Da die Natur, wie irgendwo mal gelesen, hart und unnachgiebig ist, voller Kämpe, Niederlagen und Siege, voller Leben und Sterben, so wird es Zeit, sie nicht mehr als unsere ganz persönliche Wohlfühloase zu betrachten. Die Natur kann auch beängstigend und gruselig, wunderschön und gefährlich sein. Pünktlich zu Halloween greife ich das Thema „Wälder“ auf, aber anders. Ich will den Wald einmal nicht als etwas Wohltuendes darstellen. Obwohl er das auch ist. Doch der Wald ist uns seit jeher auch unheimlich, man denke nur an die Hexe im Wald in ihrem Knusperhäuschen. Und wer von euch hat es schon erlebt, dieses Gefühl, wenn es überall raschelt, so dass man meint, Schritte neben sich zu hören? Wer dachte schon, ein zweites Wesen umkreise einen, doch da ist nichts, weit und breit?
Kein Wunder, dass viele der bekannten Märchen aus alten Tagen im oder um den Wald herum spielen, oder gar den Wald als Thema haben. Der Wald kann uns durcheinander bringen, kann uns dazu bringen, dass wir uns verirren. Als würde jemand mit voller Absicht Baumstämme und Sträucher versetzen, nur um den Wanderer in die Irre zu leiten. Ja, ich weiß. Jetzt gibt es GPS und die tollen, abgesteckten Wanderstrecken. Doch nähme uns das plötzlich jemand weg, was dann?
Deshalb gibt es hier unheimlichen, nächtlichen Wald für euch, garniert mit Schwarzweiß-Bildern, Märchen und ein wenig Grusel. Viel Spaß!
Dahner Felsenland
Besonders am Abend, wenn sich die blutrote Abendsonne in den Felsen verfängt, wenn keine Menschenseele da ist und ich alleine zwischen dem Gestein klettere, kommt eine besondere Stimmung auf. Im Dahner Felsenland sprießen die Sandsteinfelsen unvermittelt in die Höhe, erreichen ungeahnte Größen, die noch beeindruckender wirken, wenn außen herum nichts als Wald ist. Die meisten der Felsen sind erschlossen und können erwandert und/oder erklettert werden, was die Urlaubsregion vor allem an den Wochenenden oder Feiertagen recht voll werden lässt. Die beste Zeit für einen Besuch ist unter der Woche im Herbst oder Frühjahr, wenn es abends ruhiger wird und die Menschen zu Hause auf den kommenden Tag warten. Beachtet nur die Zeit des Sonnenuntergangs und hütet euch, bei Einbruch der Dunkelheit noch im Wald unterwegs zu sein. Nicht, weil euch sonst ein Monster frisst – sondern, weil die schwierig begehbaren, oft von Steinen und Wurzeln durchzogenen Pfade dann nicht gut einsehbar sind und ihr euch leicht den Knöchel verstauchen könnt…
Der Heidenfelsen
Ich hätte nicht gedacht, dass da so viele ungewöhnliche, mystische Orte in der Pfalz existieren. Doch es tat sich viel in einer Zeit, als Quellheiligtümer errichtet und Götter verehrt werden, als römische Einflüsse auf die Kelten trafen und die Kulturen sich begegneten. Zwischen Landstuhl und Kindsbach sprießt eine Quelle, die bereits den Kelten bekannt und heilig war. Als die Römer kamen, glaubten sie, dass das Wasser Augenkrankheiten heilen könne. Sie bauten im 2 Jhd. v.Chr. an dieser Stelle einen Tempel, dessen übrig gebliebenen Steine als „Heidenfelsen“ bekannt wurden. Das Wasser sprudelt heute noch immer, ein Bächlein bildend, und bildet einen nicht allzu großen Teich. Und die Steine – die sich übrigens alle noch an ihrem ursprünglichen Ort befinden – sind das besterhaltene Quellheiligtum in Mitteleuropa. Und all das befindet sich für mich förmlich um die Ecke. Faszinierend, nicht wahr?
Die Klausenhöhle bei Kordel
Kordel in der Südeifel. In der Nordwand des Berges „Hochburg“ wurde einst eine Höhle entdeckt. Im 18 Jahrhundert lebte hier ein Einsiedler, der nach Einsamkeit und Abgeschiedenheit suchte. Wer weiß, ob er überhaupt der erste war, oder ob dieser natürliche Schutzraum mitten im Wald bereits vor ihm genutzt worden ist. Bis vor zweihundert Jahren waren Einsiedler in Europa keine Besonderheit; selbst in königlichen Gärten sind Einsiedlerhöhlen zu sehen. Dort lebten die Eremiten zur Belustigung der höfischen Gesellschaft. Dieser hier schien mehr Glück zu haben, denn allen Anschein nach fand er die Ruhe, die er suchte.
