Afrika, Kanarische Inseln, Lanzarote

Von Kunst und Kultur

Der gelbe Streifen am Horizont wird immer gelber. Ein schmutziges Gelb, Sand aus der Sahara, der sich über dem Meer wie Smog ausbreitet. Für den Katamaran ist heute kein guter Tag zum Segeln. Mehr Schmutz in den Segeln als Wind, sagt Stefan. Der Katamaran wendet langsam.

Nur ganz leise und weit entfernt ist die Hauptstraße zu hören, während sich das Licht langsam von den Hängen und der Ebene zurückzieht. Von Sonnenuntergängen wie in der Karibik kann hier keine Rede sein, es ist eher ein sanftes Erlöschen. Noch einmal spiegelt sich die Sonne hart in den Hängen der Vulkane mit ihrem spärlichem, fahl gelbem Gras.

Saharastaub liegt über dem Meer

Die Häuser der Dörfer, strahlend weiß am Tage, bekommen jetzt eine milchig gelbliche Färbung. Teneriffa ist nicht zu sehen, sie ist hinter dem gelben Schleier am Horizont fast vollständig verschwunden. Bis gerade eben schwirrten Fliegen um uns herum und langgezogene Laute der Greifvögel waren zu hören. Nun herrscht vollkommene Ruhe und die schwarze Katze schnurrt. Vorhin saß sie, munter geworden, vor der gläsernen Terrassentür. Bis ich ihr das Wasserglas zeigte. Den kalten Gruß von gestern und heute morgen hatte sie sich gemerkt.

Heute Abend tun wir nichts. Einträchtig sitzen wir beisammen und schlürfen den fantastischen Weißwein. Nachdem ich meinen Sonnenbrand verarztet habe. Die Sonne hier ist tückisch.

Dass die Katzen trotz allem immer wieder die Nähe der Menschen suchen.

 

Teguise

Am Morgen

Beim Aussteigen fällt mein Blick auf die Burg über uns. Das Castel St. Barbara ist aktuell bis auf weiteres geschlossen und wird restauriert. Meine leisen Hoffnungen auf einen schweißtreibenden Aufstieg lösen sich in Luft auf, zu Stefans Freude vermutlich. Doch es gibt zwei Wanderrouten rund um Teguise und die umliegenden Dörfer; noch am Parkplatz gibt es Infomappen mit aufgezeichneter Route. Ich schlage für die kommenden Tage eine Wanderung vor, Stefan sagt ja. Wir wissen beide, wie das endet.

Das Krähen der Hähne in unmittelbarer Nähe vermittelt das Gefühl, auf dem Land zu sein. Auch wenn es sich bei Teguise um die ehemalige Hauptstadt (bis 1852) handelt, so hatte sie sich ihren dörflichen Charakter bewahrt. „Genau an der Stufe zwischen Stadt und Dorf.“ Bemerkt Stefan.

Teguise ist eine der ältesten Städte auf den Kanarischen Inseln. Und auch eine der schönsten. Die gesamte Altstadt steht unter Denkmalschutz. Ruhig wirkt sie, als wir durch die Gassen streifen, fast wie nicht bewohnt. Es ist auch ein normaler Dienstag; an den Markttagen wird mehr los sein. Das werden wir noch erleben. Doch im Moment ist kaum ein Besucher von Auswärts da. Warum auch. Der sehenswerte Kunstmarkt, zu dem Künstler aus der gesamten Gegend strömen, ist erst am Sonntag. Wir können in Ruhe umherwandern, schauen, unsere Bilder machen.

Weiße Häuser und krumme Bäume

Dabei weichen wir gerne von den Hauptwegen ab. Suchen nach Ungewöhnlichem. Wie den vielen, mit Blumen geschmückten Kreuzen. Kunst hängt an den Wänden. Krumme Bäume spenden Schatten, dazwischen die Häuser der Einwohner. Ich fühle mich wie in jemandes privatem Garten, wie ein Fremdkörper in einem Lebensraum, der nicht der meine ist. Ein ehemals prachtvolles, doch nun verlassenes Haus fesselt meine Blicke. Alte Holztüren, Löwenfratzen als Türklopfer. Zu verkaufen, besagt ein Schild. Na, Stefan, wollen wir Eigentum auf Lanzarote erstehen?

Wir erstehen Burger und ein großes Bier. Der Burger ist vermutlich der beste auf der Insel. Satt und zufrieden vertieft es sich gleich viel besser in die Geschichte dieses Ortes.

