Der stille Herbst. Keine andere Jahreszeit ist so farbig, so prächtig, keine andere Jahreszeit genieße ich so sehr. Wenn die Temperaturen sinken und sich Wolken wie Krallen um die dunklen Berge drapieren. Wenn das Licht sich wandelt. Die Landschaft erscheint wie ein Traum aus Sepiatönen. Wie eine alte Fotografie. Der trockene Mais. Das feurige Laub. Die Blätter der Apfelbäume wie blutrote Tropfen, verkrümmt sein Stamm am Wegesrand. Die Straße schwingt sich in sanften Kurven, hier ein Stück grünlicher Mauer im Wald, da ein abgeerntetes Feld. Eine Krähe, die auf einem Zaunpfahl wartet, nur ein schwarzer Umriss, der Schnabel eine gebogene Kontur.
Wie ein Waldbrand ist der Farbwechsel, hatte ich irgendwann geschrieben. Nun ist es soweit und wir sind mittendrin. Großflächig fängt die Vegetation Feuer. Die Baumspitzen verwandeln sich in leuchtende Fackeln. Aus meinem Fenster im Bad Wildbadener Hotel sehe ich, wie wattegraue Wolken über die Berge klettern, den Baumreihen in hellen Fetzen entsteigen und den Eindruck des Waldbrandes verstärken. Oder einem langen Band ähnlich sich gleich über mehrere Gipfel und Täler legen. Manchmal drückt aber nur eine einzige dicke Wand aus grauer Watte auf die Baumwipfel, dicht und undurchdringlich wie Stephen Kings „Nebel“. Verschluckt Kirchturmspitzen und ganze Berge. Wird aufgewirbelt von vorbeifahrenden Autos. Wie meinem.
Nicht für mich ist eine stille Wanderung, nicht für mich einsame Stunden in der Natur. Nicht dieses Mal. Manchmal ist es so. Diese Phase, die schönste Phase des Herbstes, wenn alles Feuer fängt – manchmal verpasse ich sie. Von Weitem sehe ich dann zu, aus der Bewegung heraus, wie der Himmel dunkel und die Landschaft irgendwie taupe aussieht. Ganze Landstreifen, die plötzlich von einem verirrten Sonnenstrahl, der nicht hier sein durfte, zum Leuchten gebracht werden. Nass glänzende Straßen. Es regnet ununterbrochen. Manchmal ist es ein leiser Nieselregen, der totes Laub benetzt. Manchmal ein wilder Regenfall, bei dem der Himmel sich öffnet und alles nass und ungemütlich macht. So ist er eben, der Herbst.
Dieser Himmel, wolkenverhangen und regnerisch, verhindert meine Pläne für dieses Mal. Den Baumwipfelpfad wollte ich abgehen, wie auch die Hängebrücke. Nichts davon wird dieses Mal stattfinden, leider. Stattdessen hänge ich im Hotel, unter einer dicken Decke verkrochen, auf zwei dicke Kissen gestützt, Bier in der einen und Chips in der anderen Hand. Oder vielleicht hätte ich nicht so zimperlich sein sollen?
Wie dem auch sei. Es ist auch eine Zeit zum Einkuscheln zu Hause. Egal, wie windgeschützt der Balkon ist, egal, wie überdacht die Terrasse – alleine die feuchte, klamme Luft macht einen Aufenthalt draußen ungemütlich. Nur kurz wird das schöne Leuchten des Herbstes anhalten, und dann fangen die ersten Weihnachtsmärkte an. Die Weihnachtszeit über betören uns die Weihnachtsplätzchen, betäubt der Glühwein. Frohe Weihnachten, guten Rutsch. Prost. Ein gutes Neues Jahr. Ziele. Pläne. Ein weiteres Jahr beginnt.
Äh, irgendwie zu früh abgeschickt 🙈. Wunderschön geschrieben, liebe Kasia!
Dankeschön 🙂
Ja, wenn der Herbst sonnig und bunt daherkommt, mag ich ihn auch. Bei feuchtkaltem Schmuddelwetter hingegen ist ein gemütliches Hotelbettchen in Gesellschaft von Chips und Bier die deutlich bessere Wahl 😎. Wunderschön geschrieben
Vielen Dank. Die Szenerie war faszinierend, doch es war mir einfach zu nass. Ich warte einfach bis nächstes Jahr, der Schwarzwald läuft mir nicht weg 🙂
Mit Weihnachten bist du aber schon ein paar Schritte voraus 😉.
Hatte ich schon mal erwähnt, dass ich Stephen King Fan bin?
Nein, hast du nicht, aber nachdem du auf einer deiner Reisen einem mordlustigen Alien begegnet bist, hätte es mir dämmern sollen *lach*
Schade, dass das Wetter nicht mitgespielt hat. In Bad Wildbad kann man schön wandern. Den Baumwipfelpfad und die Hängebrücke habe ich noch nicht besucht. Es soll ganz schön teuer sein.
Wir wandern meistens vom Murgtal aus über den Kaltenbronn und den Wildsee zur Grünhütte (schau mal hier: https://gsharald1.wordpress.com/2018/09/19/wir-waren-wieder-wandern-grnhtte/ ca. 10 km.
Ich will mich nicht beklagen, die letzten Jahre hatten wir einen langen, goldenen Herbst. Kann nicht immer so sein 😉 Danke für den Tipp.
Nebel kann sicherlich ein Mehrwert sein, wenn man in die Natur geht, aber tiefhängende Regenwolken und Niederschläge sind etwas ganz anderes. Dann suchen Sie eher die wohlige Wärme im Innenbereich….
Eine Nebellandschaft ist wunderschön anzusehen, zu lange unterwegs zu sein möchte man aber nicht 😉