich-malerischen Lage. Doch das Schöne an beiden ist: sie sind nicht touristisch überlaufen. Denn sie sind schlicht nicht sehr bekannt, ebenso wenig wie die Stadt an sich als Ausflugsziel eher unbekannt ist. Man fährt nicht extra hierher, Punkt. Was sich für Einheimische nach einem Vorteil anfühlt. Keine Menschenmassen, keine überlaufene Kirmes. Kein Billigglühwein und keine unmotivierten Verkäufer. Hier trifft man sich noch mit Freunden und hier weiß man, dass die meisten, die kommen, andere Mannheimer sind. Gut, Letzteres stimmt nicht so ganz, denn auf der Webseite des Betreibers ist die Rede von Bussen, die Besucher von weither bringen… aber lasst euch versichern, es fühlt sich so an. Gemütlich, heimisch. Einfach schön.

So stand ich vor zwei Jahren mit meiner polnischen Freundin Danusia an einem der Stände und wir schlürften den xxx Glühwein (es gibt nur den ersten und den letzten, das wisst ihr doch). Als langjährige Mannheimerin – das war ich freilich zu diesem Zeitpunkt noch – genoss ich die Atmosphäre dennoch immer wieder aufs Neue. Es gibt sie, die Orte, an die ich immerzu kommen und derer ich nie überdrüssig werden könnte.

Es ist laut Beschreibung  mit zweihundert Hütten einer der größten Weihnachtsmärkte Deutschland, doch davon merkt man nicht viel. Die Hütten verteilen sich um den Wasserturm und zwischen den Bäumen, so dass der Weihnachtsmarkt geradezu beschaulich wirkt. Vermutlich ist mit jenen zweihundert Hütten eher die Gesamtzahl der Stände gemeint, die sich über den Wasserturm, aber auch die Kapuzinerplanken und den Paradeplatz verteilt (Falsch. Wie ich später nachlese, befinden sich alleine am Wasserturm zweihundert Ausstellerhütten. Hättet ihr das gedacht?). Am letzteren gibt es auch einen Märchenwald. Alles in allem sehr gemütlich.

Der Mannheimer Weihnachtsmarkt war einer der ältesten Deutschlands. In den Siebziger Jahren gab es nicht, wie heute, in (fast) jedem Ort einen mehr oder minder ausgeprägten Weihnachtsmarkt. Solcher Christkindlmärkte gab es nur wenige, am bekanntesten war wohl der in Nürnberg. Dann, am 6 Dezember 1972, wurde der erste Weihnachtsmarkt am Paradeplatz eröffnet.

Doch die Geschichte des Christkindlmarktes reicht weiter zurück, als man vermuten könnte. Bereits im 19 Jahrhundert, als die Stadt noch nicht mehr als 40 000 Anwohner hatte, fanden Weihnachtsmärkte statt. Sie begannen 14 Tage vor Weihnachten. Sie wurden erst auf dem Paradeplatz abgehalten, dann auf den Planken, dem Zeughaus, bis sie nach dem Ersten Weltkrieg nach und nach verschwanden. Im späten 20 Jhd. belebte man die Tradition wieder, um Mannheim als Einkaufsstadt in den Fokus der Besucher zu rücken.

Der Gedanke, den Weihnachtsmarkt an den Wasserturm zu verlegen, entsprang zunächst einer reinen Notwendigkeit. Unter dem Paradeplatz wurde eine Tiefgarage gebaut, eine Alternative musste her. Der Wasserturm stieß dabei als Ambiente zunächst auf wenig Gegenliebe. Doch die neue Location war bei Besuchern ein voller Erfolg und immer mehr Aussteller bewarben sich um die Plätze.

Während ich so verträumt den blinkenden Lichtern nachsah, sann Danusia darüber nach, wie teilweise ungewöhnlich, teilweise ungezwungen und frei sich die Leute gäben. „Sie kleiden sich so unterschiedlich, aber jeder, wie er will.“ Sagte sie und meinte damit den Unterschied zu polnischen Kleinstädten wie dem Ort Steinshut, in dem sie lebte. Hier in Mannheim gibt es kein „was die Leute sagen“. Hier interessiert sich keiner für dich, und man wundert sich über gar nichts. Man könnte mit Jogginghosen einkaufen (was viele auch tun), doch ich vermute, dass auch ein Schlafanzug keine erstaunten Blicke hervorriefe. Doch man sieht auch viel Schick. Und jetzt, zu der kalten Jahreszeit, sieht man auch viel Warm. Warm ist auch die Atmosphäre um uns herum. Die Schlangen an den Glühweinbuden halten sich in Grenzen, und so holen wir uns unseren xxx Glühwein. Solange ich noch mein Kleingeld händeln kann, ist alles gut. Ich schaue Danusia an. Ihre Augen glühen in den Lichtern der Buden und ihre Bäckchen leuchten rot. Vermutlich sehe ich so ähnlich angetan aus.

