Die Landschaft der Vulkaneifel ist einzigartig. Aus kleinen, grünen Hügeln bestehend, mit nichts vergleichbar, was ich sonst kenne, erinnert sie mich beim Blick aus dem Autofenstern stark an die Volvic Werbung. Ich folge den Anweisungen meines Navis, an den farbig markierten Schildern der Vulkanpfade nach Mayen.
Mayen, im Regierungsbezirk Koblenz gelegen und gerne mal geräuschvoll Das Tor zur Eifel genannt, sagte mir bis auf die Tatsache, dass ich da mal Kunden zu besuchen hatte, bislang nichts.
Nun tripple ich im pittoresken Stadtzentrum herum und bleibe immer mal wieder stehen, um die warme Sonne in mir aufzunehmen. Der Marktplatz ist wirklich groß; der hier bis eben stattgefundene Markt wird gerade abgebaut, wenige Stände mit leuchtenden Stiefmütterchen und Zwiebelblumen stehen noch da, ein Verkäufer sieht mir zwischen seinen Blumenkästen hindurch bei meinem touristischen Staunen zu.
Hier in Mayen sind mir schon beim Eintritt in die Altstadt die beeindruckenden Burgmauern aufgefallen; von außerhalb sieht die langgezogene Mauer stark und grob und richtig mittelalterlich aus – zum Marktplatz hin erschließt sich jedoch ein Blick auf das von der Innenseite der Stadt einsehbare, gelbe Schloss.
Ja, richtig gehört: gelb. Ich habe fast den Eindruck, mein Traummärchenschloss von Montabaur vor mir wiederzusehen. Die Menschen sitzen in Cafés um den großen Platz herum, es ist ein strahlend warmer, sonniger, fast schon sommerlicher Tag.
Auf dem gepflasterten Weg hoch zum Schloss bin ich fast alleine. Zur linken Seite hin gelegen befindet sich ein Rosengarten; ich öffne die Pforte und trete ein. Jetzt bin ich wirklich ganz alleine. Hinter der Hecke steht eine Bank in der prallen Sonne, ich setze mich hin. Es ist sehr still hier, alle Geräusche der Stadt sind plötzlich weg, verschluckt von den Bäumen, Sträuchern und der Höhe (obwohl es so hoch gar nicht ist…) Der Garten gibt zu dieser Jahreszeit noch nicht so viel her; die Rosenstöcke sind zugeschnitten und noch kahl. Es ist warm. Sehr warm. Zu warm. Ich stehe auf und verflüchtige mich in den Schatten.
Auf der Rückseite der Burg führt eine lange, steinerne Brücke über der Hauptstraße hinüber auf die andere Seite der Stadt. Eine dunkle Frau mit einem leuchtend rotem Kopftuch läuft lachend über den Burginnenhof, hält ihren kleinen Jungen an der Hand. Beide sind begeistert von der deutschen Burgromantik. Ihre Schritte verhallen im Inneren, von den hohen Mauern verschluckt.
Auf meinem Rückweg wieder in Richtung Stadt kommen mir zwei Frauen entgegen. Irgend etwas stimmt an dieser Szene nicht, denn sie bleiben stehen, tief im Gespräch versunken. Eine der Frauen hat ihren Arm um die andere gelegt, ein Schluchzen ist zu hören, welches mir sogleich das Herz stocken lässt. Ihre Augen sind rot und sie weint. Wieso, das weiß ich nicht, doch nichts täte ich im Moment lieber als sie ebenfalls zu trösten. Ich tue das, was mir in diesem Moment als das einzig richtige erscheint; taktvoll wende ich die Augen ab und suche das Weite. Das letzte, was ein Mensch in solchen Augenblicken braucht, ist das unangebrachte Interesse von Fremden, wie gut es auch immer gemeint sein mag.
Ich seufze kurz und gehe zurück zum Auto.
Was dem Besucher als eines der ersten Dinge auffällt während seiner Fahrt durch die schöne Eifel, das sind die gekennzeichneten, befahrbaren Pfade. Immer mal wieder passiere ich Schilder, welche jeweils den roten, den gelben, den blauen oder den grünen Pfad anzeigen. Diese Pfade, oder auch Routen, sind im Vulkanpark der Eifel zu Orientierungszwecken geschaffen worden und verbinden Museen, Infozentren und markante Punkte in der Landschaft miteinander. Oft begleitet von Schautafeln lassen Sie tief in die Geschichte der vulkanischen Aktivitäten und dem Gesteinsabbau blicken. Nicht selten lassen sich ehemalige Grubenfelder und stillgelegte Bergwerke besichtigen, wie das Mayener Grubenfeld, über das ich im nächsten Beitrag schreiben werde. Auch Grabstätten und Befestigungsanlagen aus der Römerzeit sind teilweise wieder aufgebaut worden und stehen dem interessierten Besucher zur Besichtigung frei, vieles davon sogar völlig kostenlos. Was die einzelnen Routen bedeuten und was sie kennzeichnen, lässt sich am besten auf der Website des Vulkanparks Eifel nachlesen.
und da ich nach wie vor Mythen, Märchen und Sagen zu jenen Orten, an die es mich zieht, ungeheuer spannend finde, hier eine Geschichte zur Genoveva Burg: Es ist die Legende der Namensgeberin der Burg, der heiligen Genoveva.
