November 2021
Oder: der schnellste Weg, um weg vom Markt zu sein…
„Gefällt es dir?“ Fragt mich eine der Frauen, die mich bis eben mit einem Handschuh geschrubbt und mit Kaffeepeeling ausgiebig massiert hat. „Ja.“ Übersetzt Fee meine Antwort. „Es gefällt ihr sehr.“
Die Frau sagt: „Sie gefällt uns allen auch sehr. Hat sie nicht vor, zu heiraten?“
So schnell kann es gehen in einem türkischen Hammam. Nicht genug, dass ich so weich bin, dass ich scheinbar keine Hornhaut mehr besitze, nein, jetzt könnte ich sogar von der Bank weg weggeheiratet werden, wenn ich das denn wollte. Denn die Schwiegermütter in Spe haben ihre Ware schon längst ausgiebig unter die Lupe genommen…
Im Zeichen des Wellness
Heute ist Entspannung angesagt. Viel haben wir nicht vor an diesem trüben und windigem Tag. Uns verwöhnen und massieren lassen – wie Königinnen eben. Anschließend abends ausgehen. Ebenfalls wie Königinnen. Und ich, ich möchte die einmalige Erfahrung eines türkischen Bades machen, jenseits von Nepp und touristischen Wucherpreisen. Ein Bad, das nicht allzu teuer, vielleicht auch nicht besonders schön oder historisch wirkt, doch eines, in das die Istanbuler Frauen regelmäßig gehen, um unter sich zu sein. Tja, und das habe ich jetzt davon.
Eine der Damen, die in unserem Hotel arbeitet, empfiehlt uns „eine gute Adresse“, wie sie sagt. Nur zwei Haltestellen weiter, schon sind wir vor Ort. Draußen noch schnell eine Rauchen (meine Freundin…) und dann hinein in die Wärme.
Das Hamam 65 befindet sich in einem Einkaufszentrum, die Preise sind erschwinglich. Der Aufenthalt ist regulär auf drei Stunden begrenzt, doch selbst in dieser Zeit lässt sich unglaublich viel erleben. Da ich noch nie in so einer Einrichtung war, lassen wir uns von der Dame vom Empfang einweisen; als erstes bekommen wir Handtücher und Schlüssel für unsere Spinde ausgehändigt. Zum Standardangebot sind zusätzliche Anwendungen buchbar wie das Abschrubben mit einem Frotteehandtuch, Ölmassage oder ein Kaffeepeeling. Die Nutzung von Sauna und Swimmingpool, Dampfbad und Whirlpool ist inclusive. Corona ist, wie ich schon anderorts in Istanbul beobachten konnte, nicht existent. So ist hier auch das Dampfbad in Betrieb. Die türkischen Frauen sind unter Umständen etwas schamhafter im Umgang miteinander als das in Deutschland der Fall wäre, also gibt es abschließbare Umkleide- und Duschkabinen.
Zunächst begeben wir uns in ein Dampfbad, das so heiß ist, dass es mir den Atem nimmt. Dann ist die „normale“ Sauna dran, die wiederum nicht so heiß ist wie erwartet. Schon werden wir zu unserer Anwendung gerufen.
Bereits beim Vorbeigehen konnte ich einen Blick in die „verbotenen Räume“ werfen, wo Frauen in einer Schaumwolke liegen und sich mit Frotteehandschuhen kräftig abreiben lassen. Eben das erwartet uns jetzt. Doch bevor es soweit ist, erzähle ich noch dies und das über den heißen Stein. Es ist ähnlich wie man es vielleicht schon gesehen hat, die Steinplatte ist beheizt und man kann sich auf einem Handtuch ausstrecken und entspannen. An den Wänden sind Marmorbecken angebracht; Schüsseln aus Plastik dienen dazu, sich das Wasser zum Waschen und/oder Abkühlen über den Körper zu gießen. Man befüllt sich „sein“ Marmorbecken mit Wasser und kann sich dann reinigen. Es gibt Frauen, die ihr morgendliches Baderitual hier verrichten. Und warum auch nicht; frau ist unter sich, hat seine Ruhe, keine Kinder, die quengeln oder Männer, die nörgeln. Da lässt sich gut eine Auszeit nehmen.
Jetzt liege ich auf einer Liege, habe mein Handtuch abgelegt und sogar meinen Spindschlüssel vertrauensvoll an eine „meiner“ Masseurinnen ausgehändigt. Ich lasse mich mit Waser und Seifenlauge behandeln. Die Lauge weicht die Hornhaut auf und mit dem Frotteehandschuh wird der Körper abgerieben. Die Frau, die mich behandelt, rubbelt so kräftig, dass ich schon Sorge habe, es bleibt am Ende nichts mehr von mir übrig. Hm, ob so eine Anwendung wohl das Richtige ist für meine pergamentzarte, osteuropäische Haut?
