Europa, Polen

Westerplatte

Westerplatte. Was ist es eigentlich? Irgendwie hat man das schon mal gehört, im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg vielleicht. Es handelt sich um eine langgestreckte, sandige Halbinsel, die vor dem Krieg als Munitionslager der polnischen Marine fungierte. Dass der Überfall auf Polen der Auftakt für den Zweiten Weltkrieg war, ist allgemein bekannt. Doch was ist mit Westerplatte, dass es eine solche geschichtliche Bedeutung für die Polen hat? Nun, hier ist es geschehen, genau hier hat es begonnen. Der Überfall auf Polen begann auf der Vorragenden Halbinsel, das Einfallstor in die freie Stadt Danzig.

Altstadt Danzig, die 2te

Das Wetter ist, wenn möglich, noch kälter geworden. Und sonniger. Der Himmel strahlt und kalter Wind jagt uns Schauer über den Rücken. Besonders meiner Mutter, die nicht an eine Kopfbedeckung gedacht hatte. „Zu unschick.“ Sagt die Frau, die mich als Kind sorgfältig mit Schal und Mütze eingemummelt hatte. Bevor sie sich verkühlt und sich eine „ich geh nicht weiter“- Stimmung über unseren Ausflug legt, lege ich ihr stattdessen meinen senfgelben Schal über Kopf und Rücken. „Ich sehe aus, als wäre ich konvertiert!“ Tatsächlich hat das senfgelbe „Kopftuch“ etwas indisch-pakistanisches an sich, aber ich dulde keine Widerrede. Solange du deine Füße unter meinen Tisch… und so weiter. „Oder du siehst einfach nur aus wie jemand, dem kalt geworden ist.“

Die Altstadthäuser an der Promenade erstrahlen im alten, neuen Sonnenglanz. Am Neptunbrunnen gibt es gemeinsame Bilder – natürlich mit dem schicken, senfgelben „Kopftuch“. Und nein, es stimmt nicht, dass frisch konvertierte bei uns in Polen verfolgt würden, uns verfolgt jedenfalls niemand. Es gibt keine Blicke, es fliegen keine Steine, es ist geradezu monoton langweilig. Meine Mutter behält das schicke Tuch an.

Immer mal wieder wird unsere Tour durch Bernsteinverkäufer unterbrochen. Oder durch den überirdisch in der Sonne leuchtenden Bernstein an sich, der in den Auslagen unsere Augen fesselt. Die Verkäufer sind hier zurückhaltend, niemand spricht uns an. Sie scheinen auch so ein gutes Geschäft zu machen. Meine Mutter will mir unbedingt Bernstein schenken, doch mir ist es zu teuer. „Wir schauen weiter.“ Sage ich. Da ist sie wieder, die Reiszwecke im Geldbeutel. Nichtdestotrotz gebe ich euch einen kleinen Tipp: wollt ihr Bernstein in Polen kaufen, tut es nicht unbedingt in Danzig und wenn, dann nicht unbedingt im Zentrum der Altstadt. Schon am Rande der Stadt wird es günstiger, und all die kleineren Orte um Danzig herum wie Gdynia und Sopot bieten Bernsteinerzeugnisse an. Ohne Mondpreise.

Die Lange Straße führt uns geradewegs an das Ufer der Motlawa. Denn gestern beim Flanieren ist ein Plan in unseren Köpfen entstanden, der es uns erlaubt, die zu Fuß zurückgelegte Strecke zu reduzieren, zu entspannen und dennoch mehr von der Stadt zu sehen: wir machen einen Bootsausflug. Ich bezeichne sie als eine „kleine Kreuzfahrt“.

