Europa, Italien

Ausflüge in die Toscana

Wir sehen kaum eine Menschenseele und fragen uns so langsam, ob wir denn hier richtig sind; eine Sehenswürdigkeit, um die die Welt so einen Hype macht, dürfte doch nicht so versteckt liegen? Wir stampfen den Weg entlang, der sich immer höher schlängelt; nur unsere Schritte sind zu hören, die Sonne scheint unbarmherzig herunter, Schweiß tropft von unserer Stirn. Zwei Italienerinnen kommen uns entgegen. 

 

Der Schiefe Turm von Pisa

Die Universitätsstadt Pisa empfängt uns wenig spektakulär, ja, im Vergleich zu Florenz fast schon ein bisschen heruntergekommen. Eine Uni reiht sich an die nächste und der Weg ins Zentrum führt uns erst mal zu einer Brücke, die beide Stadtteile, vom Arno geteilt, miteinander verbindet. Auf beiden schmiegen sich die Häuser am Ufer entlang.

Wir kamen mit dem Zug hierher. Bereits am Bahnhof von Florenz stellten wir fest, dass die Zuganbindungen wirklich super sind und wir uns den Mietwagen hätten sparen können.

Doch um an unser Ziel zu kommen, müssen wir das Stadtzentrum nun verlassen. Wir laufen durch die Außenbezirke, vorbei an einem farbenfrohen Markt, dann weiter durch die verlassen wirkenden Gassen. Wir sind weitestgehend alleine, keiner, den man nach dem Weg fragen könnte. Sind wir denn hier überhaupt richtig? Die Sonne brennt und es geht hinauf – wohin auch immer.

Dann – zwei Frauen, die uns entgegen kommen. Anscheinend leben sie hier, denn wie der typische Tourist sieht keine von ihnen aus. Wir fragen sie nach dem Weg.

„Ist das hier der Weg zum schiefen Turm von Pisa?“ Fragen wir auf englisch. Sie nicken; man kann sie beinahe mit den Augen rollen sehen. Wie viele Touristen werden ihnen die Frage wohl schon tagtäglich gestellt haben?

Als wir die Häuser und die einsamen Wege hinter uns lassen, eröffnet sich uns ein anderes Bild: ein großer, grüner Platz voller Touristen, drumherum kleine und größere Läden mit horrenden Preisen, die Besucher anlocken sollen, in der Mitte des Platzes der Dom Santa Maria Assunta, und ja, da ist er tatsächlich: der berühmte, vielbesungene schiefe Turm.

Touristin mit zwei Köpfen… 🙂

Schon toll, hier zu sein. Auf der grünen Rasenfläche stehen, sitzen und liegen Menschen; Familien mit Kindern, Jugendliche, Menschen aus aller Welt. Am Turm selbst hatte sich vor dem kleinen Wasserbrunnen eine Schlange gebildet. Wir warten, füllen unsere Wasserflaschen auf und verziehen uns dann in Richtung Rasen.
„Wollen wir auf den Turm hoch?“ Fragt mich Nina. Ich spähe hin: Eine lange Schlange an Wartenden…
„Also ich muss nicht unbedingt. Du?“
„Nein, ich auch nicht.“

Der Dom Santa Maria Assunta beeindruckt mich viel mehr als der Turm. Ich liege im Gras und versuche, mir all ihre kunstvollen Details einzuprägen; die Muster, Bilder der Ikonen, mit Blattgold verziert und in der Sonne leuchtend. Fantastisch. So reich, so detailliert, so… ah, einfach herrlich.

Und der schiefe Turm?

Ein gewisser Stolz, ihn gesehen zu haben, ist natürlich da. Im nächsten Moment stehen wir auch schon wieder da und schießen gegenseitig unsere obligatorisch-dämlichen Must-Have-Touristenbilder von uns, wie wir jeweils versuchen, den Turm zu stützen. Man möge sich das mal vorstellen: ein ganzer Rasen voller Leute, und (fast) alle stehen da und machen diese Abstütz-Handbewegung. Ja, das hatte schon was von einem Flashmob.

Danach beschließen wir, einen Happen zu essen. Wir verlassen also die Rasenfläche und bewegen uns zu den Touristenshops; den mit den horrenden Preisen. Plötzlich ertönt der schrille Laut einer Trillerpfeife; unter den bis dato entspannt aussehenden Touristen kommt Panik auf. Fluchtartig versuchen sie, sich von der Rasenfläche zu verdünnisieren. Nina und ich können im ersten Augenblick nicht lokalisieren, woher das Geräusch kommt.