Was soll’s, die anderen halten auch alle durch. Vor allem, da jetzt nach dem Handschuh körniges Kaffeepeeling dran ist. Damit werden wir, Fee und ich, so lange und ausgiebig massiert, das sich mich fühle, als hätte ich keinen Knochen mehr im Leib.
Das Kaffeepeeling ist nicht schwer herzustellen. Es handelt sich dabei um nichts weiter als getrockneten Kaffeesatz, der mit Öl versetzt wurde (so mein Eindruck, die Körnchen fetteten meine Haut schön ein). Das Öl hinterlässt zarte, weiche Haut. Die eigentliche Ölmassage kommt nun. Und während sich Fee fröhlich mit den Damen unterhält, liege ich da, nichts verstehend, und komme mir vor wie ein Möbelstück. Außer wenn mir meine Freundin hin und wieder etwas übersetzt, so wie jetzt.
Zwischendurch steckt eine andere Kundin ihren Kopf in den Raum und fragt „unsere“ Damen spielerisch, warum sie ihr fremdgehen würden. Daraufhin erklärt uns eine von ihnen: „Tja… wir lieben eben unsere Gäste.“
Schwiegertochter gesucht
„Gefällt es ihr?“ Will eine der Frauen wissen. Ja, sehr, lasse ich übersetzen. „Sie gefällt uns auch sehr.“ Sagt die Frau, die Fee gerade massiert. Sie hat rote Bäckchen und strahlende Augen. Dann, mit Blick auf mich: „Sie hat uns alle verzaubert.“ Ob ich nicht vorhätte, zu heiraten? Denn da gäbe es einige, die interessiert wären…
Einige potentielle „Schwiegermütter“, will sie damit sagen. Schnell behaupte ich, verlobt zu sein. Fees Masseurin schaut bedauernd drein.
Nun aber kommt die Ölmassage. Und wieder kümmert sich „meine“ Dame gefühlt stundenlang um meinen Körper. Jetzt gehöre ich aber zu den Menschen, die sich nur schwerlich entspannen und Wellnessanwendungen hingeben können. Ein Hauch schlechten Gewissens schwingt immer mit und lässt sich nicht vertreiben. Unwillkürlich muss ich daran denken, wie sehr wohl dieser Job die Handgelenke der Frauen belastet.
Doch als Entschädigung darf mich die Masseurin ein wenig herumkommandieren. Wir verstehen uns ohne Worte, Sprachkenntnisse sind nicht vonnöten. Schnell begreife ich, ob ich rauf, runter, liegen oder sitzen soll. Erst ganz zum Schluss, als ich bereits weich bin wie eine Wolke, kommt die Sache mit den großen Mengen Seifenschaum, der meinen Körper umhüllt. Damit werden Reste von überschüssigem Massageöl entfernt und ich fühle mich wie ein seifennasser Schneeberg. Die Damen wollen nochmals wissen, ob es uns gefallen hat. Und ich bin so entspannt, dass ich kaum laufen kann.
Wir entspannen im Whirlpool, umgeben von Blubberbläschen. Und dann – ja, dann ist die Zeit, sich langsam auf den Weg zu machen. Fast zwei Stunden hatten wir hier verbracht, und uns geht es nun richtig gut.
Eine der anderen Gäste, die Dame, die schon zu Beginn auffällig unauffällig um mich herum geschlichen ist, ist nun wieder da. Eine der potentiellen „Schwiegermütter in Spe“, wie ich vermute. Sie macht mich auf das Geld aufmerksam, das mir scheinchenweise aus der Hose zu fallen droht, und ermahnt mich, gut aufzupassen. Überhaupt werden wir häufig von der hiesigen Bevölkerung gemahnt und gewarnt, wenn ein Handy aus der Tasche schaut oder eine unserer Taschen gar offen steht. So dass ich irgendwann zu dem Schluss komme, dass es weit mehr ehrliche Menschen in diesem Land gibt als Diebe.
Wieder draußen fühlen wir uns komplett entspannt und schlendern legeren Schrittes voran. Auch wenn wir ursprünglich vorhatten, einen Bus zurück zu nehmen, so hat sich das Laufen inzwischen verselbständigt. Und selbst der kalte Wind und das Nieselwetter stört uns nicht wirklich. Ich finde es schön, wie mich Fee auf Besonderheiten des täglichen Lebens aufmerksam macht, auch wenn meine Aufmerksamkeit so nach und nach schwindet.
