W-wau! w-wau! w-wau!“ Ertönt es dumpf und vernehmlich von den hohen Felsen herunter ins Tal und verbreitet sich wie ein Echo in der abendlichen Stille. Wie eine Mischung aus Bellen, Drohgebärde und den Kriegsrufen des Häuptlings eines kriegerischen Stammes aus dunkler Vorzeit.
„A-affe! A-affe! A-affe!“ Stefan plustert sich auf in Richtung des Felsens, den Kriegsruf der Affen imitierend, und ich bin mir auch sicher, dass diese urtümlichen Rufe alle niederen Instinkte in seiner Hypothalamus wecken. Du wärest nicht so mutig, würden die Affen nicht so weit weg auf einem Felsen sitzen, denke ich mir, wobei ich mir auch dabei nicht einmal so sicher bin. Denn so wie ich Stefan kenne, würde er einem wütendem Pavian noch die Zigarettenkippe vor die Pfoten schnippen.
Das Pavianrudel sitzt weit über uns auf der Kante des Waterberg-Plateaus wie Wachposten, sich als dunkle Gestalten vom Abendhimmel abzeichnend. Der Fels unter ihnen wird von der Sonne in rotes Licht getaucht. Sie haben sich dort oben versammelt und schauen auf das unter ihnen liegende Tal hinunter. Schaut her, wir sind die Herren über das Tal; hört uns und hört unser Gebrüll. Und obwohl Stefan das verneint, bin ich mir sicher: Ihre Drohungen gelten uns.
Ein paar Stunden zuvor…
Otjiwarongo hatte einen angenehmen Eindruck hinterlassen. Wir brechen in Richtung Osten auf.
Es liegen noch ca. 100 km geteerte und ungeteerte Straßen vor uns und endlich einmal machen sich all die „Achtung, Warzenschwein!“- Schilder bezahlt, denn nicht nur einzelne Pumbas, sondern ganze Pumba-Familien kreuzen unseren Weg. Sie treiben sich am Straßenrand herum, überqueren ab und zu mal die Fahrbahn, nur um danach buchstäblich in einem Schweinsgalopp mit wie Antennen erhobenen Schwänzen und aufgerichteter Mähne im Dickicht zu verschwinden.
Die Landschaft hier ist üppiger: Hohe Bäume, Savannen aus trockenem, hohem Gras. Termitenhügel erheben sich in der Landschaft wie die Mützen von Weihnachtselfen. So stelle ich mir Afrika vor, hier sehen ich vor meinem geistigen Auge Löwen umherstreifen. Und dann, links von uns, tut sich in seiner ganzen beeindruckenden Länge das Waterberg Plateau vor uns auf.
Es ist bereits später Nachmittag und die Sonne beginnt, sich zu senken. Auf den sandigen Pisten, auf denen wir inzwischen gelernt haben zu fahren, kommen uns gleich mehrere Geländewagen entgegen. Alle Insassen sind weiß bis auf den Fahrer und fast alle tragen sie die unvermeidlichen Afrika-Safari-Hütte. Wir versuchen, soweit möglich, äußerst links zu fahren und Platz zu machen. Der Jeep ruckelt, während er an uns vorbei fährt und die Köpfe der Passagiere wackeln mit wie kleine Springteufel.
Paviane bevölkern die freien Flächen zwischen den Bäumen und geben sich ihren Abendbeschäftigungen hin, überrascht aufschauend, als wir auf der Bildfläche auftauchen.
Die Waterberg-Valley-Lodge liegt innerhalb des Waterberg Parks und bietet mehrere Freizeitaktivitäten an, unter anderem; eine Rhino-Tour mit dem Jeep, auf der man (fast) unter Garantie Breitmaulnashörner zu sehen bekommt; eine Pirschjagd zu Fuß mit einem Guide, einen Aufstieg hoch zum Plateau und einen Tagesausflug zu dem hier lebenden Herero-Stamm, um in ihre Kultur und ihren Alltag hinein zu schnuppern.
