Wie meine Leidenschaft fürs Reisen entstand
Es ist ein später Sommerabend, ich stehe am Zaun, der unseren Obstgarten umgibt, presse mein Gesicht gegen das Gitter und schaue über die wogenden, noch grünen Weizenfelder in Richtung der untergehenden Sonne. Irgendwo da, in weiter Ferne, ist meine Mutter, und ich brenne vor Sehnsucht. Wie gerne würde ich ihr dorthin folgen.
Ich bin in Polen, größtenteils bei meinen Großeltern aufgewachsen. Schon meine frühe Kindheit war geprägt von häufigen Umzügen und der Suche nach Glück. In der Zeit, als ich eingeschult wurde, ging meine Mutter nach Deutschland, um da ein besseres Leben zu finden. An meinem zwölften Lebensjahr holte sie mich zu sich. Doch auch in Deutschland spielte ein häufiger Wohnungswechsel eine bedeutende Rolle in meiner Kindheit und Entwicklung.
Ich spürte schon immer das, was man allgemein als Fernweh bezeichnet. Doch an Reisen war damals nicht zu denken, das gab das Gehalt einfach nicht her. Meine Mutter zog mich alleine groß und brachte mir bei, dass man auch alleine alles schaffen kann. Sie zeigte mir an ihrem Beispiel, wie man seinen Träumen folgt.
Ich weiß, dass ich damals sehr oft vom Meer träumte. Es war groß und kraftvoll, und es war unendlich.
Ein sehr häufiger Traum ist der, wie ich mit einigen anderen Menschen auf einem Floss sitze. Es ist ein nicht sehr stabiles Floss aus Holz, doch es trägt uns auf dem dunklen, trüben Wasser. Die Wellen überschlagen sich schäumend, und auf der Oberfläche des Meeres treibt allerlei Unrat: Holzstücke, Fischgräten… Wir fahren los, entfernen uns immer weiter und weiter vom heimischen Hafen. Im Traum sehe ich eine große Weltkarte vor mir, und hier, dieser kleiner Punkt, das sind wir, die wir uns fortbewegen. Und ich fühlte keine Angst, so weit weg von zu Hause zu sein; es ist befreiend, es ist richtig, es ist, als würde ich alle Fesseln abstreifen (Das Meer aus meinen Träumen fand ich 2014 in Cuxhaven: Ich war fast alleine am Strand und es wurde schon dunkel, die Wellen schäumten und spülten allerlei an Muscheln, Fischresten und Treibgut an den Strand, und die Weite des Meeres roch nach Freiheit; kühl und salzig.).
Mein erster richtiger Urlaub war mit 25 Jahren, es war das Zelten in der Schweiz am Vierwaldstädtersee, im Schatten der Schweizer Alpen. Wie eintönig, vorhersehbar und grau kam mir mein Leben vor, als ich wiederkam! Doch erst als ich wieder alleine lebte, mit ca. 30 Jahren, fing ich wirklich an, die Welt zu entdecken. Es war, als wäre ein Damm gebrochen: Ich schäumte über vor Energie, überschlug mich vor Ideen und Plänen, wollte alles sehen, jetzt, sofort. Zu lange, viel zu lange hatte ich bereits gewartet. Da mein Partner meine Reise-Leidenschaft mit mir teilt, sind wir inzwischen mehrmals im Jahr auf kleinen und größeren Entdeckungstouren unterwegs. Um das auch finanzieren zu können, erhöhte ich meine wöchentliche Arbeitszeit im Rahmen des Möglichen und versuche, mir durch die Teilnahme an diversen pharmazeutischen Studien etwas dazu zu verdienen.
Meistens ziehen wir zusammen los, doch wenn es mal nicht geht, gehe ich auch alleine auf Entdeckungstour. Nicht alle Reiseziele sind für uns beide gleichermaßen interessant; so finde ich Namibia unglaublich reizvoll, während Stefan lieber nach Dubai fliegen möchte. Doch eines weiß ich: Ich werde nie aufhören, in die Welt hinauszugehen, zu erleben, wie das Reisen mich verändert, niemals still stehen und immer meinen Träumen nachjagen. Denn die Welt hält noch so vieles für mich bereit, und das ist erst der Anfang…