Die Wohnhöhle ist etwa zehn Meter breit und innen zweistöckig; über eine nachträglich angebrauchte Leiter kann man in die obere (Schlaf)ebene klettern. Unheimlich muten die schrecklichen Gesichter an, die in die Wände der Höhle geritzt wurden. Vermutlich dienten sie einem ähnlichen Zweck wie die Fratzen an so mancher Kirchenfassade und sollten den Teufel und böse Geister fernhalten.
Der Müdener Wasserfall am Buchsbaumweg
Der Müdener Wasserfall auf dem Buchsbaumweg, der sich entlang der Mosel zieht, ist eigentlich ein idyllischer Ort. Goldene Wassertropfen perlen am grünen Moos entlang und der leuchtender Wasservorhang fängt zur Mittagszeit einen Regenbogen ein. Doch um diesen Ort kreist eine düstere Legende.
Hörst du es im Gebüsch rascheln, wenn du dich dem Wasserfall näherst? Hörst du einen Lärm im Wald? Nun, dann lauf weg, so schnell dich deine Füße tragen, denn das könnte der Kreuelssanger sein, ein Mischwesen zwischen Huftier und Schwein. Die Legende vom Kreuelssanger ist verhältnismäßig jung, das Monster wurde zum ersten Mal von französischen Soldaten beschrieben, die schwer verwundet in dieser Gegend rasteten. Sie berichteten von einem Angriff eines mannshohen Ungeheuers mit Hauern und Hörnern, dass wie ein Wildschwein aussah.
In den nachfolgenden Jahren und Jahrhunderten tauchte der Kreuelssanger immer wieder auf und griff Bauern und Winzer an. Ansonsten kauert er irgendwo im Wald, erstarrt und als Baumwurzel getarnt. Und manchmal, vorzugsweise zur Halloween, frisst er unvorsichtige Wanderer.
Die Teufelsschlucht
Leise, unheimlich leise ist es am Boden der Teufelsschlucht bei Irrel in der Eifel. Still und dunkel. Wo vorhin noch Waldgeräusche zu hören waren, wo vorhin noch Blätter rauschten und der Wind durch die Bäume strich, so enden diese natürlichen Klänge abrupt und Stille breitet sich aus. Die Stille ist laut, lärmend, ohrenbetäubend. Die Stille ist wie ein Klingeln, das stetig anschwillt. Das Blut pulsiert in meinen Ohren und rauscht durch meine Adern. Für mich, die die sanfte Präsenz des Waldes gewohnt bin, ist diese Stille unerträglich. Sie tost.
Der Boden der Teufelsschlucht ist erreicht. Es geht wieder aufwärts, langsam kommen die Klänge wieder. Das Rauschen des Windes, die Laute der Vögel. Auch meine Schritte klingen wieder normal. Herzschlag und Puls beruhigen sich. Das Tosen, der Lärm, das Sägen und Kreischen, das nur eine totale Abwesenheit jeglichen Geräusches im Kopf verursachen kann, ist weg. Die Welt ist voller leiser Töne, und in meinem Kopf ist es wieder ruhig.
Wer diese Erfahrung machen möchte, der muss nichts weiter tun. Außer vielleicht, sich gegen Abend, wenn alle Menschen weg sind, auf eine Wanderung zu begeben.
Die Teufelsschlucht befindet sich im Felsenland der Südeifel, am östlichen Rand des Ferschweiler Plateaus. Sie entstand, im Gegensatz zur Spatenschlucht in Schwetzingen, auf natürlichem Wege, verursacht durch Felsstürze vor rund 10-12 000 Jahren, als sich Meere an dieser Stelle ausbreiteten.
Die Felsen der Teufelsschlucht sind zur Stein gewordener Meeresboden.
Traumschleife Oberes Baybachtal
Pechschwarzes Wasser windet sich im Baybachtal, und der Ort will einen nicht mehr loslassen. Lange, lange könnte ich dort stehen und der Baybach beim leisen Plätschern zusehen. Und nimmt man sich genügend Zeit, so kann man seltsames entdecken. Im Holz erstarrte Figuren, die zum Leben erwachen, sobald man seinen Blick abwendet. Diesen Waldkobold hier habe ich gerade noch erwischt, als er aus dem Wasser klettern wollte. Eine spindeldürre Hand mit Krallen ist schon draußen, gut, dass ich rechtzeitig kam.