Der Friseur des Grauens
Die Zeichen stehen heute auf Schönheit und Relax. Ich will zum Friseur, Spitzen schneiden und meinen Schnitt auffrischen lassen. Als Krönung des Tages sozusagen. Das ist ein Fehler.
Als die Friseurin nicht wirklich zuhört, was ich von ihr will, mache ich mir noch nicht wirklich Sorgen. Als sie sofort mit einer Schneidemaschine an mein Haar geht, schon eher. Als „Spitzen schneiden“ im Endeffekt rund fünfzehn Zentimeter Längenverlust bedeuten, schaue ich atemlos, dann traurig auf den Boden. Da liegt sie, meine lang und sorgfältig gezüchtete Haarpracht und wird gerade von einem Besen auf eine Schaufel gekehrt. Und ich bin wieder schulterlang unterwegs.
Doch als die Friseurin schließlich das erste Mal eine Schere in die Hand nimmt, erfüllt mich nacktes Grauen. Sie hält die Schere in ihrer Hand wie einen Fremdkörper. Links und rechts bekomme ich „Treppenstufen“ verpasst. „Das wolltest du doch so?“ Ähm… nee-ein??!
Ich protestiere. Lauthals. Wer mich persönlich kennt, weißt, dass ich so gut wie nie bei einem Dienstleister protestiere. Doch das hier… ist zu schrecklich. Zum auf-den-Boden-werfen-und-heulen. Wie ein Wolf. Die Chefin schaltet sich höchstselbst ein und behebt den Schaden. Währenddessen zieht „meine“ persönliche Höllenfürstin beleidigt ab und macht sich an einem anderen, armen Kopf zu schaffen.
Meine Wellnessentspannung wurde soeben mit meinem fünfzehn Zentimeter Haar von dannen gefegt. Als Trost zieht mich Fee in die Geschäfte.
„Hier, du wolltest doch Henna?“ Wir kaufen Henna. „Du wolltest doch Leggins?“ Wir kaufen Leggins. Bei so viel Trost habe ich mich recht schnell mit meinem Schicksal ausgesöhnt.
Ein Besuch im Hamam gehört wohl einfach dazu. Wie gut, dass du dort eine Portion Entspannung tanken konntest. Wer weiß, wie du sonst reagierst hättest auf das krasse Erlebnis beim Friseur. 15 cm, nachdem du Spitzenschneiden erbeten hast 😱? Die Schnipplerin muss wirklich einen schlechten Tag gehabt haben. Oder ihr Englisch hat nicht gereicht, um zu erfassen, was du meintest. Wenig tröstlich, aber wahr: Haar wächst! Mittlerweile ist ja fast ein Dreivierteljahr seit eurer Reise vergangen und der „Schaden“ dann wohl so gut wie behoben.
Mittlerweile ist das Haar richtig lang geworden. Die wachsen bei mir schnell. Das Blöde war, dass die Dame nicht zuhören WOLLTE. Noch ehe meine Fee mit der Instruktion (auf türkisch, wohlgemerkt) fertig war, wurde ich zum Sessel gezerrt, nach dem Motto: „Hinhocken, Klappe halten, ich weiß schon, was du haben willst.“ Wie zur Kommune… 😉
Ah, ok, dann fällt die Ausrede mit der sprachlichen Verständigung ja flach. Die Dame war dann einfach unaufmerksam und/oder unwillig. Aber zum Glück ist das ja jetzt Geschichte und die Haarpracht wieder nachgewachsen.
Ja, und die Tränen getrocknet 😉
Hi Kasia,
Na, dann sollte ich wohl auch mal ein solches Badehaus aufsuchen – Nein, nicht um dann auch schnell weg vom Markt zu sein. Mein glückliches Single-Dasein würde ich um nichts in der Welt mehr hergeben – aber da könnte ich vielleicht die zahlreichen Kaffeebohnen-Leichen aus meinem Vollautomaten noch Gewinnbringend verkaufen. Wusste gar nicht, dass das Zeug für ein Peeling geeignet ist – muss ich direkt mal ausprobieren..
Dier Hang dazu andere verkuppeln zu wollen ist mir allerdings auch bei deutschen Frauen aufgefallen – ich glaub, das ist so ein typisches Frauending – wie der Nestbautrieb.. 😉
Bleib gesund!
CU
P.