„Schau mal da!“ Ich stupse sie an. Da läuft ein uniformierter Polizist den Rasen entlang und pfeift sich die Seele aus dem Leib. Wenig einfühlsam verscheucht er die Menschen vom grünen Stück Rasen. Der umwerfendste, sexieste Polizist, den wir bis dato gesehen haben. Nun stehen wir da wie festgemauert. Er indessen betrachtet zufrieden den nun leeren Rasen, grinst leicht in sich hinein und verschwindet in einem der Lebensmittelläden. „Ich will ein Foto mit ihm! Komm!“ Ich ziehe Nina hinter mir her, die nun auch die Befehlsgewalt über ihre Beine zurückerlangt hatte. Wir postieren uns wie bei SOKO auf beiden Seiten der Tür und als unser Opfer dann, genüsslich in sein Brötchen beißend, wieder nach draußen tritt, springen wir auf ihn zu – nur dass statt Halt! Keine Bewegung! ein „Can we habe a foto with you?“ aus unseren Mündern kommt. Der Polizist grinst breit.

Kichernd und glücklich laufen wir weiter den Weg in Richtung Bahnhof zurück. Auf dem Weg durch die Stadt sehen wir am Straßenrand Pferdekutschen stehen. Nina blickt mich an, die Augen zwei glänzende, hoffnungsvoll funkelnde Sternchen. „Also gut.“

Wir starten eine Kutschenfahrt durch Pisa. Kutschenfahrten sind eine schön entspannte Idee, um sich einen Überblick über die Stadt zu verschaffen. Wir sehen viele Unis, viele unrenovierte, schon ältere Häuser. Pisa ist – bis auf ihren Turm – als Stadt an sich keinen Besuch wert. Wir bedanken uns beim Kutschenfahrer, steigen aus, laufen weiter. Und haben Hunger. Ein indisches Restaurant kommt uns unter die Nase. „Wollen wir?“ Wir zögern. Es ist schon verrückt, als Reisende aus Deutschland mitten in Italien indisch essen zu gehen, aber… „…warum nicht? Hunger haben wir ja.“ Wir sind die einzigen Gäste im Lokal, es wird sich gut um uns gekümmert. Als Starter kommen Häppchen mit verschiedenen Dips – Nina erklärt mir die unterschiedlichen Saucen.

Nach dem Essen rollen wir, kugelrund und glücklich, wieder zum Bahnhof zurück. Ja, den Mietwagen hätten wir uns sparen können…

 

Mittelalterliches Siena

Endlich haben wir den Wagen bei der Vermietung geholt. Erwähnte ich schon, dass wir ihn nicht wirklich brauchen? Aber, da er ja schon da ist, beschließen wir, etwas damit zu unternehmen. Als besonders sehenswert wird uns Siena angepriesen. Also… nix wie hin. Unser süßer, kleiner Fiat 500 macht, was er soll – er tuckert flink und wendig durch die engen Gassen der Stadt und die kurvigen Straßen der Toskana. Landschaftlich wunderschön, die Zypressen- und Olivenbäume, das sonnig-hügelige Land, das vor uns liegt.

Gegen Nachmittag erreichen wir Siena. Die Schilder besagen, dass fahrbare Untersätze auf vier Rädern außerhalb der Stadtmauern zu verbleiben haben. Denn Siena ist eine autofreie Stadt. Wir lassen den Wagen am Rande der sich hoch schlingenden Straße stehen (anscheinend sind wir nicht die einzigen, die auf diese Art parken) und laufen zu Fuß hoch.

Wir stellen fest – Siena ist eine vollständig intakte, mittelalterliche Stadt, umgeben von einer massiven Stadtmauer. In deren Mitte; ein großes Tor, das wir nun passieren. Als wir die Altstadt betreten, wird mir auch schon klar, wieso Autos hier nichts zu suchen haben – die Gassen sind sehr eng und auf beiden Seiten der eh schon platzbedürftigen Wege haben Restaurantbesitzer Tische und Stühle aufgestellt. Menschen sitzen da und entspannen, es wird Wein getrunken. Hier und da deuten viele kleine Details wie eiserne Griffe und Verzierungen auf das ehrwürdige Alter und den gut erhaltenen Zustand der Stadt hin.

Die engen Gassen führen uns zu einem großen Platz, der das Zentrum der Stadt bildet -Piazza del Campo. Wo auf dem Weg hierher viele alte Menschen zu sehen waren, pulsiert hier das Leben; wobei zum größten Teil Touristen aus aller Welt zu sehen sind. Um den Platz herum reihen sich Restaurants aneinander – lange, gedeckte Tische nehmen fast die Hälfte der Fläche ein. Wir nehmen an einem der Tische Platz und bestellen Wein. Die nächste Zeit verbringen wir damit, die vielen unterschiedlichen Menschen zu beobachten: das Mädchen mit den Blumentattoos auf dem Arm, die junge Russin mit ihren Kindern, die Männer oben auf dem Balkon… Siena ist ein Touristenmagnet, es ist ein Kommen und Gehen.