 

Die „kleine Kreuzfahrt“

Nach einigem Schauen und einigem Hin und Her entscheiden wir uns für eine Fahrt mit der „Weißen Flotte“ auf die Halbinsel Westerplatte. Das Boot ist bald da, zusammen mit anderen nehmen wir Platz. Noch einmal kurz dem Ufer winken, dann legen wir ab, und langsam vor sich hin tuckernd bewegt sich das Boot von den schönen Bereichen Danzigs weg. Die polnische Flagge am Heck flattert im Wind. Es wird lustiger, aufgeregt schnattern die Leute vor sich hin. Es sind ausschließlich Polen, die hier auf touristischen Wegen unterwegs sind. Die Laune ist bestens, meine Mutter aufgeregt. Es fehlen nur noch perlende Gläser Sekt in unserer Hand.

Langsam entfernen sich die Villen, das Museum, der historische Kran, der Schriftzug „I love Gdansk“. Kaum auf dem Wasser, kommt ein kalter Wind auf. Da ich das schon kenne, bin ich entsprechend vorbereitet, meine Mutter wickelt das Tuch enger um ihren Kopf. Es gibt Informationen über Lautsprecher über das, was wir sehen: Transportkähne und kleinere, industrielle Häfen.

Nachdem die hohen Handelshäuser hinter uns geblieben sind, sind nur noch Hafenanlagen zu sehen. Der Hafen von Danzig ist der viertgrößte Hafen an der Ostsee. Entsprechend viel los ist um uns herum. Die Gesamtfläche der Anlagen an Land erstreckt sich auf 652 und auf Wasser auf 412 Hektar (Wikipedia). Der Innere Hafen an der Toten Weichsel ist nicht mehr von großer Bedeutung. Hier finden sich ein paar ältere, teils historische Hafenanlagen. Der größte und moderne Umschlagplatz für Güter ist der Nordhafen, der an der Hafeninsel (Wyspa Portowa) liegt. An den Kais findet der Umschlag von u.a. Kohle, Treibstoffen und Flüssiggas statt. Gerade weht uns ein feiner Nebel aus gemahlenen Getreide in die Gesichter.

Nur spärlich dringen Fetzen aus dem Lautsprecher zu uns rüber und sind im Wind schlecht zu verstehen. Doch das ist schon okay, da wir uns beide für den polnischen Seehandel nur mäßig interessieren. Stattdessen spähen wir zu dem auf historisch getrimmten „Fluch der Karibik“-Ausflugsschiff, das uns entgegen kommt. Meine Mutter und ich entschieden einstimmig, dass es uns den Aufpreis nicht wert ist, die Strecke mit dem Ungetüm zu befahren. Es ist wie mit vielen Schlössern und Burgen: sie sehen für mich von außen eh viel schöner aus als von innen. Ausnahmen ausgenommen.

 

Westerplatte

„Das stürzt nicht ein.“ Sagt der Verkäufer. „Nach dem Zweiten Weltkrieg haben sie versucht, es in die Luft zu jagen, und es ist nicht eingestürzt. Das stürzt nicht mehr ein.“ Vielleicht hat er Recht. Vielleicht auch nicht. Vielleicht beschließen die Betonplatten und die Metallträger gerade jetzt, nach vierzig Jahren, über mir zusammen zu brechen. 

1 September 1939, der Beginn des Zweiten Weltkrieges. An jenem Tag wird das Munitionslager der Polnischen Marine von den deutschen Streitkräften beschossen. Das Schulschiff Schleswig-Holstein, das im Hafen der Stadt Danzig vor Anker liegt, feuert etwa zehn Minuten lang auf Westerplatte, im Anschluss versuchen Bodeneinheiten vergeblich, das Munitionslager zu erobern. Trotz mehrerer Attacken und sogar einem Bombenangriff am 2 September schaffen die polnischen Einheiten es, die Halbinsel zu halten. Die Ressourcen für die Verteidigung von Westerplatte sind auf etwa 12 Stunden angesetzt, doch die Polen halten sieben Tage lang die Stellung. „Westerplatte verteidigt sich weiterhin.“ Ertönt die Nachricht im polnischen Radio. Dabei scheuen die Deutschen keine Mühen: schwere Geschütze, Sturmgewehre, Flammenwerfer kommen zum Einsatz. Sogar der umliegende Wald wird in Brand gesetzt, um die polnischen Soldaten von ihren Stellungen zu vertreiben.

