Europa, Italien

Sizilien – Heiße Quellen im Wald

Diesen Tipp von unserem Vermieter Franco findet man so schnell in keinem der Sizilien-Reiseführer: die heißen Quellen von…
„Mensch, wo war das nochmal? Verdammt…“
Ich krame in den alten Fotos, krame in meinen Erinnerungen, suche nach irgend einem Hinweis. Francos Tipp mit den heißen Quellen mitten in den Wäldern (wer hätte gedacht, dass Sizilien überhaupt über solche Wälder verfügt…?) war Gold wert, doch heute, sieben Jahre später, verblasst bereits die Erinnerung. Heiße Quellen auf Sizilien, das kann doch nicht so schwer sein?

Ich frage Google. Doch da die Insel praktisch auf einem großen, brodelnden Vulkan sitzt, blubbert es hier nur so von vulkanischen Heißwasser-Oasen. Und so gerne ich Euch die Adresse dorthin geben würde, ich muss leider feststellen, dass ich das nicht kann… Stattdessen erzähle ich Euch die Geschichte, wie es war, als wir dort schön genüsslich ins Wasser tauchten…

Von der Lage her kann ich mich noch erinnern, dass der Weg uns mitten ins Zentrum der Insel führte, an kargen, trockenen Feldern vorbei, die, teilweise abgebrannt, ausgebreitet vor uns lagen. Hier und da sahen wir die obligatorischen, baufälligen Hütten, die unter Denkmalschutz stehen und daher nicht abgerissen werden dürfen,  inmitten von verbrannter, schwarzer Erde.

Die Erinnerung wird wieder lebendig, aus Vergangenheit wird wieder Gegenwart. Und auch die Landschaft ändert sich, denn das letzte Stück fahren wir durch einen dichten, grünen Wald, von dem ich nie gedacht hätte, dass die sonst so karge Insel einen solchen zu bieten hat. Die Äste hoher Pinienbäume neigen sich leicht im Wind und aus den Baumkronen ertönt hoch oben über uns der Gesang und die Rufe der Vögel.

Das Schwimmbad ist mitten im Wald gelegen, und so tanzen stellenweise heruntergefallene Blätter auf der blauen Wasseroberfläche. Das Becken wird beschallt von lauter Discomusik; die Anlage befindet sich direkt am Wasser. Die Menschen hier scheint das nicht zu stören, ganz im Gegenteil; sie sind dabei, sich mehr oder weniger auf eine Party einzustimmen. Wie ungewohnt und anders wirkt das auf unsere Gemüter, sind wir doch aus Deutschland von solchen Orten zuallererst Ruhe, Entspannung und allerhöchstens sanft rieselnde Spa-Musik gewohnt. Ich versuche, mich mit der Lautstärke anzufreunden. Eine Party, mitten im Wald – na, das hat doch mal was.

In den Schwimm-Mützen, die wir am Eingang pflichtweise erstehen müssen, kommen wir uns affig vor. Ich frage mich (und fast glaube ich, die Antwort zu kennen), ob diese Vorschrift willkürlich für Touristen gilt, denn die Menschen hier springen zum großen Teil mit unbedecktem Haar ins Wasser. Wir sehen lachende, rufende Kinder, Menschen, die Spaß haben, ganze Familien. Musikbeschallung scheint hier nichts Ungewöhnliches zu sein.

Doch wo sind die heißen Quellen? Wir drehen ein paar Runden im Pool, legen uns für ein paar Minuten auf die Liege und machen uns dann auf, das Gelände auskundschaften.

Die heißen Quellen sind in einer Felslandschaft versteckt. Und auch hier geht die Post ab. Es wird geredet, gegessen, mitten im Wasser geraucht. Wieder einmal kommen wir uns mit unserer lächerlichen Kopfbedeckung ein bisschen vergackeiert vor. Mädels posieren in den Wasserstrahlen der Quelle, die sich den Fels hinunter ergießt. Ich posiere nicht – die sagenhaft leckere, sizilianische Pizza, die wir jeden Abend in Francos Localino mit großem Appetit essen, hat meine Hüften wie einen Hefeteig aufgehen lassen (so schlimm wird es wahrscheinlich nicht gewesen sein, doch ihr wisst, wie es ist mit der subjektiven Wahrnehmung…) An den kleinen Wasserfällen stehen die Menschen an, um sich wechselnder Weise darunter zu stellen.

Wir bleiben bis in den späten Abend. Als wir uns wieder auf den Weg machen, dämmert es schon. Es ist eine Mischung aus Müdigkeit, Tiefenentspannung und Glücklichsein, die sich in mir nach diesem Tag breit macht. Bei Jimmy* nicht. Jimmy* ist unentspannt, müde, will nach Hause. Als ein Auto vor uns langsam durch den Ort fährt, hält er es nicht mehr aus:
„Was in Gottes Namen gibt es denn für einen Grund, hier dreißig zu fahren?!“

Wortlos hebe ich auf dem Beifahrersitz den Finger und zeige aus dem Autofenster. Er folgt meinem Blick.

Ein „Tempolimit 30“ Schild zieht in der Dämmerung gemütlich an uns vorbei…

(Ich habe die heißen Quellen übrigens doch noch gefunden: Es handelt sich um die Aqua Pia hot springs in Montevago, Agrigento)

*  Namen geändert

Das war: Sizilien, August 2010

Kasia

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