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Pfälzerwald – Wo sich Fuchs und Hase…

Das ist aber eine große Katze. Geht mir durch den Kopf, während ich dieses seltsame Geschöpf betrachte. Die „Katze“ steht unbeweglich da, mit aufgestellten Ohren, mitten im hohen Gras. Die „Katze“ ist groß, recht groß und von einem flammenden Rot. Eher wie ein Hund. Und während mein Gehirn dieses seltsame Bild noch einzuordnen versucht, bewegt sich der vermeintliche Hund und entpuppt sich als Fuchs.

Pfälzerwald. Unendliche Weiten. Unendliche Berge trifft es viel eher. Eine wilde, ursprüngliche Gegend haben wir uns hier zum Wohnen ausgesucht. Während wir beide, Stefan und ich, den Odenwald noch als hell, geordnet und freundlich beschrieben, ist Kreis Annweiler das Gegenteil davon. Und für mich inzwischen zu einem Zuhause geworden. Rau, hoch und zerklüftet, von Bäumen bedeckt. Schon von Weitem sehe ich die dunkle Bergkette sich aus der hellen Weinanbauebene erheben. Der tiefe Wald ruft mich, weckt Sehnsucht nach dem Ankommen. Die Hexe hat ihr Knusperhäuschen gefunden.

Doch diese unerforschte (na ja, man möge mir die Ungenauigkeit verzeihen. Was ich meine, ist: unerforscht von mir) Gegend hat dem Stadtleben gegenüber unendliche Vorzüge. Da wäre dann die Landschaft. Die Ruhe und Beschaulichkeit (wenn nicht gerade im Sommer wilde Horden Motorradfahrer zeigen wollen, wie gut und laut ihr Gasgriff funktioniert… Hey, stellt mal um auf Elektro), freundliche Menschen, die Dorfzeitung… Von der Stadtverwaltung beim Einzug mit einem schönen, persönlichen Brief empfangen werden.

Engelmannsfelsen, Gossersweiler-Stein

Und nicht zuletzt: die Wandermöglichkeiten. Während ich in Mannheim erst einmal eine Stunde fahren musste, – und zwar egal, in welche Richtung – um so etwas wie Natur zu erleben, stolpere ich hier nur einmal aus der Haustür. Es ist völlig egal, in welche Richtung ich mich begebe, alles ist von Wanderpfaden durchzogen. Schönes Wetter? Lust auf Wald? Wanderschuhe an, raus vor die Tür… der Rest ist der Phantasie und der Lust des Wanderers überlassen. Ich kann nach Annweiler (acht Kilometer) oder zur Burg Landeck. Ich kann auf die Madenburg (sieben nochwas Kilometer) oder einfach einen Sandsteinfels nach dem anderen Erkunden. Ich kann über Wälder, kann aber auch über Wiesen.

Die Sonne grüßt vom Himmel, es sind um die neunzehn Grad. Ich grüße die Nachbarn. Der April hat uns abwechselnd mit Schnee, Hagel, Sommertemperaturen bis 27 Grad, Sonne, Wolken und Dauerregen traktiert. Doch ein Ende ist in Sicht, und das Ende nennt sich Mai.

Zunächst steige ich zum Engelmannsfelsen hoch, der mit seinem von weitem sichtbaren Kreuz ein markanter Punkt des Ortsteiles Stein stellt. Der Fels ist steil, seine Wände glatt und eben. Ich las bereits in der Dorfzeitung darüber, dass er nur geübten Kletterern zugänglich ist. Früher waren die hoch aufragenden Wände ein tolles Ziel für eine Mutprobe der Jugendlichen vom Dorf. Für die Nazis war der Fels ein strategischer Erkennungspunkt. Das Kreuz wurde erst von der Friedensbewegung der Nachkriegszeit angebracht, zur Mahnung. Auf heißen Steinen sonnen sich Echsen, es raschelt im Unterholz. Weiter nach oben geht es nicht.

Weiter nach oben geht es nicht

Ein wenig treibe ich mich noch rum, steige dann wieder runter. Links von mir ein geschlossener Kindergarten – es ist Sonntag. Meine Fuße tragen mich in die nordöstliche Richtung, Richtung Annweiler. Der Weg führt durch weitläufige, gelb blühende Wiesen, vorbei an alten, knorrigen Apfelbäumen, deren Knospen im Begriff sind, aufzugehen. Es ist warm, es geht ein sachter Wind. Alles zwitschert, alles duftet. Mich durchströmt pures Glück. Der Wald gibt einem so viel. Unter einem Kreuz mache ich erstmal eine kurze Rast.

