Schon ab den ersten Seiten wird klar: das Buch ist nicht gut für mich. Nicht jetzt, nicht in der aktuellen Situation. Ich plane mit Franziska, ich schwanke mit Franziska, bin mit ihr unsicher und mutig zugleich. Und ich fühle ihren Herzschmerz nach, ihren innigen Wunsch, die Welt zu erkunden. Das Buch weckt etwas, was in letzter Zeit eingeschlafen war, notgedrungen zur Seite geschoben wurde, um im Laufe der Wochen, der Monate mit einer dicken Staubschicht bedeckt zu werden. Meine Sehnsucht nach dem Reisen. Das viel zitierte Fernweh.
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Eines schönen, sonnigen Nachmittags irgendwann in März klingelt es an meiner Tür. Ich weiß nicht, ob es wirklich sonnig war. Doch in meiner Erinnerung war es das, denn kurze Zeit später halte ich meine sehnlichst erwartete Buchsendung in der Hand: „Ins Nirgendwo, bitte!“ von Franziska Bär. Sorgfältig und handschriftlich von Liane von „Die Reiseeule“ an mich adressiert.
Doch wie kommt das? Ganz einfach. Zum fünfjährigen Jubiläum ihres Blogs „Die Reiseeule“ hat die liebe Liane ein Büchergewinnspiel veranstaltet. Es gab zudem Sachertorte in Form einer Eule (neein, die wurde nicht per Post verschickt, schnief).
Drei Buchtitel standen zur Verlosung: außer Franziska Bär gab es da noch „Fettnäpfchenführer Köln“ von Monika Sandmann und Dirk Undelhoven, und von Markus Lesweng „How to kill youself dahein“, eine Fortsetzung nach dem großen Erfolg von „How to kill youself abroad“. Wer an der Verlosung teilnehmen wollte, durfte sich einen potentiellen Buchtitel aussuchen und in ein paar kurzen Sätzen erklären, wieso es gerade dieses Buch sein sollte. Unter den Teilnehmern hat Liane mit einem Zufallssystem die drei Bücher ausgelost. Das „How to kill yourself…“ hat mich schon sehr gereizt, da ich hinter dem Titel leichte Unterhaltung voller bösen, schwarzen Humor vermutete. Doch gegen den Traum eines Mädchens, die mit ihrem Partner den Rucksack schnürt und die Mongolei bereist, verblasste alles andere.
Es war wohl ein spontaner Gedanke, mich da einzuschreiben. Denn mal ehrlich: gehört ihr auch zu den Leuten, die von sich sagen, dass sie nie etwas gewinnen? Ich auf jeden Fall. Ich habe noch nie etwas gewonnen, zumindest kann ich mich nicht daran erinnern. Bis heute. Bis mir die liebe Liane eine unerwartete Mail schickt. „Liebe Kasia, du hast gewonnen.“ Ich reiße die sorgfältig beschriftete Packung auf und halte mein Wunschbuch in den Händen, bereit, mit auf die Reise zu gehen.
Kommt denn das Wort „Sehnsucht“ nicht von Sucht? Die Sucht und das Sehnen. Nach der blauen Ferne. Und als ich das Buch in die Hände kriege und beginne, darin zu blättern, bin ich neidisch. Neidisch – weil sich Franziska und Felix genau diesen Traum erfüllt zu haben schienen.
Doch schnell wird aus dem Neid Hochachtung, während ich mich durch die Vorbereitungen der beiden wühle. Durch Franziskas Ängste, Träume. Die Reise der beiden beginnt lange bevor sie in den Flieger steigen. Sie planen. Kaufen ein. Überlegen. Wägen ab. Und der Leser ist von Anfang an dabei. Das Ziel der beiden ist klar: sie wollen die Mongolei erkunden, zu Fuß, nur auf sich gestellt. Am besten noch die einsamen, am wenigsten belebten Flecken des riesigen Landes. Und so grenze sie den Westen für sich ein. Keine festen Pfade, kaum Menschen. Nur leere Steppe, möchte man meinen. Ein Wahnsinns-Vorhaben, das sorgfältig geplant werden möchte.
