Sri-Lanka, Mai 2018
Brav lassen wir unsere Schuhe vor dem Tempel stehen.
Bereits die Fassade ist ein Flash aus Farben und Formen, bunt und üppig, eine Mischung aus Kunst, der ein wenig ins Kitschige abdriftet. Der gesamte Tempel mit seinem in den Himmel ragendem Dach ist ein einziges Werk voller Figuren von Gottheiten und Szenen aus Legenden, die sich um sie ranken. Es ist der Muthumariamman-Tempel in Matale.
Drinnen verstärkt sich dieser Eindruck noch. Bunt wie eine Märchenwelt erscheint der Tempel, bunt wie „Avatar“ oder wie ein schöner LSD-Trip. Den Besucher umfängt der Geruch von Räucherstäbchen. Göttergestalten schmücken die Wände und die Altarräume, doch trotz der prachtvollen Ausgestaltung erweckt der Tempel durch seine Geräumigkeit und dank der Tatsache, dass nur die Wände und die Decken bunt bemalt sind, jedoch so gut wie nichts auf dem Boden herumsteht, den leichten Eindruck einer Halle. Die Decke ist wie ein regenbogenbunter Traum und viele kleine Schreine stehen entlang der Wände. Ganze Hindu-Familien kommen zu den Schreinen, opfern ihrer ausgewählten Gottheit und flüstern ihr Wünsche ins Ohr. Auch Geldspenden sind gerne gesehen. Stefan und ich wandern währenddessen im Tempel umher und lassen uns von all den bunten Farben, Bildern, Klängen und Gerüchen flashen.
Dann erklingt ganz laut eine Glocke, ein Priester führt vor dem Ganesha-Schrein eine kleine Prozession an. Ein kleiner Junge zieht an der Schnur und läutet die Glocke, die fast so groß ist wie er selbst und sieht dabei unheimlich stolz aus. Die Prozession läuft an uns vorbei und bewegt sich von Schrein zu Schrein. Wir indessen stellen uns in die Ecke, um keinen der Menschen zu stören, und beobachten das Geschehen.
Nach der Zeremonie wird frisch aufgeschnittenes Obst an die Menschen verteilt. Eine Familie läuft langsam an mir vorbei; die jüngere der beiden Schwestern schaut mich immer wieder neugierig an. Ich lächle und sie lächelt, das wiederholt sich jedes Mal, wenn wir uns anschauen. Ich sehe, wie sie aufgeregt etwas zu ihrer Mutter sagt, einer grauhaarigen, älteren Frau. Irgendwann, Stefan und ich wenden uns schon zum Gehen, kommt die ältere der beiden mit einer Obstschale auf uns zu, und wir sind gerührt, gehören wir doch so gar nicht zu der betenden Gemeinde hier drinnen dazu.
Draußen vor dem Tempel suchen wir unsere Schuhe. Die hat sich ein Tempelmitarbeiter unter die Fittiche gekrallt und zur Aufbewahrung auf ein Wägelchen gelegt: nun ist für diese Dienstleistung ein Trinkgeld fällig. Und während die restliche, nicht touristische Gemeinde seelenruhig in ihre umherstehenden Treter schlüpft, kramen wir im Geldbeutel nach kleinen Scheinen.