Inzwischen belaufen sich die Verluste auf polnischer Seite auf zw. 15-20 Tote, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis es vorbei ist. Noch am siebten September wird eine deutsche Aufklärung von den Verteidiger aufgehalten, bevor sie kapitulieren. Beim Abzug der polnischen Soldaten salutieren deutsche Offiziere, beeindruckt von der entschlossenen Haltung der Polen. Die Verteidiger von Westerplatte schafften es, den deutschen weitaus schwerere Verluste zuzufügen und diverse deutsche Stellungen zu zerschlagen. Quellen sprechen von zwischen 50 und 150 Toten auf deutscher Seite.

Dabei stellt sich mir beiläufig eine nicht unerhebliche Frage: wo blieb die polnische Verstärkung?

Heute hat Westerplatte einen hohen symbolischen Wert. Sie ist ein Symbol polnischen Widerstandes gegen die deutsche Übermacht. Ein in den siebziger Jahren eingeweihtes Denkmal erinnert an deren Verteidigung. Die Verteidigung der Halbinsel Westerplatte war legendär.

Unser kleines Boot legt an und die Passagiere ergießen sich auf die Halbinsel. Wir gedenken nicht, sofort loszulaufen; vielmehr lassen wir uns, etwas abseits vom Trubel, in einem Außenbereich eines Schnellimbisses nieder. Ein heißer żurek wärmt, ebenso wie die Sonne hinter der Plexiglasscheibe. Hier, direkt am Wasser, beobachten wir das Kommen und Gehen an der Anlegestelle und den Verkehr am Fluss. Wir sind entspannt, haben Zeit und schönes Wetter. „Geht es uns nicht gut?“ Frage ich meine Mutter, die über die Suppe meckert. Ja, sagt sie. Eigentlich schon.

 

Der „Touristische Pfad“ auf Westerplatte

Der gesamte Bereich der Halbinsel gilt als historische Gedenkstätte. Als einziger Kriegsschauplatz aus dem II Weltkrieg hat Westerplatte noch ihren originalen, deutschen Namen behalten. Selbst die Kommunisten, die nicht eben als allzu sentimental galten, hatten ihn nicht geändert, da er sich als Symbol der Tapferkeit polnischer Soldaten in den Köpfen der Menschen festsetzte.

Wir beginnen unsere Erkundung windstill und mit Sonnenschein auf unseren Köpfen. Noch. Am Rande eines kleinen Kiefernwäldchen begrüßt uns im Schatten der Bäume der berühmte, weiß rote Schriftzug. Nur noch schnell eine Straße überqueren, schon tauchen wir ins Kiefernwäldchen ein.

An der See, dort, wo die Baumlinie aufhört, ist es mit der Windstille vorbei. Es zerrt starker Wind an unseren Klamotten. Es ist nicht kalt, doch gemütlich ist anders. Dennoch riskieren wir einen ausgiebigen Rundumblick, sehen zu, wie weiße Schaumkronen ans Ufer schlagen. Alles strahlt von innen heraus. Dann begeben wir uns wieder in den Bauch der Insel.

Weiter durch das Kiefernwäldchen schlendernd begegnet uns… was ist denn das? Ein Waggon, früher als Transportmittel genutzt und via Handantrieb bewegt, fährt im zügigen Tempo über die noch erhaltenen Schienen an uns vorbei. Ein junger Mann in Soldatenuniform, wie auch die Männer der Familie, pumpen was das Zeug hält, während frau vergnügt die Sonne genießt. Die Frau filmt begeistert. Hey, sowas will ich auch!

