Afrika, Namibia

Elegant Farmstead

Wir haben die Reise fast schon hinter uns. Als wir uns aufmachen, das Waterberg Plateau zu verlassen, ist es ein entspannter Weg. Und – entgegen früheren Reisen – verspüre ich keinerlei Stiche im Herzen, den Kontinent verlassen zu müssen. Im Gegenteil, ich freue mich auf Zuhause. So viele Eindrücke, so viel Erlebtes, so viele Erinnerungen…  Sie alle müssen irgendwann verarbeitet werden. Und irgendwie sehne ich mich auch danach, nicht mehr auf der Piste zu sein, irgendwie wünsche ich mir eine Liege, einen Swimming-Pool und ein gutes Buch. Oder noch einfacher: Einfach nur in einem Zimmer bleiben, die Sonne draußen Sonne sein lassen und schreiben – mir das alles von der Seele zu schreiben, was wir bisher gesehen und erlebt haben.

Und unsere nächste Station bietet genau das.

Wieder ist die Landschaft weitestgehend trocken und wellig, wie damals, als wir am ersten Abend von Windhoek in Richtung Mariental losgefahren sind. Hier und da ein Termitenhügel, hier und da eine verirrte Antilope. So viel ist nicht mehr neu, so viel kann uns nun nicht mehr überraschen. Auch die Strecke ist mit ca. 246 km diesmal nicht mehr so lang und so kommen wir bereits am frühen Nachmittag in der Elegant Farmstead an.

Auf dem Weg dorthin befahren wir wieder eine staubige Schotterpiste, die sich inmitten seltsam geformter Felsen weiter und weiter nach oben schlängelt. Die Felsen bestehen stellenweise aus eckigen Brocken, die so etwas wie die Überreste einer Mauer bilden, die wie von Menschenhand gemacht wirkt und stückweise mal die eine, mal die andere Seite der Straße säumt. Grüne Sittiche verteilen sich auf den blätterlosen Ästen der Büsche und zwischen den Felsen ragen in kräftigem Rot und strahlendem Gelb blühende Kakteen empor.

Da wir das Pendant in der Wüste, die Elegant Desert Lodge, in einer so la la Erinnerung haben, sind wir gespannt, was uns nun erwartet.

Die Gatter müssen beim Passieren geöffnet und wieder geschlossen werden. Die riesenhaften Kakteen, die den Weg säumen, sind so riesig, dass ich sie einfach anfassen muss. Vorsichtig tippe ich einen der grünen, ledrigen Arme an; die ganze Pflanze wackelt daraufhin sachte hin und her. „Nu brich sie nicht ab!“ Ruft Stefan durch das offene Autofenster.

Auf dem ausgewiesenen Parkplatz stellen wir das Auto ab. Ein paar Männer düsen im Schatten der Bäume oder beäugen uns unbeteiligt und hinter einer Umzäunung erklingt das durchdringende Rufen eines Truthahns.

Als wir uns der Rezeption nähern, sehen wir, wie die junge Frau mit einem gefalteten, weißen Handtuch in den Händen in unsere Richtung läuft. Vermutlich hat sie etwas zu erledigen und ist gleich wieder da, denke ich mir, aber nein; das kühle, feuchte Handtuch ist für uns. Dankbar wischen wir uns den Staub und die Anstrengung vom Gesicht.

Die Elegant Farmstead hat trotz Modernisierung ihren historischen Charakter weitestgehend erhalten. Die heutige Lodge war Ende des neunzehnten – und im frühen zwanzigsten Jahrhundert eine deutsche Missionarsfarm, deren vorrangiges Ziel es war, die Stämme der Herero zum Christentum zu bewegen.

Ein schönes, großes Kaminzimmer im Hauptgebäude lädt zum Verweilen ein, wie auch die kostenlose Kaffee- und Kuchenbar. In einer alten, hölzernen Schubladen-Anrichte liegen diverse Kleinigkeiten für die Gäste bereit: Drinks sowie verschiedene Sorten an Zigarillos und Zigarren. Letztere lassen mein Herz höher schlagen; hatte ich die ganze Reise über die Finger von dem Zeug gelassen, so habe ich nun eine große Lust, mich entspannt an den kleinen Tisch vor unseren Bungalow zu setzen und gepflegt eine dicke Zigarre zu rauchen, zum Abschluss der Reise sozusagen.