Angetan sind wir, denn nach unserem Tag in Heidelberg waren wir dezent gesagt genervt. Ich vermutlich mehr als sie. Woran das lag? Nun, nicht pauschal an den Touristen, nein. Die Menschenmassen waren einfach viel, doch was mich besonders enttäuschte: es gab nichts zu sehen. Für eine Stadt von Weltrang war der Weihnachtsmarkt in der Altstadt in meinen Augen lieblos zusammengeschustert, mit überteuerten Preisen und wenig Charme. Die Bedienung in einem an der Haupteinkaufsmeile gelegenem Lokal gab mir den Rest, und so versprach ich mir, mein Geld nicht wieder hier auszugeben. Mein Tipp an euch, falls ihr mal Heidelberg in der Winterzeit sehen wollt: nur zu, macht es ruhig. Es ist eine schöne Stadt. Doch für den Weihnachtsmarkt könnt ihr getrost nach Mannheim kommen. Doch nicht zu viele von euch Touris auf einmal bitte, wir wollen es noch authentisch halten, ja? 😉

Steht man an einem der kuscheligen Stände und beobachtet alles um sich herum, bleibt man keineswegs alleine. Auch andere Besucher stellten sich zu uns und – die unkomplizierte Mannheimer Art – begannen ein lockeres Schwätzchen. Dann tranken sie aus und gingen weiter, und andere stellten sich zu uns. Auch mit dem Glühweinverkäufer schwätzte es sich leicht, schließlich war er überaus freundlich zu seinen Stammkunden. Gleich gegenüber auf einer Bühne haben Weihnachtssänger und -tänzer ihren Auftritt. Auch da schauten wir verträumt hin.

Die Weihnachtsstände und ihre Waren kannte ich schon seit vielen Jahren, und da hatte sich im Laufe der Zeit nicht viel verändert. Am meisten Zulauf hatten die Fress- und Glühweinstände, am meisten Platz hatte man überall, wo es nichts zu Essen gab. Der Duft von gebrannten Mandeln macht mich noch heute kirre, obwohl ich kein Kind bin. Doch für den kleinen Hunger nahm ich Danusia mit zu meinem Lieblingstürken, wo wir Lahmacun aßen und meine Freundin zum ersten Mal in ihrem Leben eine Shisha probierte. Mannheim machts möglich.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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2 Kommentare

  1. Hallo Kasia und frohe Weihnachten!
    Beschaulich und wenig Menschenmassen – davon kann ich in Dortmund nur träumen. Alles ist auf Kommerz ausgerichtet – angefangen beim „größten Weihnachtsbaum der Welt“ (der nichts weiter wie ein Baugerüst in Kegelform ist, an dem hunderte Fichtentannen dran geklöppelt sind) – gibt einen „Selfie-Point“, wo man sich vor dieses Fake-Weihnachtutensiel ablichten lassen kann. Dass dort die Weihnachtsmarkt-Junkies Schlange stehen ist klar oder?
    War dieses Jahr einmal mit einem Freund da. Was für ein Geschiebe und Gedrücke. Ständig musste man schauen ob der andere noch da war und nicht in den Menschenmassen irgendwo hängen geblieben. Und dann die Preise: 2 Eierpunsch – und schon darfst Du 19 € rüberschieben! Ja, da ist Pfand drauf, das man bei der Rückgabe wieder bekommt, aber die Tassen sind mickrig klein und 6€ für eine lauwarme Plörre sind eindeutig zu viel.
    Dir und Stefan noch eine beschauliche Restweihnachtszeit.
    Bleibt gesund..
    Wir lesen uns im neuen Jahr.
    CU
    P.

    1. Hallo und dir auch eine besinnliche Weihnachtszeit. Es gibt viele schöne und beschauliche Weihnachtsmärkte, zum Beispiel der in Breslau, falls es dich mal dorthin verschlagen sollte. Gut, die Polen stehen total auf blinkende Lichter, aber dafür kann man auch mal etwas anderes sehen😉 Genieße noch die Weihnachtszeit (psst… guten Glühwein von der Mosel kriegst du in Mannheim schon ab drei Euro die Flasche…)

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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