Sossusvlei, 13 September 2017
Stefan versucht, anzufahren. Einmal, zweimal. Irgendwann geht gar nichts mehr. Er schlägt mit den Händen aufs Lenkrad. „Scheiße!“
Und wieder wischte ein Künstler mit seinem Pinsel über die Landschaft: Orange-grün, limettengrün, beige… Die Farben, die wir am Horizont fein harmonisch miteinander verwoben sehen, sind mit Worten kaum zu erfassen. Eine Gruppe Oryx grast in einigen hundert Metern Entfernung.
Die Wüste hat ihren eigenen Geruch, er ist schwer zu definieren und noch schwieriger zu beschreiben. Feiner Wüstenstaub legt sich auf meine Lippen – was nicht unangenehm ist. Die sanften Hänge der Berge sehen aus wie Dünen, umweht vom Wüstensand. Durch Luftspiegelung wirkt die Wüste am Horizont wie mit Wasser geflutet und die Bergspitzen, als ragen sie aus einem See auf. Postkartenmotive ziehen an uns vorbei. Rundherum erstreckt sich das Tirasgebirge. Das deutsche Paar fährt in einigem Abstand hinter uns. Falls wir mal wieder gerettet werden müssen…
Riesige Vogelnester hängen in den grünen Ästen der Bäume. Manche von ihnen sind so groß, dass sie aussehen wie Baumhäuser. Die abgestorbenen Bäume hingegen sehen bizarr aus mit ihren schwarzen, verdrehten Ästen; wie die langen, gekrümmten Klauen einer Hexe. Köcherbäume stehen weit oben über uns auf Berghängen aufgereiht wie Wachposten.
Die Straßen führen zeitweise durch Farmen hindurch, innerhalb von Umzäunungen, vorbei an Gebäuden, Nutztieren und arbeitenden Menschen. Glücklicherweise sind die Gatter bislang immer offen, so dass wir nicht anhalten und aussteigen müssen. Es herrscht die ungeschriebene Vorschrift, ein Gatter so zu hinterlassen, wie man es vorgefunden hatte: Ein geschlossenes Gatter muss somit geöffnet und nach dem Passieren wieder verschlossen haben.
Die Farben der Umgebung verändern sich ständig, je weiter wir kommen. Und auch die Straßenbeschaffenheit ist nun wesentlich besser geworden. Ich muss noch über die Anfangstage schmunzeln, da uns ein fester Schotterweg die Schweißtropfen auf die Stirn getrieben hatte. Heute können wir darüber müde lächeln. Wir werden noch lange nach unserer Reise daran denken, mit verklärtem Blick werden wir sagen: Ach, was ein Abenteuer… Ich glaube, zurück in Deutschland werden wir nach der namibischen Weite an Platzangst leiden, es wird uns alles so überfüllt vorkommen…
Und wieder wandelt sich die Landschaft, gelb-goldenes Gras und immer mehr Bäume dominieren nun das Bild. Wir bewegen uns vom äußersten Süden Namibias wieder in nördliche Richtung, zum Naturschutzgebiet Sossusvlei. Gewaltige Gebirge ziehen an uns vorbei. Manche sehen aus wie ein aus dem Nebel auftauchender, wahr gewordener Toplerone-Traum. Und inmitten dieser Berge, inmitten der Wüstenlandschaft und einer grandiosen Aussicht soweit das Auge reicht, liegt vor uns im sinkenden, weicher werdendem Licht die Elegant Desert Lodge.
Die Panne
Stefan versucht, anzufahren. Einmal, zweimal. Irgendwann geht gar nichts mehr. Er schlägt mit den Händen aufs Lenkrad. „Scheiße!“
Und während Stefan noch flucht, steige ich aus dem Auto und beginne, das Vorderrad freizuschaufeln. Jetzt bringt es nichts mehr sich aufzuregen oder zu erwähnen (was ich tunlichst vermeide…), dass die Reiseempfehlungen für Namibia einen Vierradantrieb und einen Kompressor beinhalten, um auf sandigen Pisten den Reifendruck zu senken. Steht in den meisten Reiseführern.
Nein, Schatz, das brauchen wir nicht, wir fahren auf asphaltierten Straßen.
So?
Wie gesagt, ich schaufle die Räder frei und halte brav die Klappe. Stefan steigt aus, sieht, was ich da tue, beginnt, mitzuschaufeln. „Probier’s jetzt mal.“ Sage ich. Er steigt wieder ins Auto, fährt los. Das Vorderrad des Autos gräbt sich wieder ein.