 

Das Gelände ist überschaubar und gut zu Fuß zu erkunden. Der Waldweg führt uns unweigerlich zum Außenposten „Fort“, einen zweistöckigen Kommandoposten der Artillerie. Sie stammte in ihrer heutigen Form aus dem Jahr 1911 und wurde im Rahmen der Küstenbefestigung von den Preußen erbaut. Auf den massiven Betonmauern sind Spuren von Kampfhandlungen zu sehen, sie ist von Einschusslöchern übersät. Wie friedlich alles aussieht, wenn die Schatten der Baumblätter dunkle Flecken auf der hellen, rauen Oberfläche malen. Meine Mutter setzt sich und streckt ihr schlimmes Bein aus; das Knie macht seit einiger Zeit Probleme.

 

Ruinen der Neuen Kaserne

Es gibt einen Grund, weshalb es mich an die Westerplatte zieht. Der Grund ist in den Sozialen Medien zu finden. Verhasst und verteufelt bieten sie doch hin und wieder einige interessante Tipps, wenn man nur weiß, wo man suchen muss. Die Aufnahmen einer verlassenen Anlage, die so ruiniert aussieht, dass sie jeden Moment einstürzen könnte – es aber nicht tut – haben großen Eindruck auf mich gemacht. Wie ein Lost Place – der lost ist und doch nicht lost, da sich um ihn herum gefühlte hundert Stände mit Souvenirs, Snacks und Bernstein ausbreiten. Außerdem kann man fragliche Andenken kaufen wie Patronen, die man sich um den Hals hängt. Ich kaufe natürlich ein solches, fragliches Andenken – und viel Bernstein dazu.

Aber Moment, zurück zu Anfang. Nicht dass jemand denkt, Kasia zieht Shoppen dem Lost-nicht-lost-Place vor. Nein. Denn als ich die Überreste großer Betonplatten vor uns auftauchen sehe, beschleunige ich meinen Schritt. Das wiederum spürt meine Mutter in ihrem schlimmen Knie und nimmt Platz auf einer Bank etwas abseits. „Ich bin dann mal weg!“ Rufe ich und höre noch ein „Aber pass auf!“ hinter mir. Das Schöne an gehandicapten Mamas auf Reisen ist: sie laufen einem nicht davon. Sie warten brav auf einen, dort, wo man sie abgesetzt hat.

Was wollt ihr: den allerersten Eindruck oder erst die Info? Na gut, da Google gerade geöffnet ist, kriegt ihr erst die Info.

Bei den Ruinen, die ich betrete, handelt es sich um die ehemals neue Kaserne, die erst 1934 erbaut wurde; eine für die damalige Zeit moderne Konstruktion aus Beton und Stahl. Der Bau beinhaltete alles, was man für die Versorgung und Kommunikation brauchte, unter anderem eine Radiostation, Telefonzentralle, Kantine, Lebensmittel- und Munitionslager. Ferner waren Waschräume, Garagen sowie ein Bereich für die Krankenpflege Teil der Ausstattung. Die Neue Kaserne war eine der modernsten Bauten der damaligen Zeit. Sie überstand die Angriffe der Deutschen und bot den Soldaten Schutz.

Meine Landsleute sind kein großer Freund von Vorschriften. Vielmehr setzen sie auf Eigenverantwortung. Nach dem Passieren eines strategisch günstig angebrachten Hinweises: „Einsturzgefährdet. Betreten auf eigene Gefahr“ ist ein jeder selbst seines Glückes – oder Unglückes – Schmied. Nichts hält mich mehr von der Ruine fern, außer vielleicht die eigene Angst. Und der gesunde Menschenverstand.

Erstere lässt sich besiegen und letzterer beschwichtigen. Ich gehe ja nicht rein. Ich schaue nur nach drinnen. Werfe nur mal einen kurzen Blick. Da ich aber so nicht viel sehen kann, muss ich näher ran. Nur mal mit dem Kopf. Und mit den Schultern. Wenn wider Erwarten nach jahrzehntelangem Stillstand trotz Stürme und Gewitter irgend etwas gerade jetzt, bei Sonnenschein, zu bröckeln beginnt, kann ich ja noch schnell hinaus hüpfen. Außerdem stürzen Gebäude zuerst in der Mitte ein, das weiß doch jeder.

