Zügig jage ich das gefügige Gefährt über die halb leere Autobahn. Ich habe eine wenig befahrene Strecke zwischen Wismar und Würzburg gewählt, die die Ballungszentren um Berlin und Hannover umgeht und die mein Navi als „Achtung, Sie fahren gerade durch ein Maisfeld“- Gebiet im Verzeichnis hat. Imaginär sehe ich die Maiskolben an die Autoscheibe spritzen, während ich mich in Wirklichkeit auf der A14 befinde, die stellenweise noch nicht ausgebaut ist.
Die Tagung findet nicht, wie sonst immer, im Norden, sondern dieses Mal in Süddeutschland statt, was ich freudig als eine kurze Anfahrt zur Kenntnis genommen hätte – wäre da nicht die Hochzeit in Schwerin am vorausgegangenem Wochenende gewesen. So stehe ich also um viertel vor vier auf, um den Wagen quer durch Deutschland einmal auf Hochtouren zu bringen. Die Welt ist wieder wie ein Märchen; kühl und neblig, die flachen Ebenen versinken in weißen Schleiern, ganz so, als hätte jemand eine Kanne Milch über der Welt ausgegossen. Unwillig erwarte ich den ersten Sonnenstrahl, wohl wissend, dass er den fragilen Zauber zerspringen lässt.
Ein einsamer, roter Hund am Rande eines grünen Feldes entpuppt sich als ein junges Reh, das unsicher zurück ins Feld tappt. Kein Mensch ist zu sehen, ab und zu kommt mir ein Auto entgegen und ich bin ehrlich erstaunt, dass es Menschen gibt, die ebenfalls morgens um halb fünf unterwegs sind. Dann, ein Stück weiter – ein Tier, das aussieht wie eine seltsame Art Waschbär, schlank, schwarz, mit einem buschigen Schwanz und einem weißen, halbmondförmigen Streifen im Nacken. Auch dieses verschwindet schnell im Gebüsch.
Als die Uhr acht schlägt, kommt es mir vor, als wäre ich schon ewig unterwegs.
Mit Rückenwind, einer freien Straße und dem Tacho auf Anschlag erreiche ich Würzburg bereits um elf Uhr. Das Ring-Hotel ist in den Weinbergen hoch oben über der Stadt gelegen und während ich aus dem Auto steige, bewundere ich den sagenhaften Ausblick. Da haben sie sich was tolles einfallen lassen, denke ich mir.
Zentral vor mir liegt die Festung Marienberg auf einem grünen Hügel, um welches herum sich die Stadt wie ein Gewässer schlängelt. Abends, wenn es schon spät ist und sich der Himmel orange und perlmuttfarben verfärbt, erstrahlen die Hügel in einem warmen Licht. Und noch etwas später, als nur noch ein dramatisch roter Streifen am Horizont zu sehen ist, gehen wir abends in den Weinbergen spazieren.
Die Landesgartenschau findet in Würzburg zum zweiten Mal statt. Eine 28 ha große Fläche am ehemaligen amerikanischen Fluggelände ist zu diesem Zweck umgestaltet worden; die frühere Landebahn ist nun ein grüner Rasen mit einer Blumenumrandung und hier und da kann man die stilisierten Symbole des früheren Verwendungszweckes sehen. „Wundern Sie sich nicht, wenn sie Gerüste in Form von Flugzeugen oder Zeppelinen entdecken.“ Sagt Herr Dr. Mayer von der Forschergruppe Klostermedizin, der uns durch das Gelände führt. Wir entdecken zunächst einmal Bäume und zugegebenermaßen gut ausgebaute, kuschelige Sitzecken, an welchen wir jedoch zügig vorbei geführt werden, und schwitzen vor uns hin. Doch eigentlich ist es weniger die Hitze, die zusetzt; es ist vielmehr die Mischung aus Schwüle und erdrückend stehender Luft, es sind die Wolken, die am Himmel zu erahnen sind, doch es noch nicht vermögen, die Sonne abzuschirmen. Ein Gewitter scheint sich anzukündigen und die Stille davor treibt die Temperaturen noch mehr in die Höhe.
Was schade ist, denn eigentlich hatten wir uns auf die Landesgartenschau gefreut. Und auch das Wetter Anfang der Woche hätte schöner nicht sein können. Angenehme Temperaturen von 20-25 Grad, Sonne, keine Wolke am Himmel. Doch nun, am dritten Tag der Tagung, hat sich das Blatt gewandelt und ganz Würzburg in einen dampfend heißen Gartopf gesteckt. Um uns davor zu retten, werden wir in die kühleren Ausstellungsräume geführt. Kunst hängt an den Wänden, Blütenkränze und Arrangements der verschiedenen Gärtnereien sind im ganzen Raum verteilt. Doch ein echter, unverfälschter Ausbruch der Begeisterung folgt anschließend draußen, als die ersten von uns die kleine Eisbude erspähen. Ein mickriges Eis hält zwar nicht lange vor, ist gegen die Hitze aber besser als gar nichts.
Die Landesgartenschau läuft in diesem Jahr unter dem Motto „antibakteriell wirkende Arzneipflanzen“, was natürlich bei Menschen mit pharmazeutisch-medizinischem Hintergrund auf großes Interesse stößt. Eigens dazu hat die Forschergruppe Klostermedizin eine pharmazeutische Ecke eingerichtet, wo in Beeten verschiedene Arzneipflanzen gedeihen. Herr Dr. Mayer hält dazu einen Vortrag.
So hat sich die Situation der antibiotikabedingten bakteriellen Resistenzen immens verschärft, in erster Linie durch die pauschale Verordnung von Antibiotika bei viralen Infekten (Antibiotika wirken nicht gegen Viren!) und durch die vorbeugende Zugabe zum Tierfutter. Resistente Bakterienstämme zeigen so häufig bei einer Antibiotikabehandlung keinerlei Reaktion, so dass zu immer stärkeren Mitteln gegriffen werden muss. Im Bereich der Krankenhausversorgung haben sich längst so genannte „multiresistente Stämme“ entwickelt: das sind Keime, gegen welche praktisch gar nichts mehr wirkt. Wissenschaftler haben vor kurzem herausgefunden, dass Bakterien ihre Resistenzen an andere Bakterien weiter geben können, selbst wenn diese nicht von derselben Art sind.
Doch oft brauchen wir nicht sofort Antibiotika. Was viele nicht wissen: Es gibt viele natürliche Mittel mit antibiotischen Eigenschaften. So tragen viele Pflanzen Inhaltsstoffe in sich, die der Pflanze als Frassschutz dienen und sehr wirksam gegen Bakterien, Viren und Pilze sind und bei leichten Infektionen wie z. B. einer Erkältung, eingesetzt werden können, wie zum Beispiel der Thymian, der Meerrettich, der Andorn, die Kapuzinerkresse und alle knoblauch-artigen Pflanzen, die sogenannte Senföle in sich tragen. Nicht nur immer mehr Menschen orientieren sich um in Richtung Naturmedizin; nach und nach findet auch ein Umdenken in der medizinischen Welt statt. Es gibt mehr und mehr spezialisierte, naturheilkundlich orientierte Arztpraxen und auch Apotheken mit speziell ausgebildetem Personal.
Während des Vortrages gruppieren wir uns um die spärlichen Sonnenschirme. Die helle Strahlung blendet meine Augen. Nur langsam wird der Himmel von Wolken bedeckt und ein leichter Wind kommt auf. Mit dem erlösendem Regenschauer wird es heute wohl nichts mehr werden.