Am nächsten Wasserloch, an dem wir ankommen, ist etwas seltsam. Denn obwohl im selbigen zwei Elefanten plantschen und ihre Hintern fröhlich mit Wasser bespritzen, stehen die meisten der Autos auf der anderen Seite des kleinen, runden Parkplatzes. Alle Köpfe sind vom Wasserloch und von den Elefanten abgewandt und starren zwischen die Bäume.
„Da sind Löwen.“ Flüstert Stefan.
Der Etosha-Nationalpark ist sehr weitläufig. Die Fläche, 22,270 km² groß, breitet sich um einen See herum aus. Es lohnt sich, sollte man keinen freien Übernachtungsplatz in einem der Camps bekommen haben, die sich innerhalb des Parks befinden, so früh wie möglich loszufahren, um kurz nach Sonnenaufgang da zu sein. In der Kühle des Morgens sind die meisten Tiere zu den Wasserlöchern unterwegs.
Und an so einem Wasserloch befinden wir uns jetzt.
Die Wasserlöcher sind beschriftet und es gibt auch eine ungefähre Angabe dazu, welchen Tierarten man hier begegnen kann. Eines nach dem anderen klappern wir also ab, betrachten zierliche Springböcke, Impallas, Kudus, bewundern die starken, großen Gnu. Und auch unterwegs sehen wir so einiges an Getier: verschiedene Vogelarten, kleine Füchse, Erdhörnchen, Giraffen und Zebras. Doch an diesem Wasserloch begegnen wir unserem ersten Big Five – dem Elefanten, der fröhlich im trüben Wasser des schlammigen Tümpels plantscht.
Aber die zwei Elefanten sind nicht einmal das Interessanteste, das es hier zu sehen gibt, denn alle Köpfe sind von ihnen abgewandt und alle Augenpaare starren mit gezückter Kamera zwischen die Bäume, in deren Schatten ein entspanntes Rudel Löwen seine Nachmittags-Siesta abhält und sich herzlich wenig um den ganzen Trubel schert.
Ich strenge meine Augen an, lehne mich, wie einige andere aus der Gruppe, weit aus dem Autofenster. Eigentlich sind die Löwen kaum zu sehen. Nicht zum ersten Mal auf dieser Reise wünsche ich mir noch ein bisschen mehr Brennweite. Doch es passiert nicht viel. Ein Männchen liegt da, zwei oder drei Weibchen sind bei ihm. Eines der Weibchen steht auf, geht ein paar Schritte. Kein Gebrüll, keine wilde Jagd. Am Wasser stehen ein paar ängstliche Springböcke; die Herde hat sich so platziert, dass sie zwischen sich und den Löwen jede Menge Platz und zwei Elefanten haben.
Wir bleiben noch eine Weile da. Mit gemischten Gefühlen halte ich die Linse meines Objektivs unnachgiebig auf die Wildkatzen drauf. Einerseits – Löwen, wow! Genau vor uns, mit nichts dazwischen! Andererseits, so weit entfernt, dass ich sie nur andeutungsweise zwischen der Vegetation erkennen kann. Und genau das verleiht dem Ganzen etwas Unwirkliches. Das wird heute wohl nichts mit den super-scharfen Safari-Bildern. Denn irgendwie habe ich mich schon auf eine dieser Safaris gefreut, bei denen die Löwen einem aufs Dach klettern… Egal, Löwe ist Löwe… Big Five Nr. 2!
Doch nicht nur Raubkatzen können gefährlich werden. Als wir uns entscheiden, zu gehen, entscheiden sich die Elefanten auch. Zuerst trottet der erste davon, verlässt sein Wasserloch. Er läuft in Richtung der Kiesstraße entlang, über die wir gekommen sind. Und wir bleiben noch einen Moment lang stehen und hoffen, dass er schon weg ist, wenn wir nun zurück fahren.
Langsam ziehen wir uns zurück. Und nein, er ist nicht weg. Mit wackelnden Ohren und forschen Schrittes taucht etwa hundert Meter vor uns der große, afrikanische Elefant rechts vor uns auf und schickt sich an, die Straße zu überqueren. Wir bleiben stehen und warten. Mit afrikanischen Elefanten diskutiert man nicht über Vorrangsregeln.
Glücklicherweise interessiert sich das Tier nicht für uns. Langsam überquert es die Straße und verschwindet kurz darauf im Gebüsch. Doch damit ist der Spaß nicht zu ende, denn hinter uns taucht auf der Anhöhe der zweite Elefant auf. Mit wackelnden Ohren und einem, wie mir scheint, fragenden Blick kommt er recht zügig die Anhöhe herunter.
Die gute Nachricht – wir könnten abhauen, wenn wir denn wollten, denn die Straße vor uns ist nun frei. Schlechte Nachricht: Dieser Elefant ist nur noch circa siebzig Meter vor uns entfernt. Seine Ohren wackeln unentwegt und seine Schritte wirbeln Wolken weißen Staubes auf. Es fällt mir schwer, zu sagen, ob das Tier gereizt ist oder nicht. Wir halten den Atem an und sacken erleichtert zusammen, als er schließlich hinter Bäumen verschwindet.
„Wenn er wollte…“ Sage ich. „Wenn er nur wollte…“ Denn so schnell kämen wir auf der geschotterten Wellblechpiste auch wieder nicht voran.
Doch die bei weitem schönsten Begegnungen haben wir fernab der Wasserlöcher, als wir uns einfach nur entlang der Straße durch den Park bewegen. Die Zebra-Familie am Straßenrand, die, geduldig kauend, keine Anstalten macht, wegzulaufen. Die Giraffen, die neben unserem Wagen entlang der Straße rennen. Die Springböcke, die, völlig angstfrei, so nahe an unserem Auto vorbei laufen, dass man meinen könnte, sie berühren zu können. Oder der afrikanische Strauß, der, den langen Hals wie das Fernrohr eines U-Boots, aufrecht haltend nach links und nach rechts dreht und wachsam nach Fressfeinden Ausschau hält.
Doch mit das Schönste ist wohl die Elefantenherde, die neben der Straße zwischen den Bäumen steht. Mehrere Elefantenkühe und Jungtiere, die ihre Mütter mit den kleinen Rüsseln an den Schwänzen halten. Vertrauensvoll drücken sie ihre Köpfe an die großen Beine der Älteren und ihre Augen scheinen dabei zu lächeln. Mehrere Autos stehen schon da; diejenigen, die sich bereits satt geschaut haben, fahren weiter und die Nachzügler rücken auf. Die perfekte Harmonie.
So folgt ein Safari-Höhepunkt dem nächsten und ich muss lächeln, wenn ich daran denke, wie die paar Antilopen mir zur Anfang schon das Gefühl gaben, ich hätte die Kosten des Permit bereits raus. Da sollte noch mehr kommen und auch wenn wir die Löwen nicht aus nächster Nähe gesehen hatten, war das eine wunderbare Erfahrung. Die Tiere haben größtenteils so gut wie keine Angst vor den Autos, die tagtäglich neben ihnen anhalten. Wir treffen auf ein paar Giraffen, die genau vor uns auf der Straße im sich bereits neigenden Licht der Sonne entspannt an ein paar Baumkronen herumknabbern.
Nach einer Pause in einem der Camps auf dem Gelände fahren wir weiter und steuern ein weiteres Naturwunder Namibias an:
Die Etosha-Pfanne.