Afrika, Namibia

Das Tal der Affen

Auf dem Weg zur Quelle

Die Felsen des riesigen Tafelberges färben sich rötlich, während sich die noch schwache Sonne über die ergießt. Mit verschlafenen Augen beobachte ich vom Bett aus das Schauspiel. Stefan sitzt bereits draußen mit einem Kaffee in der Hand. 

Die Kühle des Morgens weicht zügig, die Sonne gewinnt schnell an Kraft und erwärmt die rötliche Erde der Kalahari. Nach dem Frühstück fahren wir hoch zur Quelle. Der ganze Bereich innerhalb des Plateaus wird von einer Quelle gespeist, die weiter oben im nahe gelegenen Tal für die Versorgung der Lodges angezapft wird. Das Wasser wird über Schläuche in jedes einzelne Zelt geleitet und ein kleiner, holzbefeuerter Ofen vor dem Zelt ermöglicht nach Belieben die Erhitzung des Wassers fürs Duschen. Abends erfüllt der aromatische Duft des abbrennenden Feuerholzes das Tal. Doch das Quellwasser erwärmt sich tagsüber bereits auf dem Weg vom Tal bis zu uns hinunter, so dass ein Erwärmen mittels des Holzofens bislang nicht notwendig war.

Die südöstlichen Hänge des Waterberg Plateaus sind mit üppiger Vegetation bewachsen: Bäume, Sträucher, geradezu kleine Wälder schmiegen sich rundum an die aufragenden Felsen. Diese bestehen aus porösem, durchlässigem roten Sandstein, in das Niederschläge ohne weiteres sickern können. Der 200 m hohe Tafelberg  wirkt wie ein riesiger Fänger, an dem die Wolken hängen bleiben und abregnen. Die Niederschläge kommen als Teil des Grundwassers an den Hängen wieder zum Vorschein und versorgen die Ebenen rundum mit Quellen, während die Plateauebene weit oben trocken bleibt.

Die ganze Anlage wird ökologisch betrieben, der Strom über Solarpanelen erzeugt. „Ökologischer Betrieb – lieblich brummt der Generator“, brummt Stefan neben mir auf dem Weg in den Frühstücksraum. Tatsächlich ist durchgehend ein Hintergrundgeräusch zu hören, welches ich jedoch, den Lärm deutscher Städte gewohnt, fast gar nicht mehr wahrnehme.

Das grüne, saftige Tal, dem eine der Quellen entspringt, ist höher gelegen als unsere Lodges, die sich zum Teil sogar über die Hänge des Plateaus erstrecken. Der Weg führt uns immer höher über eine unwegsame, sandige Piste, die wohl eher ein Terrain für robuste Geländefahrzeuge ist als für unseren kleinen SUV, doch nach einigem Fahrtraining, der uns in der namibischen Wüste zuteil wurde, bekommen wir auch den gemeistert. Der Weg endet in eben jenem Tal, grün, lieblich, dicht bewachsen mit fliederfarben blühenden, großen Bäumen und hohem, goldenem Gras. Hier befinden sich, tief in der Vegetation versteckt, weitere Lodges, die zum Waterberg Park gehören. Hier endet unser Weg vor einem kleinen Häuschen – dem Anschein nach dem Haupthaus des Camps, in dem sich die Rezeption befindet. Wir stellen das Auto ab – es geht zu Fuß weiter.

 

Die Affenbande

Ich schleiche Stefan hinterher durch die dichte Vegetation, die Kamera im Anschlag. Der Wanderweg ist ausgeschildert und führt durch hohe Gräser, vorbei an urwaldartig gekrümmten Bäumen, deren Äste sich und Schatten spendend tief bis zum Boden neigen. Der aromatische Geruch trockener Gräser vermischt sich mit dem feinen Duft der lila Blüten, die dicht und farbenprächtig auf den Ästen der Jacaranda-Bäume kleben. Wir hören das Summen der Zikaden und aus den Büschen dringen die Schreie und Rufe verschiedener Vogelarten, die mal leiser werden, um dann wieder aufgeregt los zu schnattern.

Wie in einem Urwald sieht es hier aus. Über eine fragile, nicht gerade vertrauenserweckende Holzbrücke überqueren wir einen kleinen Bach, doch die wackelige Brücke befindet sich gerade mal zehn Zentimeter über dem Wasser, was also höchstens droht, sind nasse Knöchel. In der Wärme der Mittagssonne eigentlich ein angenehmer Gedanke. Dann marschieren wir weiter durch das Tal der grünen Bäume, und während sich Stefan immer weiter nach vorne entfernt, seile ich mich immer mehr ab, lausche den Rufen der Vögel und allen anderen Geräuschen, die ich nicht zu deuten weiß, spähe in die hohen Gräser und hoch in die Bäume und halten nach Anwesenheit von Nashörnern und Leoparden Ausschau. Die Kotzkrähe ist auch hier vertreten und macht sich mit lautstarken Rufen bemerkbar.

(Kotzkrähe: Eine Papagaienart; kleiner, grauer Vogel, gibt einen einzigartigen Ruf von sich, der sich anhört, als sei ihm speiübel, etwa so: bäääeh… wäääeh… Aufgrund dessen von Stefan auf „Kotzkrähe“ getauft)

Aus den Büschen links von mir dringen, noch lauter als sonst, die Rufe der Wasservögel, die sich im Schilf versteckt halten. Ich weiche vom Weg ab und folge den Rufen. Hier entlang verläuft der Bach, zu Teilen sichtbar, zum Teil aber versickert das Wasser bereits und nur das hohe Schilf und die nasse Erde deutet auf das Vorhandensein der Quelle. Die ineinander verschlungenen Sträucher, Gräser und tiefhängende Äste der Bäume vermitteln das Gefühl, in einem urtümlichen Urwald zu sein und nicht zum ersten Mal, seit ich hier bin, denke ich mir, dass dies ein Afrika ist, wie ich es mir vorgestellt habe.