(Die systematische Vernichtung der Herero und der Nama im Jahre 1904 während der deutschen Kolonialbesatzung wird als der erste Völkermord seit dem 20 Jhd. bezeichnet, doch die deutsche Bundesregierung schob lange Zeit jegliche Verantwortung von sich. Hier am Waterberg Plateau wurde die entscheidende Schlacht zwischen den Herero und der deutschen Kolonialmacht geschlagen, während der die Herero unterlagen. Einmal im Jahr wird im Zuge des Herero-Day der Opfer des Völkermordes gedacht.)
Bei Interesse an einem der Trips sollen wir uns einfach bei ihr melden, erklärt uns die strenge Rangerin. Aye, aye, ma’m!
Unsere „Lodge“ ist diesmal ein Zelt. Ein sehr geräumiges allerdings, von der Größe eines mittleren Wohnzimmers, aber dennoch ein Zelt. Und es ist heiß hier drin. Das einzige stabile Mauerwerk umgibt das Badezimmer und die Dusche. Die ganze Konstruktion ist mit Wellblech überdacht und sieht von weitem aus wie eine Hütte. Die Wände sind aus Stoff und die Lücken („Fenster“) mit Fliegengitter versehen. Um die angestaute Hitze heraus zu lassen legen wir diese sofort frei, denn trotz fortgeschrittener Stunde sind es hier oben auf dem Plateau immer noch an die 36 Grad.
Von der Terrasse aus eröffnet sich ein Wahnsinnsausblick auf die rötlichen Felsen des Waterberg, die die Senke, in der sich unser Lager befindet, wie ein gleichförmiger Ring umgeben. Spektakulär rot geht die Sonne an diesem Abend unter.
Der kleine, runde Swimming-Pool wurde gerade frisch befüllt, doch ist das Wasser nicht so kalt wie erwartet. Was abschreckt, das sind die Scharen an Bienen, die sich’s an den kleinen, perlenden Wassertropfen gütig tun, die sich an den Wänden des Pools gebildet hatten, und jeden Neuankömmling zunächst einmal kritisch umschwirren. Und die zwei toten (?) Skorpione am Boden des Beckens.
Ich überrede Stefan zu einem Abendspaziergang an einem der Wanderwege entlang. Die hörbare Anwesenheit der Paviane bereitet ihm Kopfschmerzen, obwohl wir noch keinen aus der Nähe gesehen hatten. Wir können sie jedoch hören und auch die unzähligen Abdrücke ihrer Tatzen verraten ihre Anwesenheit.
Und dann sehen wir sie auf den Felsen sitzen, hoch oben wie Wachposten aufgereiht, schwarze Silhouetten am noch rötlichen, verblassenden Himmel. Manche von ihnen sitzen da, den Blick über die Ebene gerichtet, manche stolzieren mit einer des Königs würdigen Gelassenheit umher. Können sie uns von dort oben sehen?
Plötzlich ertönen ihre Rufe, dumpf und grollend, wie eine Mischung aus Kriegsruf und Gebell: weithin hallen sie über der Ebene; Drohgebärden, urtümlich wie das Kriegsgebrüll eines urzeitlichen Häuptlings.
Nach einer Weile kehren wir um. Der Sternenhimmel ist spektakulär über dem Waterberg Plateau. Als die feine, dünne Mondsichel hinter dem Horizont verschwunden ist, sehen wir das Kreuz des Südens. Die Temperaturen lassen sich jetzt endlich aushalten.
Nachts höre ich neben unserem Zelt Tiere im trockenen Gebüsch rascheln.
Start: Emanya Etosha Game Lodge
Ziel: Waterberg Valley Lodge
(S 20°28’41.141″E 17°18’0.526″)
Distanz: 369,6 km
Reisezeit: 3,56 Stunden