Nicht weil ich müde bin. Sondern weil ich mich orientieren möchte. Die Wanderwege bieten schier unendliche Möglichkeiten. Ich kann nach Annweiler, kann zum Kaiserbach. Oder ich wende mich nach rechts und erreiche diverse Sandsteinfelsen. Zunächst bleibe ich aber auf der Bank sitzen. Draußen zu sein tut der Seele gut. Und eigentlich möchte ich nicht aufstehen.

Doch zum Sitzen bin ich nicht gekommen. Ich will den Weg nach Annweiler in Angriff nehmen, oder zumindest die Richtung.  Acht und acht sind sechszehn Kilometer, sind um die fünf Stunden mit Päuschen machen, fotografieren und über den Sinn des Lebens sinnieren. Pferde entspannen in ihren Gattern. Wölkchen jagen über den Himmel. Alles strahlt und das frische Laubgrün ist in der Sonne gebadet.

Ich weiß nicht, was der Sinn des Lebens ist, aber ich würde sagen, Momente wie dieser sind Teil davon. Eine Weggabelung lässt mich einmal mehr meine Karte kontaktieren. Die Abzweigung nach rechts erschient mir genau richtig. Schon bald verlasse ich den Wald und gehe in der Sonne über Wiesen. Zu meiner rechten öffnet sich die Landschaft, die Wiese fällt sanft ab. Dahinter erhebt sich ein dunkler Bergstreifen. Schnelle Schritte, Musik in den Ohren, ich denke, ich bin nicht mal besonders leise. Ein Lächeln auf den Lippen. Dann sehe ich diesen seltsam mutierten Hund. Es ist ein ziemlich großer Fuchs, der auf der blühenden Wiese auf der Jagd nach Kleintieren unbeweglich im hohen Gras steht. Was für ein Riesenvieh! Der Fuchs bemerkt mich nicht einmal. Seine Aufmerksamkeit gilt dem raschelndem Boden unter ihm. Wäre ich ein Jäger, hätte ich nun ein Fuchspelz. Dann weckt etwas anderes die Aufmerksamkeit des Tieres und es eilt davon.

Was für ein Zufall, denke ich mir, während ich weiter gehe. Hätte ich die Abzweigung geradeaus genommen, so hätte ich diese Begegnung nicht gehabt. Wie viele andere Gelegenheiten ziehen unbemerkt an uns vorbei, weil wir unwissend die eine Entscheidung treffen und andere auslassen, nicht wissend, was alles hätte sein können?

Ein blauer, hübscher Wohnwagen steht entlang des Weges. Hübsche Figürchen, kleine Stühle. Hier entspannt jemand in der warmen Jahreszeit.

Die Wiese und somit der Weg enden vor einem verschlossenem Gatter. Seltsam. Ich schlüpfe hindurch und lese, was da geschrieben steht. Privatgrundstück, betreten verboten. Prima, denke ich; dann hättet ihr auch die andere Seite absichern sollen.

Wohin führen mich nun meine Füße? Sie führen mich jetzt wieder nach rechts, der Pfad steigt ab. Ich richte mich grob auf die Lebersteine und den Hundsfels aus. Vorbei an alten Eichen, deren frisches, leuchtendes Laub im Kontrast zur knorrigen Rinde steht. Vorbei an verformten, hexenhaften Apfelbäumen, die noch immer blühen. Ich lasse die Wiesen hinter mir, der Weg führt nun tief in den Wald hinein. Die Sonne bleibt außen vor. Die Wälder hier sind düster, doch nicht unfreundlich, sie sind ursprünglich und Heimat von Tieren wie Luchs, der Wildkatze und neuerdings dem Wolf. Aus dem Pfad wird eine Schlucht, die immer tiefer hinabführt. Über meinem Kopf winden sich seltsam geformte Wurzelgeflechte; sie geben den Bäumen Ähnlichkeit mit Aliens. Seltsame Klänge über mir in den Waldkronen. Es ist kein Zwitschern mehr, es ist Geschrei. Das schnelle Tuk-tuk-tuk eines Spechtes. Dann erstarre ich. Nur wenige Meter vor mir zwischen den Bäumen erstarrt ein Reh. Einen langen Augenblick starren wir uns an. Dann hüpft das Reh in hohen, langen Sprüngen davon.

Was wird mir hier noch begegnen?

Alien

Eines begegnet mir nicht, und zwar Menschen. Explizit Menschen, die hier auch zum Wandern unterwegs sind. Zur Beginn mal jemand mit einem Hund, oder ein Bauer auf seinem Land. Doch die meiste Zeit bin ich komplett alleine. Seltsam für ein Wochenende. Es zeigt, dass es noch viele Ecken gibt, die nicht bekannt genug oder nicht attraktiv genug für einen Massenauflauf sind. Ein ungewohntes, doch gutes Gefühl. Ich könnte mich mitten auf den Weg stellen, Salsa tanzen und laut dazu grölen, niemand würde es wissen.