Denn die beiden ziehen nicht einfach so los, fliegen nicht naiv ins Blaue. Was sich nach großer Freiheit anhört, klingt bei näherem Hinschauen für mich vielmehr nach akribisch kalkuliertem, dennoch hohem Risiko. So vieles kann dabei schief gehen. Lebensmittelrationen müssen berechnet, Gewicht eingespart, Ausrüstung sorgfältig gewählt werden. Was vergessen wurde, lässt sich nicht einfach so per Amazon-Drohne nachordern. Nicht in der Mongolei. Und wenn dies doch möglich wäre, würden sich die beiden Abenteurer wohl ein anderes Reiseziel aussuchen.
Dann folgt natürlich nach der Frage: „Wie überleben wir das?“ eine weitere, nicht minder wichtige: Wie übersteht die Beziehung die Reise? Franziska und Felix sind über drei Wochen lang allein in der Wildnis, sie sind nur auf sich gestellt und voneinander abhängig. Beide sind unabhängige, freiheitsliebende Menschen; „freie Geister“ sozusagen. Zudem noch nicht lange zusammen. Wie wir das enden?
Entweder hopp oder flopp, die beiden wagen das Risiko. Sie werden durch wundervolle Landschaften belohnt und unfassbare Mühen gegeißelt. Sie erleben Gastfreundschaft, treffen aber auch auf Ablehnung, die sie nicht gleich verstehen. Sie gehen über ihre Grenzen hinaus. Und erkennen, dass sie sich nicht nur aufeinander verlassen können, sondern mit keinem anderen eine solche Reise absolvieren möchten als zusammen.
Wie hat mir das Buch gefallen?
Hm, ich muss sagen, ich tat es mir schwer mit einer Kritik. Nachdem ich das Buch zu ende gelesen habe, lag es noch eine ganze Weile in der Ecke, ehe ich mich zu einer wie auch immer gearteten Rezension aufraffen konnte. Warum? Weil ich weiß, dass Franziska Bähr keine professionelle Autorin ist. Großen Respekt hatte ich davor, was das zierliche Mädel geleistet, wieviel Mut sie bewiesen hat. Nur schwer konnte ich mir den riesigen Rucksack auf ihrem Rücken vorstellen. Man braucht eine starke Persönlichkeit, um solche Abenteuer durchzustehen, man braucht Vertrauen, um da wieder heile heraus zu finden.
Ich las das Buch in der Wohnung, ich las es auf der sonnigen Terrasse im Garten. Immer tiefer stampfte mein Geist durch die Mongolische Steppe. Zwischendurch hatte ich, zugegeben, einen leichten Hänger, obwohl die Art des Schreibens eine sehr flüssige ist.
Natürlich ist der Schreibstil mit dem hochkarätiger Autoren nicht vergleichbar. Doch das sind Bücher von Bloggern eher selten. Es ist bildhaft geschrieben, manchmal sehr emotional. Vieles dreht sich dabei um das Verhältnis der beiden zueinander, um Franziskas Befürchtungen und Hoffnungen, was ihre Beziehung zu Felix betrifft. Ja, das Thema Beziehung dominiert den Plot, fast schon zu sehr für meinen Geschmack. Die Beschreibung der Landschaft, der Begegnung mit den Nomaden, und ja, auch die der Reisevorbereitungen habe ich sehr gerne gelesen. Zum „Testlauf“ der beiden am Rhein (mehr dazu im Buch…) habe ich eine eigene Theorie entwickelt: der Körper wird nichts schaffen, wenn er es nicht muss. Erst die Notwendigkeit, zu Handeln, lässt uns unvorstellbare Leistungen vollbringen. Wie beinahe am Ende der Reise, als etwas unvorhersehbares geschieht und das Schicksal beider einzig auf Franziskas Rücken ruht…
Leseempfehlung: passend zum Buchtitel kann ich euch den gleichnamigen Reiseblog der beiden ans Herz legen. Auf „Ins Nirgendwo, bitte!“ gibt es Abenteuer wie Afrika-Trips, Wanderungen durch die Alpen und unglaubliche Erlebnisse in Georgien (habt ihr gewusst, dass es in Georgien Hyänen gibt?) Unbedingt lesenswert.
