10 August 2016
Geheimnisvoll fing es an, noch vor dem eigentlichen Interview. Mit vielen Andeutungen, Gesten und noch mehr Spannung. Ich muss dir was erzählen; sagt Vanessa. Warte auf das Interview; sage ich. Sie wartet, doch kann man die Hummeln der Ungeduld in ihrem Hintern quasi schon brummen hören…
„Magst du mir nicht gleich diese Geschichte erzählen? Weil… ich hab das Gefühl, sonst platzt du.“
Ja… siehst du dieses Bild zu der Geschichte? Man sieht es nur von weitem.
Wir laufen am Strand entlang. Weißer Sand, türkisfarbenes Meer, Sonne und schöner Wind. Plötzlich siehst du, dass dir jemand entgegen rennt!
…rennt?
Ja. Und wir wollten eigentlich nur einen schönen, entspannten Spaziergang machen.
War der vielleicht joggen?
Der war nicht joggen. Der ist einfach… vor den Polizisten weggerannt, die hinter ihm waren.
… (hier an dieser Stelle würde man mich wohl sprachlos mit großen Augen sehen) Vanessa lacht laut auf, amüsiert über meine Reaktion.
Der Polizist war hintendran. …Und ich guck ihn so an… alle Leute gucken… siehst du (Foto, red.), hier, der Typ mit den Sachen zum Verkaufen; Zigarren, Schmuck und so weiter? Der rennt einfach mit den Sachen ins Wasser, und dann hat er alle seine Sachen ins Wasser fallen lassen; zum Schluss hat er nur noch sein Handy in der Hand gehabt. Er ist dann mit seinem Handy immer weiter vor. Ein Kumpel von ihn wurde von der Polizei gefasst; wegen Drogen. Die haben nicht Sachen (hier: Souvenirs, red.) verkauft, die haben Drogen verkauft. Das war nur die Tarnung.
Die Polizei hat dann stundenlang gewartet, dass der Typ aus dem Wasser kam, und der hat dann mit dem Handy im Wasser gewartet.
Ja, haben die ihn dann nicht einfach…
Die haben ihn nicht einfach rausgeholt oder so. Die haben erstmal eine Viertelstunde gewartet, und der Typ hat sich immer mehr zwischen die Touristen geschmuggelt; der hat sogar sein Oberteil ausgezogen, damit die den nicht gleich erkennen. Irgendwann sind die Polizisten wieder nach hinten gelaufen mit dem verhafteten Kriminellen. Der zweite im Wasser hat gesehen, dass keiner mehr da war, ist dann wieder raus – und die Händler, die Jetsky vermieten, die total seriös rüberkommen; weißt du, was er gemacht hat? Er hat einem von denen sein Handy gegeben. Der Händler hatte Dokumente zum Ausfüllen; wenn du was mieten willst zum Fahren, hat das Handy dann zwischen seine Dokumente gelegt. Der Typ ist dann wieder ins Wasser. Als die Polizei wieder vorbei kam, haben die Händler alle so getan, als wenn nichts gewesen wäre.
Die Jetsky-Leute und der Typ, die hatten alle mit Drogen zu tun. Und das ist alles vor meinen Augen passiert. Und ich hab zur Seba (=Sebastian; Vanessas Mann, red.) gesagt: Komm, wir setzen uns jetzt hin, ich will das beobachten.
Mexikanische Drogenschmuggler… Ich hab mich kaputt gelacht. Und die Polizei stand da und hat ihn gesucht… Aber was hätte ich denen sagen sollen? Seba sagte zu mir: Du bist ruhig, ich will lebend nach Hause… Aber ein Tourist hat ihnen etwas gesagt und ich dachte nur, oh mein Gott, der wird bestimmt später abgeknallt werden, die stecken alle zusammen….
Ich habe ein Foto davon gemacht… es ist eine ganz schlechte Qualität; ich hab so getan, als ob ich ein Selvie gemacht habe…
An einem Abend haben wir beschlossen, bis ganz zum Ende vom Strand zu gehen. Es gab dort Schildkrötennester zu sehen; und wenn du um zwölf Uhr nachts hin gegangen wärest, dann hättest du gesehen, wie die Schildkröten ihre Eier legen. Aber nach der Erfahrung mit dem Drogen-Typen, da haben wir gesagt: Nein, lass uns da nicht mehr abends entlang laufen, du weißt ja nicht, wen du da triffst…
Ist das alles weiter von euch entfernt passiert?
Nein. Das war von hier… bis da, wo der Schrank ist (Vanessa zeigt eine Entfernung von wenigen Metern an).
Hat die Polizei den Mann im Wasser dann irgendwann mitgenommen?
Nee… die Polizei ist dann einfach weggegangen. Die haben nur die Tasche mitgenommen, die der Verhaftete dabei hatte; aber ansonsten sind sie weggegangen. Irgendwann habe ich zu Seba gesagt: Komm, wir gehen, bevor sie sich dann anfangen, gegenseitig abzuschießen…