Der Anblick drinnen bringt meinen inneren Dialog abrupt zum Verstummen. Wow. Ja, wirklich – wow. Denn hier drinnen ist eine andere Welt. Nur noch das Gerippe der Kaserne ist übrig, und dieses sieht aus, als wolle es jeden Moment zusammenbrechen. Die stabile Stahlkonstruktion wirkt so fragil, dass jeder weitere Schritt ein Risiko für Leib und Leben darzustellen scheint. Welche Kräfte haben hier gewütet? Was für ein Chaos eine solche Sprengung einrichten kann, wie sie hier erst nach dem Ende des Krieges vorgenommen wurde, kann ich gerade „live“ sehen. Teile der Decke sind eingestürzt. Dickes Stahldraht und Betonbrocken hängen noch herunter, stellenweise fehlt der Boden. Tiefe Risse durchziehen die dicke Masse aus Beton; zum großen Teil sind nur noch Bruchstücke der ehemaligen Wand vorhanden. Über einer nach oben ins Nichts führenden Treppe, die wie durch ein Wunder intakt geblieben ist, hängt ein eingestürztes Stück Wand. Draußen – der grüne Wald. Welch surrealer Lost Place.

Wie kam es trotz der stabilen Konstruktion dennoch zur kompletten Zerstörung der Kaserne?

Gerade ihre Stabilität und Widerstandsfähigkeit wurde ihr zum Verhängnis. Nach Ende des Krieges hatte man allerhand nicht explodierter Sprengkörper aus ganz Danzig hierher gebracht, um sie kontrolliert zu detonieren. Die Ruine, welche wir heute sehen, ist der stabilere Südflügel. Der Nordflügel wurde zerlegt, ein Teil des Schutts für die Befestigung der Küste verwendet.

Im ebenerdigen, besser zugänglichen Teil wurden nachträglich Metallkonstruktionen mit Geländer angebracht, die das teilweise Begehen der Kaserne möglich machen. Die nach unten führenden Treppen – auf eigene Gefahr. Es sollte vielleicht noch erwähnt werden, dass hier 2009 bei Vorbereitungen für den 70 Jahrestag der Beendigung des Krieges noch tausende nicht detonierte Minen und Sprengkörper gefunden wurden. Ich nutze die Gelegenheit, (noch) alleine hier zu sein; später werden sich weitere Mutige dazu gesellen und sich auch tiefer in den Bauch der Bestie wagen als ich. Ich weiß, dass meine Mutter oben auf mich wartet, doch ich kann mich kaum loslösen.

Später an den Bernsteinständen komme ich mit dem einem oder anderem Händler ins Gespräch. Eine Händlerin erzählt mir von ihrer Leidenschaft für den Bernstein, der vor allem nach Stürmen zu sehen ist. „Hier an der polnischen Ostsee muss man sammeln, was kommt. Der Bernstein wird mit der Flut angeschwemmt.“ Drüben bei Kaliningrad, erzählt sie, verlaufen die unterirdischen Vorkommen so nahe an der Oberfläche, dass die Ausbeute wesentlich reicher ist. Sie erzählt, wie sie früher mit ihrem Mann Bernstein gesammelt hatte. Das muss man lieben, meint sie – und ist sichtbar vom leichten Stein fasziniert. Sie glaube auch an seine Wirksamkeit auf Gesundheit und vor allem auf Schilddrüse. „Wegen dem Jod aus dem Meer, das in die Umgebung abgegeben wird.“ Doch dazu müsse der Bernstein ungeschliffen und unbearbeitet sein.