Hm, so gerne ich Reiseberichte aller Art lese – auch solche über Unterfangen, die ich selbst eher nicht in Angriff nehmen würde: deine Anmerkung, dass das Beziehungsthema stark im Vordergrund steht, wird mich wohl davon abhalten, es zu lesen. Das ist was, was ich in Reisebüchern so gar nicht lesen will 😅. Wie gut aber, dass die Geschmäcker verschieden sind. Und so wünsche ich der Autorin viele interessierte und begeisterte Leserinnen und Leser!
Liebe Elke, abhalten möchte ich damit wirklich keinen, denn wie gesagt, Geschmäcker sind eben verschieden. Viele mögen dieses emotionale an solchen Geschichten, und es dreht sich viel um die Relation der beiden zueinander und wie man gemeinsam die Herausforderung der Reise meistert. Es ist aber nicht kitschig-romantisch. An manchen Stellen romantisch. Vielleicht hast du bei Amazon oder so die Möglichkeit, mal selbst kurz auf Probe reinzulesen 🙂
Liebe Kasia,
nur wer die Sehnsucht kennt, weiß wie ich leide (Zitat), beschreibt am besten mein derzeitiges Gefühlsleben. Trotzdem habe ich nicht so viel Fernweh, dass ich freiwillig zu Fuß mit dem Rucksack durch die Mongolei wandern würde.
Darüber lesen schon eher. Ein Kollege meines Mannes ist einer Mongolin (sagt man so?) verheiratet und hat uns viel über das Land berichtet. Wanderer sind da doch eher ganz selten.
Ich habe den Folgeband der Autorin „In Deutschland um die Welt“ gelesen. Er soll mir helfen, mein Fernweh dieses Jahr auch in der Heimat zu stillen.
Liebe Grüße
Renate
Liebe Renate,
ja, ich glaube, Mongolin ist richtig 🙂 Was Franziska erlebt hat, ist schon sehr, sehr mutig. Und abenteuerlich. Mit dem Rucksack allein, ein solches Unterfangen erlaubt keine Fehler. Ehrlich gesagt, ich würde das auch nicht machen. Darüber lesen und träumen, was wäre wenn, ja gerne.
Ich habe deine Buchrezension schon gesehen 😉 Ich bin da allerdings zwiegespalten, deshalb habe ich (noch) nichts geschrieben. Ich erkenne den Nutzen der vielen Deutschland-Tipps durchaus an, besonders in der jetzigen Lage, in einer Zeit, in der wir kaum reisen können. Und vermutlich werde ich dem einen oder anderen Tipp nachgehen, denn solche „exotischen“ Orte wie die Äffchen, die am Affenberg Salem leben, afrikanische Festivals in Würzburg (kannte ich bisher nicht) oder auch ein Serengeti-Park mitten in Brandenburg, das ist alles unglaublich spannend.
Es täuscht nur nicht darüber hinweg, dass es eigentlich die große, weite Welt ist, die ich sehen möchte, nicht etwas, das es bei uns gibt und das „nur“ so aussieht wie das berühmte XY.
Aber da das reisen vorher gestrichen ist, ist es müßig, sich darüber Gedanken zu machen. Vielleicht kaufe ich sogar das Buch. Eventuell hilft es ganz gut, diese sehnsuchtsvolle Zeit zu überstehen…
Liebe Grüße
Kasia
Herzlichen Glückwunsch und viel Spaß beim Lesen.
Vielen, vielen Dank! 🙂
Nochmal Herzlichen Glückwunsch.
Es freut mich, dass dir das Buch in weiten Teilen gefallen hat.
Ich war voll in der Mongolei beim Lesen
Liebe Grüße
Liane alias DieReiseEule
Liebe Liane, so ging es mir auch. Es ist ein schönes Buch. Und wie geschrieben, man bekommt davon akutes Fern- und Abenteuer-weh… Danke fürs tolle Gewinnspiel 😉
Liebe Grüße
Kasia