Bonaire, September 2016
Schnorcheln an den Küsten von Bonaire
Nach der wunderbaren Schnocheltour in den Mangrovenwäldern hatten wir natürlich den Köder geschluckt. „Wollen wir heute Nachmittag nochmal schnorcheln gehen?“ Na klar! Und wie wir wollten! Wir hatten Blut geleckt, wollten so etwas schönes immer und immer wieder neu erleben.
Nach einem kurzen Lebensmittel-Einkauf schnürten wir also unsere Sieben-Schnorchelsachen zusammen und schmissen den Pick-up wieder an.
An der Küste entlang, gegenüber der Salinen (Ihr wisst schon… das waren diese Zauberseen mit der rosa Farbe) hatten wir uns einen Schnorchel-Point ausgeguckt, der nur wenige Felsen aufwies und an dem es relativ flach ins Wasser ging. An der Umgehungsstraße waren immer wieder solche „Points“ für Schnorchler und Taucher ausgewiesen; sie waren mit gelben Steinen markiert.
Da wir uns heute morgen bereits wieder in Erinnerung gerufen hatten, wie Schnorcheln geht, hielten wir uns nicht mehr lange auf; nochmal schnell eincremen, Maske an, Schnorchelschlauch in die Gosch und ab ins Wasser!
Es war eine schöne Stelle. Lagunenblaues Wasser kam in Wellen an den Sand geschwappt und die schneeweißen, von der Sonne gebleichten Steine und Muscheln harmonisierten wunderbar mit dem kräftigen Türkis des Meeres (überhaupt: dieses Türkis! Niemals werde ich mich daran gewöhnen können, dass ein Meer so aussehen kann, so wunderschön, das… das kann nur ein Traum sein!) Und wem das noch nicht genug Schönheit ist, der drehe sich um, blicke einmal über die Straße hinweg die rosa-silbrigen Seen mit dem schneeweißen Schaum an den Ufern garniert. Und wem das nicht Schönheit genug ist – dem kann ich nicht helfen…
Als wir uns unter Wasser begaben, hatte ich nicht wirklich damit gerechnet, sofort irgendwelche Fische zu sehen, zumindest nicht so nahe des Ufers – ich dachte, wir würden erst danach suchen müssen. Doch wir sahen Fische, sobald wir den Kopf unter Wasser hatten. Direkt hinter der Strandlinie befanden sich Korallenriffe und dort wuselte und tummelte sich das Leben. Alles war hier anders als im grünen Unterwasserreich der Mangrovenwälder; das Meer war unter seiner Oberfläche getaucht in ein sanftes, hellblaues Licht.
Zuerst sah ich den sandigen Boden und da, genau auf dem Grund, einen etwa 30 cm großen Fisch, der zwar im allgemeinen blau war, doch im Licht in allen Regenbogenfarben schimmerte (nein, ich litt an keinen Sauerstoffmangel zu der Zeit – Stefan sah den Fisch auch 🙂 Papageienfische werden die genannt; das hatten wir später recherchiert, doch lange Zeit war es für uns einfach der „Regenbogenfisch“) Forsche Jäger (ich tippe auf eine Makrelenart), schlank und mit scharfkantigen Flossen, markierten ihr Revier.
Ich begab mich zu den Korallenriffen. Und je näher ich kam, umso großer wurde die Dichte der winzig kleinen Fischschwärme um mich herum, die hier wohl eher den großen als Fischfutter dienten. Und ich bemerkte noch etwas; während ich versuchte, angestrengt nach vorne zu schwimmen, nutzten diese Fische größtenteils die Strömung und ließen sich im Wasser hin und her treiben, schaukelten mit den Wellen mit – und ich tat es ihnen nach. So leicht ist also das Leben, wenn man ein Fisch ist – und nicht gerade gefressen wird.
Die größeren Fischschwärme konzentrierten sich um die Korallenriffe, die ihnen Schutz boten; sie ließen sich passiv im Wasser treiben, doch beim Anzeichen geringster Gefahr zuckten sie wie ein Man zusammen, sammelten sich blitzschnell und flüchteten alle in eine Richtung. Zunächst dachte ich, dass ich es war, die ihnen Angst machte; doch es waren wohl eher ihre größeren Artgenossen, die mit einigem Abstand um die Riffe kreisten.
Die Fische kommen hier zwar nicht auf einen zu, denn sie werden nicht von Hand gefüttert, was ich aber irgendwie beruhigender fürs Ökosystem finde.