Ein anderer Händler, nach den laschen Sicherheitsvorkehrungen beim Begehen der ehemaligen Kaserne gefragt, beschwichtigt mich. „Die stürzt nicht ein.“ Sagt er so selbstsicher, wie ein Mensch nur sein kann. „Man hat versucht, sie in die Luft zu jagen, und auch das hat nicht richtig funktioniert, wie Sie sehen. Da stürzt gar nichts mehr ein.“

Auf dem Hügel, einer Erhebung auf der Halbinsel, wehen Fahnen im Wind. Hier wurde nach dem Krieg ein Denkmal errichtet, den gefallenen Verteidigern der Küste zu Ehren. Ich will zum Denkmal hin, doch meine Mutter hat genug. Das Knie schmerzt und so langsam müssen wir nach Hause. So mache ich aus der Ferne noch eins- bis zwei Bilder – so wichtig ist es mir nicht, da hinauf zu steigen – und wir wenden uns langsam in Richtung Anlegestelle. Mit der Weißen Flotte – diesmal mit dem Boot „Danuta“, der den Namen meiner Mutter trägt, was ich sehr passend finde – machen wir uns auf den Rückweg nach Danzig.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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10 Kommentare

  1. Mal wieder ein sehr lebendiger Geschichtsunterricht!

    1. Vielen Dank. Geschichte wird in Polen lebendig gehalten, das ist gut so.

  2. Lustigerweise muss ich heute, gerade einen Tag nachdem ich deinen Bericht aus Danzig gelesen habe, für einen Staatsangehörigkeitsfall tief in die Geschichte der Stadt eintauchen. (Ist ein bisschen kompliziert, wegen der Freien Stadt ab 1920, Ausbürgerungen und Einbürgerungen und so weiter.)

    Bei so Fällen hoffe ich ja immer, dass sich online nichts finden lässt, so dass ich auf Kosten des Mandanten nach Danzig reisen und dort im Archiv fragen muss. 😉

    1. Es gibt bei uns dieses Sprichwort: „Er suchte und betete, dass er es nicht findet“😂 Vielleicht kommst du ja noch zu deiner Danzig-Reise. Nur zu Recherchezwecken natürlich 😉

  3. Das gefällt mir an Osteuropa (und eigentlich beginnt es schon in Ostdeutschland):

    Einfach ein Schild, das einmal warnt, und dann ist jeder auf sich gestellt.
    Meistens stürzt ja wirklich nichts ein. Und herunterfallen und sich ein Bein brechen kann man zuhause auch.

    1. Ich finde auch, dass ein wenig gesunden Menschenverstand und ein einigermaßen entwickelter Selbsterhaltungstrieb den Leuten zuzutrauen ist. Am Ende sollte ein jeder für sich verantwortlich sein. Und es ist toll, dass die Möglichkeit gegeben ist, solche Orte auf eigene Faust anschauen zu können. Die meisten Unfälle passieren eh im Haushalt 😜

      1. Genau. Dieses ganze Putzen, Kochen, Aufräumen, Gärtnern und zur Arbeit fahren ist das wirklich Gefährliche und muss so weit wie möglich vermieden werden!

        1. Vor allem Putzen und Aufräumen. Soo risikoreich ist kein gesprengter Bunker 😂

  4. Ja, die Altstadt hat was, und auch eine Bootsfahrt ist immer eine gute Wahl, auch wenn es mal etwas kühler ist. Hauptsache trocken! Auf der Westerplatte hat sich ja wirklich ein sehenswerter Noch-nicht-ganz-Lost Place erhalten. Ich wäre da wohl auch ins Innere gekraxelt 😎. Das gelbe Tuch passte übrigens hervorragend zum restlichen Outfit deiner Mutter. Indische Farbenpracht!

    1. Das gelbe Tuch war wirklich schick, leider finde ich es nicht mehr. Westerplatte ist einen Ausflug wert, wenn du in Danzig sein solltest. Und ja, im Zweifel siegt die Neugier über die Angst, so sind die meisten Menschen 😉

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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