Die nackte, nasse Erde wird bevölkert von Legionen an Schmetterlingen; die kleinen, weißen Flattergeschöpfe lassen sich hier nieder und saugen mit ihren feinen Rüsseln die Feuchtigkeit in sich auf. Wasser ist hier ein rares Gut, und wer ein nasses Flecken findet, verlässt es so schnell nicht wieder.

Wieder einmal ertönt das Vogelgeschrei; einen Schar grauer, kleiner Schnepfen erblickt mich und verschwindet gleich wieder im Schilf. Und plötzlich ist es still, nur das leise Rascheln der Halme verrät ihre Anwesenheit.

„Aha!“ Höre ich hinter mir, während ich mit den Schmetterlingen und den Vögeln beschäftigt bin. Stefan hat mein Fehlen entdeckt (wie lange mag das gedauert haben?) und kam den gleichen Weg wieder zurück. Zusammen gehen wir nun weiter in Richtung Quelle, doch nach einigen Metern verschwindet der Pfad zwischen den Bäumen und von Weitem hören wir die wohlbekannten, grollenden Rufe der Affen, die sich zusammen trommeln. Stefan und ich bleiben zögernd stehen, denn die Rufe kommen immer näher; ganz so, als stürmten die Affen das Tal – geradewegs auf uns zu.
„Die wollen bestimmt auch nur zur Quelle hin.“ Sage ich. Dann gibt Stefan den entscheidenden Impuls – er läuft einfach los und ich folge ihm.

Wir kommen zu einer Lichtung. Unter einem ausladenden, alten Baum plätschert aus einem gelben Rohr das Wasser der Quelle leise vor sich hin und glockenförmige, rote und weiße Blumen umgeben den Ursprung der Quelle. Und oben in den Baumkronen raschelt und knackt es.

Der ganze Baum ist voller Affen.

Sie springen von Ast zu Ast, verschwinden mit einem Satz in der Baumkrone, sitzen an oder laufen um die Quelle herum, trinken Wasser und fressen die kleinen, gelben Früchte, die in den Ästen wachsen. Strünke und angefressene Reste lassen sie mit einem Plopp von oben ins Gras fallen.
Wir haben noch nie Paviane aus solcher Nähe gesehen. Und ich habe immer noch erzählte Geschichten im Ohr, darüber, wie gefährlich diese Tiere sein können.

Zwei oder drei große Männchen beziehen unter dem Baum auf dem Boden Position. Immer lauter werden die bellenden Warnrufe, die sie ausstoßen, je näher wir der Quelle kommen. Eines der Männchen hatte sich genau geben der Quelle postiert.

Schließlich ziehen wir uns zurück und setzen uns auf die Bank unweit des Baumes, und schnell wird es wieder ruhig um uns herum. Nun können wir ungestört das Treiben der Affen aus nächster Nähe beobachten. Sie fressen Früchte und lassen sie ins Gras fallen, weshalb wir zunächst dachten, dass sie uns mit kleine Holzstücken bewerfen.

Großgewachsene Männchen stolzieren gewichtig herum. Gar nicht so viel anders wie in der Menschenwelt, denke ich mir, während ich sie beobachte. Während die größeren Affen entspannt da sitzen und sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen, turnen die kleinen herum, bleiben kurz stehen und spähen neugierig zu uns herüber, nur um dann weiter zu rennen und schnell im nächsten Gebüsch zu verschwinden.

Schließlich gibt das große, alte Männchen wieder seine lauten, bellenden Kriegsrufe von sich. Alle Affen verlassen daraufhin wie ein Mann den Baum und stürmen durchs Gebüsch davon, um sich ein Stück weiter auf einer grünen Wiese nieder zu lassen. Die ganz jungen Affen freilich rennen nicht sofort davon; so manch einer bleibt stehen und blickt uns neugierig nach. Einige wenige bleiben als Wachposten im Baum und lassen sich beim Fressen nicht stören. Ein Pavian lehnt lässig an der rostigen Tonne, die Augen geschlossen. Auf uns achtet nur kein Affe mehr, wir sind sozusagen völlig uninteressant geworden. Wir sitzen da, beobachten und sind vollends fasziniert ob der sozialen Intelligenz dieser Tiere. Und obwohl wir noch lange nicht Teil des Rudels sind (dafür müsste Stefan wohl mit dem Big Boss der Paviane um die Stellung als Alpha-Männchen kämpfen 🙂 ), so werden wir doch nicht mehr als Bedrohung angesehen. Und unsere eigenen Ängste haben wir auch verloren, stellen wir doch fest, dass die Tiere doch nicht so unberechenbar sind wie gedacht.

Auf dem Rückweg durch den Busch huscht uns eine ganze Mungo-Familie über den Weg und verschwindet raschelnd im hohen Gras. Über unseren Köpfen logiert auf einem dicken Ast eine weitere Pavian-Familie und widmet sich der täglichen Fellpflege. Die Luft riecht nach Wärme, Sonne, Gräsern und Gehölz; es riecht ganz einfach nach Sommer.

Die Mittagszeit über, als die Hitze am größten ist, bleiben wir im bzw. vor unserem Zelt und geben uns dem süßen Nichtstun hin, denn für den späten Nachmittag haben wir eine Rhino-Jeepfahrt gebucht.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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1 Kommentar

  1. […] war 2018 auf unserem Namibia-Roadtrip. Eine unserer Stationen führt uns in den nördlichen Teil des Landes, zum Waterberg-Plateau, wo […]

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