Musik in den Ohren erreiche ich bald die Lebersteine. Der Aufstieg treibt wie immer leichten Schweiß auf meine Stirn, doch mit Pop in den Ohren spüre ich den Herzschlag fast nicht mehr. Und die Anstrengung lohnt, das weiß ich von unzähligen anderen Malen. Dieser Stolz, wenn ich erstmal oben bin. Diesmal jedoch nicht, denn mitten im Wald finde ich das: „Bitte nicht betreten!“ Anscheinend sind die Felsen in Frühjahr Brutstätte von Wanderfalken und somit mehrere Felsen in der Umgebung für Wanderungen gesperrt. Das werde ich noch feststellen.

Dann das

Also lasse ich die Lebersteine unverrichteter Dinge Felsen sein und wandere seitlich an ihnen vorbei. Das tut meiner Motivation keinen Abbruch, denn ich habe ja noch den Hundsfels zu erobern. Zuverlässig führt mich meine App auf den richtigen Weg. Der Aufstieg ist hart, doch der Aufstieg wird sich lohnen. Eine ganze Weile bin ich bereits unterwegs, habe vielleicht sieben-bis acht Kilometer und was weiß ich wie viele Höhenmeter hinter mir und mein Körper erinnert mich so langsam an meine gemütliche Couch und weitere Folgen „Dexter“. Diesen Felsen noch, rede ich ihm gut zu. Bis mir auch hier wieder ein rotes Schild durch die Bäume entgegen schimmert. Ich hätte es wissen müssen. Der Aufstieg war nur mit äußerster Motivation zu bewerkstelligen, doch nun habe ich genug. Es ist Abend, und auch von der Sonne ist nicht mehr viel zu sehen. Es ist der Moment, in dem sich der sonnige Wald in einen Hexenwald verwandelt. Das Rascheln in den Bäumen. Der ebene Pfad. Der Weg, der mich, vorbei an Wald, Wiesen und Feldern wieder nach Hause führt.

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Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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12 Kommentare

  1. Sinnlosreisen sagt:

    Das Titelbild ist genial, wie aus Herr der Ringe. Ihr seid umgezogen? Dann wünsche ich euch gutes Wohnen im neuen Heim!

    1. Vielen Dank. Ja, November letzten Jahres. Es gibt viele schöne Fotomotive hier 😉

  2. Hallo Kasia,
    es hat mich unheimlich gefreut, dass du so intensiv deine neue Umgebung erkundest. Im Pfälzerwald gibt es viele Ecken die fernab vom Besucherandrang liegen. Die Besucher drängt es meistens zu Hütten und spektakulären Aussichten. Bist du alleine unterwegs? Stefan hütet sicher das Haus. 😉
    Liebe Grüße Harald

    1. Völlig richtig, Stefan hütet das Haus, wie es sich gehört 😉 und in Wahrheit ist er in der Motorradsaison lieber auf dem Zweirad unterwegs. Ich musste mich mal bewegen. Hier in unserem Eck ist es so ruhig, dass mir oft Rehe beim Grasen unterkommen. Wirklich schön zum Entspannen. Spektakulär muss es nicht jedes Mal sein 😉

      Lg Kasia

      1. Eine schöne Wanderung: Vom Silzer See zum Cramerhaus (Einkehr) und dann weiter zum Lindelbrunn (Aussicht).

        1. Danke für den Tipp, dem werde ich nachgehen. Wandern ist ja der Knusperhäuschen-Hexe Lust 😉

          1. Als Knusperhäuschen-Hexte brauchts du jetzt aber eine Katze und einen Raben. 😀

          2. sagt:

            Hallo meine stille Leserin 😉 leider habe ich momentan keine Zeit für pelzige oder geflügelte Begleiter. Wenn ich in Rente gehe, bestimmt 🙂

  3. Vielen lieben Dank Kasia, für die herrlichen Eindrücke eurer neuen Heimat (wenn ich es richtig verstanden habe, wohnt ihr nicht mehr in Mannheim). Eine wunderschöne Gegend scheint es zu sein, mit viel Zeit zur Erholung und Entspannung.
    Liebe Grüße, Roland

    1. Nein, Mannheim hat nach langen Jahren den Platz räumen müssen für den ländlichen Raum. Und hier sind wir bereit, zu bleiben – voraussichtlich für lange Zeit.

  4. Eine schöne Wanderung im Pfälzerwald und du hast sogar einen Fuchs gesehen
    Liebe Grüße Andrea

    1. Die Gegend ist so verlassen, hier sieht man immer mal wieder Waldtiere. Und schön ist es wirklich.

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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