Den Dom von Siena entdeckten wir eher durch Zufall – er liegt sehr versteckt in einer Seitengasse. Wir wichen, warum auch immer, von der Hauptstraße ab und fanden uns auf einem großen Platz wieder – die reich verzierte Fassade im Abendlicht in goldenen Schein der untergehenden Sonne wirkte überwältigend. Wir blieben lange da und betrachteten die Details; die Engel, die wilden Tiere, die Fabelwesen… jedes Detail war einen Blick wert und ergab eine prachtvolle Einheit. In einem der stilvollen Lokale Sienas essen wir dann zu Abend.

 

Die Anbaugebiete des Chianti

Arme Nina! Da sitzt sie da, wieder einmal von Übelkeit geplagt, und versucht, an nichts zu denken – schon gar nicht an das Schlimmste, was hier im Bus passieren könnte. Kotztüten? Fehlanzeige. Und während ich einerseits die hügelige Landschaft der Toskana betrachte, versuche ich, sie so gut es geht zu trösten.

Wir sind unterwegs zu einem Weingut außerhalb von Florenz – zu den Anbaugebieten der berühmten Rebsorte Chianti. Dies ist eine der organisierten Veranstaltungen, die man übers Hotel buchen kann und die uns Fabio, der Portier, hat angedeihen lassen.

Unser erster längere Halt erfolgt in einem kleinen Dorf, welches, zugegeben sehr malerisch gestaltet, uns ein Gefühl vom traditionellen, authentischen Italien zu vermitteln sucht. Als wir aussteigen, taumelt Nina nur so vor sich hin. Der Magen rebelliert und sie wirkt ganz blass. Wir suchen für sie eine Bank im Schatten in der Nähe eines Brunnens. Dort platziere ich sie erst einmal und hoffe, das kühle Wasser würde helfen. Da ich nichts weiter für sie tun kann, schaue ich mich erstmal in der Ortschaft um.

Gibt es hier Menschen? Lebt hier jemand? Von den Verkäufern, Touristen und Lokalbesitzern mal abgesehen. Das Dorf ist überschaubar und besteht praktisch nur aus dem großen Marktplatz. Entlang der Straße stehen Gemüsehändler, es sieht sehr farbenfroh aus; die kräftig roten Tomaten, goldenen Zwiebeln, Knoblauch, Blumen… ich mag Märkte. Doch nach ein paar Schritten in die eine und in die andere Richtung bin ich eigentlich schon durch. Ich kehre zurück zu Nina, die schon wieder etwas Farbe im Gesicht bekommen hat und mir versichert, es ginge ihr gut. Na dann…

Wir setzten wir uns hin an einen der Tische und bestellen eine Kleinigkeit zu Essen. Ich bezahle mit einem Zwanzig Euro Schein, den der Kellner zunächst nicht wechseln kann. „Ich bin gleich wieder da.“ Sagt er und verschwindet. Ein anderer bringt uns Getränke und frisches Brot, das wir in Olivenöl tauchen. Lecker. Aber wo bleibt der Mann mit meinem Geldschein? Wir haben eine Stunde – und die neigt sich dem Ende zu. Danach würde der Bus weiterfahren. Also stehe ich auf und begebe mich auf die Suche. Ich finde Kellner Nummer eins hinter dem Laden. Ja, er wollte gleich kommen. Als er mir das Wechselgeld gibt, lächelt er verlegen.

Wir steigen in den Bus und fahren weiter. Nina geht es entsprechend besser. Vielleicht hilf es, eine Kleinigkeit im Magen zu haben. Ein langer, verschlungener Weg führ zum Weingut hin, links und rechts erstrecken sich Olivenbaumfelder. Weiße, runde Laternen stehen auf beiden Seiten des Weges verteilt und Zypressen rauschen im Wind. Mediterrane Romantik.

Zuerst besichtigen wir den Weinkeller – mein Interesse hält sich in Grenzen. Doch als wir dann alle am großen, runden Tisch Platz nehmen, erfüllt eine freudige Erwartung den Raum. Es werden Häppchen gereicht und wir arbeiten uns durch die Weinsorten, von leicht und gefällig bis hin zu schwer und gehaltvoll.

Am Schluss geht eine Preisliste rum – wie schade, dass wir mit dem Flieger hier sind! Doch das Schönste an der ganzen Tour ist die hügelige Landschaft, so typisch für die Toskana, die aussieht, als sei sie aus einem Gemälde in einer Pizzeria hierher versetzt worden.

Doch insgesamt ist mein Fazit folgender: Ich finde, dass man einen solchen Ausflug nicht unbedingt gemacht haben muss. Ich persönlich wäre gerne länger sowohl in dem kleinen toskanischen Dorf wie auch auf dem Weingut geblieben und im Nachhinein wünschte ich, wir hätten uns einmal mehr das Auto geschnappt und auf eigene Faust die schöne Umgebung erkundet.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
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