Die Geschichte der Stadt ist von Eroberungen und Verteidigungsversuchen geprägt. Was man einmal sein eigen nennt, das soll um jeden Preis geschützt werden. Bereits 1402 eroberten Normannen im Auftrag der Krone von Kastilien die wichtigste Siedlung der ansässigen Maja, die daraufhin erweitert und ausgebaut wurde. Um den Ort von Piratenangriffen zu schützen, wurde die Burg errichtet, die wir eingangs hoch oben auf einem Hügel gesehen haben: das Castel der St. Barbara. Von der erhöhten Position aus konnten feindliche Schiffe früh gesehen werden, und dennoch. Der Ort wurde immer wieder Opfer blutiger Überfälle. An die erinnert heute das im Castel eingerichtete Piratenmuseum.

Castel St. Barbara

Die Wände sind strahlend blank verputzt, die Türen grün gestrichen. Ab und zu schlendert ein Bewohner vorbei oder ein Verkäufer sitzt träge in seinem Geschäft herum. Handwerker bessern hier und da mal was aus. Ich weiß immer noch nicht viel über die Bewohner dieser Insel, die so voll und ganz von den Touristen eingenommen zu sein scheint. Was mir fehlt, ist ein Bisschen Kultur zum Anfassen, das Erleben. Wie sind die Menschen, was macht sie aus? Wie leben sie, welchen Bräuchen gehen sie nach? Was macht den Charakter dieser Insel aus? Vielleicht werden meine Fragen im Laufe der Zeit beantwortet werden.

Die Geschäfte bieten Kunst und Souvenirs. Was diese Insel zum großen Teil ausmacht, ist die Kunst. Und die Kunst auf Lanzarote ist bisweilen eigenwillig. So wie die vielen Teufelsdarstellungen oder die anrüchigen Holzfiguren von Männlein und Weiblein, die leider zu schwer für mein Gepäck sein würden. Doch auch hier hergestellte, gebrannte und in Handarbeit bemalte Tonschalen und Gefäße sind ein schönes Souvenir. In kräftigen Farben kommen sie daher, rot wie die Lava, türkisblau wie die See.

Der bekannteste Künstler von Lanzarote ist wohl César Manrique. An ihm kommt man nicht vorbei, wenn man hier zu Besuch ist. Er hatte die Insel zu einem großen Teil geprägt und ist noch immer präsent. Viele Künstler lassen sich sichtbar von Lanzarotes rauer Schönheit inspirieren. Ja, ich denke, Kunst ist etwas, das diese Insel ausmacht. Kunst ist ein Teil hiesigen Daseins.

 

Stratified City

Antigua Rofera

Was für eine City? Frage ich mich und bin überrascht, bei den Suchergebnissen lediglich ein paar Felsformationen vorzufinden. Das, was im Allgemeinen als „Stratifield City“ zu finden ist, ist ein Abbaugebiet von Vulkanasche, die auf der Insel als Rofe bezeichnet wird. Sie wird als Mutterboden auf Feldern und für Gärten verwendet, da sie die Feuchtigkeit aus der Luft binden kann. In den folgenden Tagen werden wir noch viele Felder sehen, auf denen Vulkanasche nachträglich angebracht wurde sie unterscheiden sich von der Farbe und Beschaffenheit von der restlichen Umgebung, ja, stechen regelrecht raus.

Weit und breit keine Absperrung, die alten Gruben liegen verlassen da. Man findet sie gleich an der LZ 404. Ein interessanter Ort, der zum Wandern einlädt. Und zum Erkunden. Die ausgeschlürften Höhlen und Löcher in der Erde ziehen sich über ein weitläufiges Terrain. In manchen kann man kauern, manche sind riesig. Ich lasse Stefan hinter mir und renne schnellen Schrittes los, stecke meine Nase in jede dieser Erdspalten. Betrachte Kakteen und wild wachsende Aloe. Außer uns ist kaum jemand hier. Die Szenerie wirkt unwirklich, wie eine vergessene Welt. Und vielleicht ist sie das auch, gewissermaßen.

Wir entdecken immer wieder neue Höhlen, klettern auf Steine und Lavabrocken. Kleine, bunt blühende Pflänzchen wehen im Wind. Sie blühen in allen Farben, behaupten sich in dieser trockenen Umgebung und nutzen den fruchtbaren Boden für sich, so gut es geht. Auf den Hügeln sind von Menschenhand gebaute Terrassen zu sehen, niedrige Trockenmauern, die Stufe für Stufe hinauf führen.