„Den Kindern und all denen, die ein kindlich einfaches Herz haben, erzählt eine alte Legende von der Heiligen Genoveva und ihrem Sohne Schmerzensreich. Diese Geschichte trug sich zu – so wird erzählt –, als die Ritter ihne Kreuzzüge ins Heilige Land unternahmen. Dort kämpften sie um Christi willen gegen die heidnischen Türken. Und daheim, in Deutschland, kam häufig Unordnung vor, während die Väter und Brüder in den Krieg gezogen waren. So war es auch auf der Burg des Pfalzgrafen Siegfried. Der Pfalzgraf war ins Morgenland geritten und hatte den Haushofmeister Golo zum Schutz seiner Frau, der jungen Gräfin Genoveva, zurückgelassen. Aber das war ein schlechter Schutz. Denn Golo – kaum, daß er nun Herr im Schlosse war – stellte Genoveva nach. Sie aber wollte dem falschen Golo nicht gehorchen, sondern dem Grafen, ihrem Manne, die Treue halten. Als aber der Graf zurückkehrte, trat Golo als Meister der Lüge auf und log, Genoveva sei ihrem Manne nicht treu gewesen. Dieser geriet in furchtbaren Zorn, und er duldete es, daß Genoveva aus dem Schloß verstoßen und in den tiefen Wald gejagt wurde. Sie trug ihren neugeborenen Sohn im Arm und nannte ihn Schmerzensreich, weil er in all seiner Jugend schon so reich an Entbehrungen und Schmerzen war. – Verlassen von allen Menschen irrte Genoveva in dem wilden Wald umher und suchte einen Ort, wo sie sich, vor Ungewitter geschirmt, aufhalten könnte. Am dritten Tage aber, als sie noch tiefer in die Wildnis hineingegangen war, fand sie in einem Felsgeste in eine Höhle und nahe dabei einen’kleinen Quellbrunnen. Genoveva sagte: „Ich nehme diese schlechte Wohnung an als von Gott bescheert“ und machte für Schmerzensreich und für sich selbst ein Bett aus Baumzweigen und Laub und suchte sich von Tag zu Tag frische Wurzeln zur Nahrung. Schmerzensreich aber hungerte und dürstete, weil er zu klein war, Kräuter und Wurzeln essen zu können. Und Genoveva kniete an einem Baume nieder und betete zu Gott: „Mein Gott und Herr, können deine gnädigen Augen ohne Mitleiden ansehen, wie dieses unschuldige Kind verschmachten muß? Ach, erbarme dich sein, da sein Vater so hart ist und da die Mutter nicht helfen kann!“ Kaum hatte die weinende Mutter dieses Gebet beendet, da lief eine Hirschkuh herzu, die sich wie ein zahmes Tier anstellte und freundlich um sie herstrich, gleich als wollte sie sagen: „Sieh, mich hat Gott gesendet, dein Kind zu ernähren.“ Diese Hirschkuh kam täglich, dem Kind Milch zu geben. So wuchs Schmerzensreich heran, und Genoveva unterrichtete ihn, so gut sie in der Einsamkeit konnte, und hatte herzlichen Trost durch das Kind. Und die wilden Tiere im Wald fingen an, zutraulich zu werden. Sit kamen täglich vor die Höhle und spielten mit den Kinde, es kamen Hasen und Rehe, sogar ein Wolf erschien und brachte ein Lammfell, aus dem Genoveva ein Kleid für Schmerzensreich anfertigte. Die Vögel flogen ihm auf die Hand, und wenn Schmerzensreich ausging, Kräuter zu suchen, so liefen die Tiere mit ihm und zeigten ihm, mit den Füßen scharrend, wo die besten Kräuter wären. Die Mutter Genoveva aber klagte nicht, daß sie anstatt in einem Schlosse im Walde leben mußten, sondern sie lehrte ihrem Sohn dankbaren und frohen Herzens das Vaterunser und die anderen Gebete. Er ward klug in seinen Fragen und Antworten und fröhlich und mutig trotz aller Einsamkeit im Walde, der im Frühling grün, im Sommer erfüllt von Sonnenstrahlen, im Herbst bunt leuchtend und im Winter kalt und schaurig war. – So lebten Genoveva und Schmerzensreich sieben Jahre in der Einsamkeit, und eine Höhle war ihre Wohnung, und Tiere waren ihre Spielgenossen. Bis eines Tages Hornrufe im Walde erschollen. Markgraf Siegfried, der sich auf der Jagd befand und sich tiefer und tiefer im Walde verirrt hatte, erschien vor der einsamen Höhle. Längst in sieben langen Jahren hatte er erfahren, wie sehr er Genoveva Unrecht getan. Und nun, da er Genoveva und Schmerzensreich am Leben fand, führte er sie mit Freuden heim, denn er erkannte, wie sehr Gottes Segen auf ihnen ruhte.“