Ich sah Fischarten, die ich bisher nur von Farbaufnahmen über die karibische See kannte; manche sah ich zum allerersten Mal live. Da wären die handtellergroßen, ganz flachen Kaiserfische, tiefblau und fluoreszierend. Falterfische, schwarz-weiß gestreift, sie sahen aus wie plattgewalzt; man begegnet ihnen auf unzähligen Bildern. Manche haben hinten auf der Flosse ein großes, schwarzes „Auge“, um ihre Feinde zu verwirren um abzulenken. Der „Schmollfisch“, wie ich ihn aufgrund seiner wulstigen Kusslippen nenne und der in Wirklichkeit zu den Kofferfischen zählt, war auch da – doch hier war er weiß und dicht mit schwarzen Punkten übersäht, so als hätte er Pocken – unglaublich, wieviel Fantasie die Natur beweist!
Apropos Fressfeinde: Einer der forschen, jagenden Fischarten, der, genau wie ich, die kleinen Fischschwärme umkreiste, kam irgendwann herausfordernd direkt auf mich zu und es hatte fast den Anschein, als wolle er mich angreifen. Zuerst war ich baff, doch dann hatte ich der Grund dafür kapiert – er sah mich als Konkurrenz um seine Beute an! Keine Sorge, kleiner Fisch, ich fresse hier nicht, ich beobachte nur… Doch frech fand ich das schon, ich meine: Ich bin ein Mensch und du – guck dich an – du bist nur ein Fisch, also… verzieh dich! Der Jäger suchte sich einen anderen Fischschwarm.
Zwischen den Korallenriffen in Bodennähe gab es Schwärme etwas größerer Fische. Und am Meeresboden selbst war so mancher Bewohner so gut getarnt, dass man meinte, einen porösen Stein vor sich zu haben – bis sich der „Stein“ plötzlich rührte und einen mit zwei großen, schwarzen Kulleraugen ansah.
Überall knarrte, knackte und knisterte es und ich wusste zur Anfang nicht, woher die Geräusche kamen. Ich ging irgendwie davon aus, dass man unter Wasser nichts hören würde – doch es waren all die kleinen Fische, es war all das Leben um mich herum. Der Papageienfisch knabberte an Steinen herum und es machte „knarz, knarz…“ Begeistert zeigte ich auf ihn, obwohl hier niemand sonst außer mir ihn hätte sehen können – Stefan hatte sich irgendwo in einen anderen Bereich der Korallenriffe verzogen.
Sanft getragen von den Wellen glitt ich über die Korallenriffe. Ich fühlte mich wie in Avatar, so in den „Lüften“ hoch über der „Landschaft“ zu schweben. Ich hielt mich lange bei den Riffen auf, es war alles so faszinierend: pulsierende Wesen mit Greifarmen, biegsam, elastisch, die sich im Wasser bewegten und filterten – ich fühlte mich wie im Reich der kleinen Meerjungfrau aus der Geschichte von Hans Christian Andersen, als sie, an all den Polypen vorbei zum Haus der Hexe gelangen wollte, um ein Mensch zu werden.
Immer höher wurden die Riffe, an denen ich entlang glitt. Kasia, komm nicht zu nahe dran, die hier sind auch schon so hoch… Doch es war bereits zu spät, eine stärkere Welle hatte mich auf das Riff geworfen, welches zwar unter mir, aber relativ nahe an der Oberfläche war – ich zog mit meinem nackten Bauch und den Armen über die Riffe und schlürfte mich auf. Es brannte, und das war nicht nur dem Salz geschuldet – ich vermutete, dass mich die Riffe selbst wie Nesseln verbrannt hatten (siehe Feuerkorallen).
Wieder am Ufer: Die Brandblasen an meinem Handgelenk bestätigten meinen Verdacht. Stefan, der zu mir kam, warf einen Blick darauf und meinte nur: „Das sieht ja schlimm aus!“ Doch ich fühlte mich nicht, als müsste ich ins Krankenhaus, also…
„Wollen wir wieder ins Wasser?“
Ich blieb diesmal lange drin. Respektvoll hielt ich jedoch einen gebührenden Abstand zu den Riffen. Ich hätte dem Treiben da unten ewig zusehen können. Als ich wieder aus dem Wasser kam, war der Himmel mit Schleierwolken verhangen. Deshalb wurde es also im Wasser nach und nach kühler!
Stefan saß längst auf der Ladefläche des Pick-up und rauchte. Ich kam schlotternd zum Auto, wickelte mich mit einem Handtuch ein und krümelte mich neben ihm zusammen. „Kalt…“
Den Weg zurück fuhr ich wieder glücklich und quietschvergnügt auf der Ladefläche, wie ein Küken in ein Handtuch gewickelt. Toll! Und wieder war die Fahrt viel zu kurz…
Kleiner Exkurs zur Polizei auf Bonaire:
Tja, um es mal in wenigen Worten zu sagen; eine solche habe ich auf der Insel nicht wirklich gesehen. Einmal nur in Kralendijk waren ein Mann und eine Frau, der Uniform nach als Polizisten ausgewiesen, auf Fahrrädern unterwegs. Und da die Insulaner hier beim Autofahren eh mehr oder weniger machten, was sie wollten, hatten wir keine Sorge, von irgendwem angehalten zu werden.