Immer wieder trifft man sie an, doch für den nicht eingeweihten Touristen verschmelzen sie mit dem nepalesischen Mix aus Völkern und Kulturen, welcher das Land schlussendlich ausmacht. Exiltibeter stellen rund ein Prozent der Gesamtbevölkerung da, es sind rund 20 000 Menschen, die meisten von ihnen leben in Pokhara und Kathmandu, wo sie kleine, gesonderte Enklaven bilden. Von Nepals Regierung werden sie geduldet.
„Es ist nicht einfach, auch mit Arbeit.“ Sagt mir die tibetische, fliegende Händlerin, die ich in Pohkara am Phewa-Lake treffe. Sie hat eine Tasche mit kleinen Schmucksteinen und Faden dabei und stellt „im Vorbeigehen“ sozusagen Ketten und Armbänder her, die sie dann an Touristen verkauft. Warum es nicht einfach ist, will sie nicht weiter erläutern. Bereits ihre Eltern kamen nach Nepal, während einer Zeit, als China Tibet zu chinesischem Gebiet erklärte. Es war ein Prozess, der ca. 1951 begann und 1965 abgeschlossen war. Jetzt lebt sie mitsamt der restlichen tibetischen Gemeinde oben in den Bergen rund um Sarangkot.
An jenem Tag, als ich die Frau am See treffe, bin ich so gut wie gar nicht über die Tibetische Gemeinde in Nepal informiert. Fakt ist: seit 1989 stellt die Regierung Exiltibetern keine Papiere aus. Ein Schulbesuch ist so nicht möglich und es ist schwieriger, Arbeit zu finden. Und nicht nur das: die Menschen dürfen nicht wählen, kein Auto fahren und keine Immobilien oder Land besitzen. Die fehlenden Dokumente ziehen einen großen Rattenschwanz nach sich und machen alles schwieriger. Es ist eine Duldung und ein Ausharren, doch es ist kein Leben und von einer neuen Heimat kann man nicht wirklich sprechen. Der große Ethnien- und Kulturmix im Land hin oder her – es ist nicht alles so glänzend und friedlich, wie es für den Außenstehenden wohl den Anschein hat.
Die größte Flüchtlingsbewegung aus Tibet Richtung Nepal gab es Anfang der Sechziger Jahre. Rund 80 000 Menschen gingen ins Exil nach der Annexion Tibets durch die Chinesen. Wie wir wissen, floh auch der Dalai Lama, der heute von Indien aus seinen Einfluss geltend macht. In der Fremde hatte sich eine tibetische Exilregierung erhalten, die immer wieder Verhandlungen mit der chinesischen Regierung aufnimmt.
Die Enklaven bieten nicht nur den einfachen Menschen ein Zuhause, sondern auch der Exilregierung Tibets. Es gibt Klöster, Schulen und Geschäfte, eine eigene, kleine Welt, die nicht viel Kontakt mit den Menschen außerhalb der Gemeinden hat. Inzwischen sind es die Kinder der Geflüchteten, die in Nepal leben, doch an ihrer Situation hat sich nichts geändert. Immer wieder gibt es Proteste gegen die scharfen und Restriktionen, zuletzt in Mai 2010. Doch diese Proteste werden von der Polizei konsequent zerschlagen.
Viele der Exiltibeter schlagen sich auch ohne Papiere durch, sei es als Guides, Träger oder Bergführer im touristischen Sektor, als Kellner oder als Souvenirverkäufer. Einige treten bereits in sehr jungen Jahren in ein Kloster ein, wo sie die Aussicht auf Bildung haben.
Doch das war nicht immer so. In den Sechziger Jahren, als der große Flüchtlingsstrom nach Nepal kam, entstanden die tibetischen Communitys. Es wurden Häuser und Läden errichtet, von denen viele noch heute den Tibetern gehören. Wie rund um die Bonnath Stupa in Kathmandu. Es wurden tibetische Klöster errichtet und tibetische Riten gefeiert. Doch mit der Zeit kamen immer mehr Einschränkungen. Noch im Jahr 2008 war das Feiern von tibetischen Festen in Nepal kein Problem. 2008 begannen mit Protesten der buddhistischen Mönche die sog. Tibetischen Unruhen. Die Menschen forderten die Unabhängigkeit und die Rückkehr des Dalai Lama. Eine der Folgen waren die gesetzlichen Verschärfungen für die tibetische Community in Nepal.
Noch immer tröpfeln vereinzelt Geflüchtete über die Nepalesisch Chinesische Grenze, doch es werden weniger. Viele von ihnen werden inzwischen festgenommen und wieder nach China gebracht, denn die partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Nepal und China haben sich im Laufe der Jahre verbessert, und auch Indien fördert Projekte im Land. China investiert viel in Nepal, beispielsweise ist sie einer der großen Geldgeber für den Aufbau von Tempelanlagen, die beim Erdbeben 2015 zertört wurden. Große Infotafeln am ehemaligen Königspalast in Kathmandu, wo sich heute ein Museum befindet, zeugen davon. „Die Chinesen sind unsere Brüder.“ Sagt mir Ranjan, mein Guide. „Sie reden nicht viel, sie helfen.“
Und tatsächlich, China engagiert sich verstärkt im Nachbarland, baut Wasserkraftwerke, fördert die Infrastruktur.
Einige der Exiltibeter schaffen es, auszureisen, indem sie sich gefälschte Papiere verschaffen, manche gehen Scheinehen ein, um an die begehrten Dokumente zu kommen. Jeder Mensch braucht eine Perspektive.
Quellen:
www.deutschlandfunk.de
www.merian.de
wikipedia
Liebe Kasia,
das ist wirklich ein tragisches Thema! Man stelle sich mal bei uns vor, wir würden keine Papiere bekommen, könnten nicht zur Schule gehen, Autofahren usw. Das könnte sich doch keiner wirklich vorstellen! Auf unserer Nepalrundreise waren wir auch in einem tibetischen Dorf und haben einen ganz kleinen Einblick gekommen.
Liebe Grüße
Renate
Liebe Renate,
leider ist es oft kein Spaß, eine Minderheit zu sein. Von den „soften“ Auswirkungen wie der unterschwelligen Diskriminierung bis hin zu solchen Restriktionen wie in Nepal ist häufig vieles dabei, was einem das Leben schwer bis unmöglich macht. Viele sagen, das hätte dort im Land etwas mit der Annäherung Nepals an China zu tun. Aktuell sind Tibeter tatsächlich von vorneherein einer Perspektive beraubt, aber anscheinend war das nicht immer so.
Es gibt auch die Möglichkeit für ein Homestay in nepalesischen Dörfern in Pokhara, das werde ich nächstes Mal (wann immer es sein wird…) nutzen. Vielleicht erfahre ich da mehr Hintergründe.
Liebe Grüße
Kasia