Ich verkrieche mich in eine der Höhlen. Vorzeitlich wirkt sie, als hätte sie einen Mund und große Zähne. Oder als wäre sie geschmolzen. Doch ich weiß es besser. An ihren Wänden sind Spuren von Werkzeugen zu sehen.

Und noch etwas ist wissenswert. Die Bezeichnung „Stratifield City“ ist falsch, so zumindest laut einem Beitrag von lanzaroteherz.com. Die Namensgebung beruht wohl auf einem Missverständnis, einer falschen Angabe bei Google, die sich über die Zeit durchgesetzt hat. Menschen auf Lanzarote bezeichnen dieser Ort als Antigua Rofera oder Rofero de Teseguite.

Auf dem Rückweg streifen wir kurz Arrecife, die Hauptstadt der Insel. Auf diese bin ich schon seit längerem gespannt, doch noch muss ich mich gedulden. Wir sehen nicht viel; unser Besuch ist dem Wunsch nach frischen Lebensmitteln geschuldet. Also erkunden wir abermals den Lidl. Es wird dringend Sonnenmilch für mich benötigt, denn ich habe die Strahlung unterschätzt. Wie so oft.

Der Rückweg führt uns wieder durch die faszinierende Vulkanlandschaft. Schwarze Flächen auf grauen Feldern, zwischen fahlen Gräsern. Das ist die Vulkanasche, von der ich eingangs gesprochen hatte. Überall sind niedrige trockenmauern aus Lavagestein sichtbar. Häuser aus Lavasteinen. Das Gestein ist allgegenwärtig. Windstill ist es heute, der Himmel stark bewölkt. Erst spät am Abend kommt so etwas wie Sonne raus. Unser Navigerät quält sich damit, die langen, verworrenen Straßennamen wiederzugeben. „Lanzarote. Die Insel mit den längsten Straßennamen der Welt.“ Konstatiert Stefan.

Abends in der Finca. Der große Streifen dort am Horizont hält sich hartnäckig, wird immer dicker. Wir besetzen die Liegen mit Ausblick auf die Insel, das Meer. Hinter uns – der Swimmingpool, doch bisher ging keiner von uns schwimmen. Auch hält sich die Anzahl der anderen Gäste in einem angenehmen Rahmen. Zumindest bekommen wir nicht viel von ihnen mit.

„Hast du dein Handy dabei?“ Frage ich Stefan in der Hoffnung, er möge mir ein Hotspot machen. „Nein, es lädt gerade.“ Mist. Das W-Lan reicht nicht bis hierher. Warum kannst du nicht einfach deine Gedanken beruhigen und… meditieren? Meditieren über das hier und jetzt.

„Schönes Plätzchen.“
„Hm.“

Langsam gehen in den Ortschaften unter uns die Lichter an.

Abendhimmel

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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8 Kommentare

  1. Eine schöne Insel und viel zum Anschauen/Erkunden. Im Fernsehen habe ich mal einen Bericht über die Wohnung von Manrique gesehen. Einmalig.
    Liebe Grüße
    Harald

    1. Die Wohnung von Manrique haben wir leider nicht besucht. Die Insel hat so viele Aktivitäten für die Dauer von zwei Wochen zu bieten, es ist unglaublich.

      Liebe Grüße
      Kasia

  2. Ach, Kasia, jetzt kann ich es wirklich kaum noch erwarten, auf deinen Spuren zu wandeln. Teguise, diese bizarren Gesteinsformen und Höhlen, eigenwillige Kunst – ich weiß schon jetzt, dass mir die Insel gefallen wird. Wunderschöne Fotos hast du heute wieder dabei 😎.

    1. Die Insel hat noch mehr, und du wirst wohl wählen müssen, liebe Elke 😉 Es gibt eine Wanderroute von El Golfo zum Playa de la Madera, immer an der Küste entlang – ich bin nur ein Stück gelaufen aus Gründen, aber sie soll auch schön sein. Du läufst durch den Timanfaya-Teil. Wie gesagt, es gibt so vieles…

      1. Man kann nie alles haben. Hauptsache, es gefällt, was man sich ausgesucht hat 😎.

        1. Da bin ich bei Lanzarote mehr als optimistisch. Ach ja, für dich gibt es auch Kunst zum Abwinken. An César Manrique kommst du da nicht vorbei 😉

    2. Ich denke darüber nach, noch einmal nach Lanzarote zu reisen. Allein schon, um nochmal auf La Graciosa zu fahren, aber auch, um ausgiebig zu wandern.

      1. Klingt nach einem guten Plan!

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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