Den Nachmittag verbringen wir im Schatten vor dem Bungalow sitzend, die letzten Dosen des badewannenwasser-warmen Bieres in der Hand, welches wir noch aus den Tiefen unseres Autos gefischt haben, und je eine Zigarre in der Hand, in den ansprechend arrangierten Garten schauend. Kleine Wasserspiele plätschern hier und da und Pflanzen schlängeln sich in den Steingärten gen Sonne. Hohe, blühende Jacaranda-Bäume spenden Schatten und verbreiten mit jeder warmen Windböe einen süßen, flüchtigen Duft. Die Rufe der Vögel und ein entferntes Summen von Bienen, die die lila blühenden Bäume umkreisen, liegt in der Luft.

Irgendwann ziehen wir an den Swimming-Pool um. Außer uns sind nur wenige Menschen da. Das Wasser des frisch gefüllten Pools ist eiskalt (wie übrigens alle Außenpools in Namibia), und so habe ich, nachdem ich erst einmal beim Eintauchen tausend Tode gestorben bin, das erfrischende Becken ganz für mich alleine. Vergebens versuche ich, Stefan zum Schwimmen zu überreden; Nachdem er einen Zeh ins Wasser getaucht hat, krallt er sich in das Polster seiner Liege fest und beäugt mich misstrauisch aus sicherer Entfernung. Ein Männerpärchen auf der Liege gegenüber beobachtet schmunzelnd die Szene.

Das Abendessen ist auf einer überdachten Terrasse arrangiert; aus der Anlage der Outdoor-Bar nebenan läuft stimmungsvolle Musik mit afrikanischen Klängen. Der Pool ist blau unterleuchtet und überall brennen Kerzen und kleine Feuer. Lichterketten schmücken die Bar und das Licht der Kerzen spiegelt sich in unseren Weingläsern. Ein Junge bedient die Bar und die Tische. Wir sind die ersten, die Platz nehmen und so genießen wir die Musik, die Kerzen und die einzigartige Atmosphäre dieser letzten, warmen Nacht.

Nach dem Essen sitzen wir noch lange an der Feuerstelle; immer wieder lege ich Holz nach, das beim Verbrennen knackend Funken in den Sternenhimmel sprühen lässt. Wir unterhalten uns lange – darüber, dass fast alle namibischen Farmen und Lodges fest in der Hand weißer, meist deutschstämmiger Besitzer sind. Das Verhältnis zu den Angestellten kann dabei durchaus herzlich und freundschaftlich sein – doch es bleibt immer das Verhältnis eines Vorgesetzten und eines Angestellten. Noch kein einziges Mal habe ich namibische, nicht westlich-stämmige Besitzer oder auch nur Verwalter einer Lodge gesehen.

Doch es ist nicht sinnhaft, diesen Sachverhalt mit Gewalt ändern zu wollen. Lodges und Farmen bieten Arbeitsplätze. Und – man kann sagen, was man will – aber die Deutschen wissen einfach, wie so ein Betrieb zu laufen hat. Langsam hat die namibische Regierung damit begonnen, Farmen, die wenig Gewinn abwerfen, nach und nach den ausländischen Eigentümern abzukaufen und verkauft sie an eigene Landsleute weiter. Auch für Namibier vergünstigte Steuersätze sollen einen Anreiz darstellen und die Dinge in die gewünschte Richtung lenken. Doch eine Farm zu besitzen ist nicht alles. Es muss Grundwissen her, eine Ausbildung darüber, wie man so eine Farm verwaltet, ohne sie herunter zu wirtschaften. Und da muss noch viel getan werden.

Stefan hat sich längst verabschiedet, während ich noch am Feuer sitze und meinen Gedanken nachhänge. Wieder bring mir der Wind den süßen Duft der Bäume, der angenehm meine Nase kitzelt. Die blutjunge, blonde Verwalterin, fast noch ein Mädchen, kommt vorbei und fragt, ob sie denn die Kerzen denn schon löschen dürfe. Nach und nach pustet sie die vielen Kerzen aus, während sie mit einer Hand an ihrem Handy tippt.

Als ich aufstehe und zum Bungalow laufe, lösche ich noch die beiden von ihr vergessenen Lichter aus.

Start:           Waterberg Valley Lodge 
Ziel:              The Elegant Farmstead
                     (S 21°55’53.539″E 17°08’4.493″)
Distanz:      246,3 km
Reisezeit:   2:31 Stunden

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
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