Na wer wird denn hier wegspazieren wollen?
Bäume sind statisch und fest im Boden verankert. Sie wechseln nicht Ort und Stelle und, einmal irgendwo hineingewachsen, verbringen sie ihr gesamtes, unter Umständen sehr langes Baumleben dort. Doch an Halloween passieren seltsame Dinge. „Hold my beer“, denkt sich dieses noch relativ junge Exemplar und straft all mein geglaubtes Wissen Lügen. Stumm vor Staunen stehe ich da und schaue zu, wie mir eine Wurzel noch einmal zum Abschied zuwinkt und in den Tiefen des Pfälzer Waldes verschwindet auf der Suche nach einem sonnigeren Standort.
Die Geschichte ist wirklich so passiert, der Baum heißt Achy und wir stehen heute über Twitter in gutem Kontakt miteinander.
Gesichter im Baum
Seltsame Formationen. Die Natur erstaunt immer wieder. Und nirgendwo entdeckt das menschliche Gehirn so viele Gesichter wie bei einer Wanderung im Grünen, wo sich der Blick schärft und wo der Kopf zur Ruhe kommt. Drei Menschenseelen, in einen Baumstamm gesperrt. Oder, auf Foto zwei, einen grinsenden Halloweenkürbis (das Bild habe ich tatsächlich vor genau zwei Jahren in Oktober aufgenommen). Und jetzt sagt mir, dass ihr da keinen Kürbis sieht…
Jetzt hast Du es geschafft, dass ich Schiss habe allein durch den Wald zu latschen!
Bäume mit Gesichtern, Bäume die hinter einem her laufen, Äste die nach einem greifen!
Das erinnert mich an die Kurzgeschichte „die Triffids“, die auch als zweiteiler verfilmt wurde.. Huh, das waren auch böse Pflänzchen, die es nach einem guten Schluck Menschenblut dürsteten.. 🙁
Werde demnächst jetzt immer ein funktionierendes Feuerzeug dabei haben, wenn ich durch den Wald tapere um mich vor Flora zu schützen, die auf Stunk aus ist – „Hömma, willste Stress? Riech mal an meinem Feuerzeug – mach so weiter und Du bist Asche!“.. 🙂
LG
P.
Also nein, der Eindruck täuscht. Die Bäume laufen einem nicht nach, sie laufen vor einem weg. Vor allem vor mir, weil ich angedroht habe, einen Flugbesen aus ihnen zu machen… 😉
Flugbesen aus Holz.. tss.. wie Old Fashioned – die Hexe von Heute fliegt auf einem Vorwerk Kobold durch die Lüfte und kocht auf dem Blocksberg ihre Zaubertränke im Thermomix… 😉
Nein neeein, die Hexe von heute ist nachhaltig und umweltbewusst, und das bedeutet: back to the roots 😉
Ich sehe schon: du bist schon richtig tief in deine neue Wohnumgebung eingetaucht. Faszinierend Fotos und Geschichten hast du mitgebracht. Und besonders die S/W-Fotos sind klasse. Ja, mir ist auch schon aufgefallen, was für Gesichter sich da bisweilen in den Bäumen verbergen und wie oft Krallen unten am Boden nach mir greifen wollen.
Ich stelle mir gerne vor, dass es Kobolde sind, die sich in Holz verwandeln, sobald jemand vorbeiläuft – um unentdeckt zu bleiben 🙂
Klingt plausibel 😎
Ja, das finde ich auch 🙂
Du bist ja viel unterwegs und bringst schöne Bilder mit. Das ist nicht so meine Gegend. Gefällt mir aber trotzdem.
LG Harald
Je mehr ich in Deutschland unterwegs bin, umso faszinierter bin ich darüber, was in diesem Land so verborgenes schlummert. Die Wälder sind voller verborgener Schätze und Geschichte. Auf manches stößt man nur durch Zufall. Ich bin dankbar für alles, was ich schon sehen durfte.
Wirklich sehr bemerkenswerte Orte, die Sie uns hier zeigen. Es würde mir keine Angst machen, denn ich liebe Wälder wirklich, auch wenn ich gerne zugebe, dass sie bei Einbruch der Dunkelheit eine ganz andere Dimension annehmen 🙂 Frohes Halloween euch beiden.
Frohes Halloween auch Ihnen. Wälder sind toll, vor allem gibt es hier in Deutschland kaum mehr etwas, wovor man sich fürchten könnte. Ich habe heute Abend eine Horde verkleideter Menschen gesehen, das war furchteinflößend 😉