Stefan will in der Namtib Farm anrufen, die wir heute morgen vor etwa einer halben Stunde verlassen haben. „Vielleicht kann Thorsten kann uns ja rausziehen.“ Falls wir hier in der Pampa Empfang haben werden, denke ich mir. Wir sind hier, wohlgemerkt, am Rande der Namib Wüste und haben so etwas wie Zivilisation (Strom- und Telefonmasten) längst hinter uns gelassen. Und ich bin auch nicht dafür, jetzt schon jemanden anzurufen – nicht, solange wir nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben.
Ich beginne, Steine unter die Räder zu legen – das Auto braucht einen stabilen Grund. Stefan sieht, was ich tue und beginnt, mit mir zusammen Steine zu sammeln, hat jedoch, soweit ich sehen kann, die Idee bereits aufgegeben, hier aus eigener Kraft wieder rauszukommen. Als unsere Brücke aus Steinen steht, sehen wir eine Staubwolke am Horizont.
Die Staubwolke gehört dem Fahrzeug eines deutschen Ehepaares. Wir stoppen sie genau vor dem riesigen Krater, der in dem Sandboden klafft und der ein Grund dafür war, dass wir uns beim Ausweichmanöver festgefahren haben und nun in der Sandbank festsitzen wie die Hasen in der… na ihr wisst schon.
„Fahrt an dem Krater seitlich vorbei, da ist der Boden fester.“ Empfehlen wir dem Paar. „Und ich würde da zügig drüber fahren.“ Füge ich hinzu.
Der Mann gibt Gas und kommt ohne Probleme auf die andere Seite. In sicherer Entfernung bleibt er stehen, die beiden steigen aus.
„Habt ihr denn keinen Allradantrieb?“ Die Frau schaut uns an mit einer Mischung aus Erstaunen und Erschrecken. Ich muss mich zusammenreißen, um dem Mann an meiner Seite nicht böse anzublicken. Doch sie hat die rettende Idee: „Habt ihr es schon mit Fußmatten versucht?“ Wir legen Fußmatten vor die vorderen Räder und mit gemeinsamen Anschieben bekommen wir das Auto wieder frei. Die beiden haben die gleiche Fahrtrichtung wie wir und so bieten sie uns an, in einiger Entfernung hinter uns zu fahren – falls wir wieder Hilfe brauchen.
Als wir wieder im Auto sitzen, sagt Stefan: „Ich hätte sie gerne auf eine Kaffee eingeladen – wenn hier irgendwo Kaffee aufzutreiben wäre…
Der Milchshake
Im Camp Betta in Maltahöhe, einem Dorf ca. 170 km von Sossusvlei entfernt, bekommen wir ihn: Laut Reiseführer Afrikas besten Milchshake. Da wir seit dem „Afrikas besten Käsekuchen“ im Canyon Roadhouse mit Superlativen so unsere Schwierigkeiten haben, erwarten wir erstmal nicht viel – doch es lohnt sich, vorbeizuschauen; der Milchshake ist richtig lecker!
Das Schloss Duwisib
„Wie skurril, sich mitten in der Wüste so ein Ding hinzusetzen.“ Sagt Stefan und lässt den Blick über die dunklen Mauern wandern. Er wollte das kleine Schloss hier, 20 Kilometer von Betta Camp entfernt, unbedingt sehen. Erbaut hat es ein Deutscher, ein Artillerieoffizier Hansheinrich von Wolf, irgendwann Anfang des 20 Jahrhunderts und betrieb in damals Deutsch-Südwestafrika zusammen mit seiner Frau eine Pferdezucht.
Das Schloss ist heute im Staatsbesitz, es wurde als nationales Denkmal anerkannt, restauriert, und verfügt über ein Museum sowie Campingplätze und Gästezimmer.
Dieser Beitrag nimmt an Vecartec Blogparade „Meine ungewöhnlichste Autopanne“ teil. Hast du auch eine ungewöhnliche Panne erlebt? Oder an ungewöhnlichem Ort? Dann schau dir unbedingt Alexanders Blogpost an, und lies, was andere Blogger dazu geschrieben haben…
Hallo Kasia,
vielen Dank für den Beitrag zu meiner Blogparade und der detailreiche Beschreibung Eurer Erlebnisse in Namibia.
Viele Grüße,
Alex
Hallo Alex,
sehr gerne! Ich bin schon auf all die anderen Beiträge und Pannen gespannt 😉
Viele Grüße
Kasia