Krempel, Krempel, Krempel… Tasche packen, schleppen, einladen. Kartons packen, schleppen… Was machen denn die ganzen Sachen in meiner Wohnung? Wo kommt das alles her?
„Kasia…“ Fatima* hebt eine Tasche in die Höhe, randvoll gefüllt mit… Taschen; Stofftaschen, Plastiktüten, Papiertüten, alles fein säuberlich verstaut. „Echt jetzt?“
Ich breche in einem Lachkrampf zusammen. „Davon habe ich im Keller noch eine ganze Kiste voll…“ Sie sieht mich an und schüttelt ganz langsam den Kopf. „Kasia… du musst ausmisten. Wirklich ausmisten. So viel Platz hast du nicht…“
Fatima* unterstützt mich beim Umzug. Hilft, alles einzupacken. Gibt Tempo vor, wo ich mich längst in Kleinigkeiten verlieren würde. Und so findet Kiste um Kiste, voll gepackt mit Allerlei, sicher ihren Weg in die Garage – oder in die neue Wohnung.
Wovon sie noch ganz, ganz viel bei mir findet, sind Kleiderbügel. Große, kleine, dunkle, helle… versteckt in Taschen, verstaut im Keller… „Soll ich sie für dich aussortieren?“ Fragt sie, nachdem sie eine weitere Tüte voll davon entdeckt.
„Aber…“ Stammle ich. „Kleiderbügel kann man immer gebrauchen…“
Sie sieht mich fest an. „Kasia, der Platz…“
„Ja, sortiere sie aus…“ Seufze ich.
Eigentlich, denke ich mir, war es schön damals in Italien, als ich zwei Wochen lang nur von einem Koffer lebte. Die Auswahl war übersichtlich und ich wusste, wo was ist… Ich hatte nichts vermisst, nichts hat gefehlt. Es gibt Menschen, die diese Zeit auch mit dem Inhalt eines Rucksacks zubringen. Und mir hat die Einschränkung, die ich nicht einmal als solche empfunden habe, richtiggehend gut getan.
So what the fuck macht denn der überfüllte Kleiderschrank hier in meiner Wohnung? What the fuck habe ich alles in meinem randvollen Keller? Außer Kleiderbügel und Tüten natürlich?
So, lass mal schauen…
Da wäre einmal die Gartenbank, die ich eigentlich zusammenbauen wollte (?). Da wäre noch die zweite Gartenbank, die ich auch zusammenbauen wollte (??). Da wären die beiden Arbeitsplatten für meine Küche, die ich montieren… ach, vergiss es. Da wären Klamotten… Winter… sechs Kisten??
Geschirr… wer braucht denn zwei Tellerservices? Tut es nicht auch eines? Drei Satz Weingläser… nee, oder?
Bad… vom Bad fangen wir am besten gar nicht erst an…
Irgendwann, als Fatima* schon wieder weg ist, wir Stunde um Stunde gepackt, getragen, ein- und auch wieder abgeladen hatten, stehe ich in meiner Wohnung und komme nicht weiter. Zwischen „brauche ich“, „kann weg“ und „kann man noch gebrauchen“ verliere ich völlig den Überblick. Doch dann kommt Gottseidank Yasemin und nimmt die Situation in – und mich an der Hand. Es geht weiter.
Es ist faszinierend, festzustellen, mit wie wenig wir Menschen eigentlich auskommen können, ohne dass uns etwas fehlt.
Es ist faszinierend, in wie viele Ecken meiner Wohnung ich schon ewig nicht mehr reingeschaut habe. Um jetzt völlig überfordert festzustellen, was ich so alles habe…
Wir häufen gerne mal Besitz an, kaufen aus Lust und Laune, doch nur weniges davon brauchen wir so wirklich. Alles andere ist Ballast, der die Ecken verstopft. Und innerhalb dieses Ballastes suchen wir uns dann krumm, da wir Dinge, die uns wichtig sind, aus den Augen verlieren (Ach, welch ein schönes Wortspiel!). Wo ist der Autoschlüssel? Wo habe ich den USB-Stick/Speicherkarte/wichtige Unterlagen hin getan?
Von so vielen Dingen haben wir doppelt und dreifach. Vieles sind einfach Staubfänger. Und vieles andere ist schön, doch löst es negative Gefühle / Erinnerungen in einem aus. So besitze ich noch immer Glassteine, die mir ein Verflossener mal geschenkt hat – ich habe sie nie aufgestellt, weil sie mich daran erinnern, doch weggegeben hatte ich sie auch nicht, da sie so schön und selten sind.
Und überhaupt – Deko. Wir lieben es alle, wir kaufen es immer wieder gerne ein, doch das artet oftmals aus… Wie oft driftet Deko ins Ramsch, wie oft reihen sich schöne Gegenstände Stück an Stück aneinander, bis sie dabei völlig ihre Wirkung verlieren? Um wieviel schöner wirkt ein Gegenstand, wenn er für sich selbst Raum beanspruchen kann und diesen mit keinem anderen teilen muss?
Spartanisch, einfach; ja, irgendwie vermisse ich das. Doch es ist unglaublich schwierig, loszulassen, vor allem Dinge, für die man irgendwann einmal viel Geld ausgegeben hatte und nun feststellen muss, dass man nicht so wirklich Verwendung dafür findet?
Zuerst dachte ich mir – verkaufen. Keine schlechte Idee, denn egal, wie viele Rupien der Kram einbringt, alles ist besser als nichts. Doch das Problem dabei ist; „Verkaufen“, das dachte ich mir schon vor ungefähr einem halben Jahr… und jetzt ratet mal, wieviel ich seit dem verkauft habe? Richtig.
Doch während des Umzuges entdeckte ich noch eine weitere, dankbare Möglichkeit; verschenken. So habe ich mich auch direkt um meine Kommode und meinen Couchtisch erleichtert. Natürlich hat auch das irgendwann einmal Geld gekostet, doch die strahlende Freude im Gesicht eines anderen Menschen zu sehen ist toll.
Und ganz ehrlich, ich hätte es sonst doch nur für die nächsten Jahre in der Garage eingelagert und einstauben lassen, denn mit dem Thema „verkaufen“ wollte ich mich bislang so gar nicht beschäftigen.
Ich denke, es ist ein Prozess, sich nicht mehr so sehr an den materiellen Wert der Dinge zu klammern (die meisten davon haben ohnehin keinen mehr), nicht mehr zu glauben, man bräuchte unendlich viele Gegenstände, die einem Sicherheit geben, sich vom Gedanken „was wäre wenn“ zu trennen. Denn Einfachheit und Übersicht sorgt für Klarheit in meinem Kopf, für ein schnelles Fließen der Gedanken. Der Blick hat keine Ablenkungen mehr und der Geist (ohne es spirituell zu meinen) kann sich auf das Wesentliche konzentrieren.
Es ist auch ein Prozess, Dinge auszusortieren; wobei aussortieren hier nicht der richtige Begriff ist. Wenn man alles, was man hat, zurücklassen und nur das Nötigste, nur die Lieblingsstücke mitnehmen durfte, so stellt sich hier weniger die Frage: Was kann weg, sondern vielmehr was muss mit?
Spontaner Einfall, just jetzt, beim Schreiben: In meine alte Wohnung zieht jetzt eine Familie aus Rumänien ein; mein Vermieter sagte mir, die Leute hätten nicht viel. Vielleicht fasse ich mir ein Herz und bringe mal ein paar Töpfe, Geschirr, Besteck hin? Dinge, die ich doppelt und dreifach habe?
Warum nicht?
* Namen geändert