Also na ja, bisher habe ich EIN MAL jemanden verkuppelt. Also bitte, ja? Nur EIN MAL… (aber die haben sich inzwischen getrennt, räusper…). Ansonsten, ja, auf jeden Fall, es ist eine interessante Erfahrung, die ich empfehlen kann. Man lernt Land und Leute ein wenig besser kennen, und vielleicht auch näher als einem lieb ist 😉
Lg Kasia
Haha, ja, dein „BAD HAIR DAY“ war wohl eine ziemlich „einschneidende“ Erfahrung.. 🙂
Jaja, traue keinem Friseur… 🙂
Uh….15 cm…uff.
Aber der Wellnessteil klingt wirklich von innen nach aussen gekehrt und wieder zurück gestülpt. Richtig entspannend. Aber auch bisschen heftig mit rubbeln und schrubben. Wahnsinn. Sowas braucht Frau auch mal.
Ja, hin und wieder muss man sich einfach ein- und fallen lassen 🙂 die gingen da nicht gerade zimperlich mit einem um, andererseits hat es auch nicht geschadet. Meine Muskeln haben es heile überstanden…
Was den Friseurbesuch betrifft… grrr… ich hab so die Vermutung, dass die meisten Damen dort es, anders als hier, nie „richtig“ gelernt haben… aber wie gesagt, ist nur eine Vermutung.
Ja – die Vermutung liegt nahe. Man geht ja meist zum Quatschen hin.😉
Oh, die haben viel gequatscht… meist über mich, wie sich herausstellte *schnief* Wenn ich nicht aufgepasst hätte, käme ich von dort um einen Ehemann, fünf Kinder und eine Schwiegermutter wieder raus… 😉
So witzig…..also für mich….für dich ja auch, jetzt wo du aus der Heiratsfalle raus bist…hihi…
Mich hat mal ein Aushilfsarbeiter angesprochen. Er hätte einen Freund in Marokko, er wäre Polizist der würde eine Frau suchen. Er würde auch nach Deutschland ziehen. 20 Jahre jünger, aber das wäre kein Problem…hihi…
Oh bloß Finger weg 😉
Nene. Bin ja in festen Händen und was soll ich mit so einem Jungen Kerl. Viel zu anstrengend 🙃
Da hast du Recht, richtig so 😉
😄
Hallo Kasia,
das ist wieder ein sehr interessanter Bericht über einen erlebnisreichen Tag. Ich war bisher der Meinung, dass ein Hamam den Männer vorbehalten sei. Wieder was gelernt.
Wird die Behandlung die ihr erfahren habt auch von der „normalen“ türkischen Frau benutzt oder ist es eher die reichere Schicht, die sich mit Schaum usw. verwöhnen lässt.
Das mit der Friseuren ist ärgerlich. Mich würde interessieren, wie die Chefin den Schaden behoben hat. 10 cm wieder ankleben geht ja wohl nicht.
Was tut Frau, wenn sie gefrustet ist? Einkaufen. 😉
Liebe Grüße
Harald
Hi Harald,
also, Schaden behoben… hm… sie hat die „Treppenstufen“ um mein Gesicht herum wieder in einen „normalen“ Schnitt verwandelt, was die Länge betrifft, die Haare wachsen ja nach. Rückblickend also halb so schlimm 😉
Die körpernahen Dienstleistungen wie Hamam, Friseur und Waxing sind in der Türkei sehr erschwinglich, da geht auch die „Durschnittsfrau“ regelmäßig hin. Es gibt separate Hamam (und in der Regel auch separate Friseure) für Frauen und Männer.
Lg Kasia
Zwischen „Spitzen schneiden“ und 15 cm ist ein weites Feld 😱
Wenn das auf dem Foto das Ergebnis ist – sieht hübsch aus.
Und was hat deine Haut nach dem Schruppen gesagt?
Meine Haut hat sich komischerweise nicht beschwert, es scheint ihr gut ergangen zu sein 😉 Ja, meine fünfzehn Zentimeter habe ich vermisst. Schlecht sah das am Ende nicht aus, aber erst, nachdem die Chefin selbst Hand angelegt hatte. Vorher – Katastrophe. Doch was mir wirklich Sorgen gemacht hatte war, als meine Freundin erwähnte, das sei so „Standard“… *grusel*
War sehr entspannte Tag, bis auf Frisur 🙂
Ja, meine Liebe, den Friseur streichen wir nächstes Mal einfach, keine Experimente mehr 😉
Was für ein Erlebnis…. Danke für diesen Blick hinter die Kulissen 🙂
Ja sehr gerne! So ein typisches, türkisches Hamam wollte ich unbedingt einmal erleben.