Afrika, Namibia

Swakopmund – Ostsee unter Palmen

Tagsüber erscheint uns die Stadt weit weniger bedrohlich als bei unserer Ankunft am Abend. Sicher gibt es immer noch diese finster dreinschauenden Zeitgenossen, die in ihren Kapuzenpullis am Gehsteig versuchen, uns am Straßenrand Sonnenbrillen zu verkaufen, doch wir sehen auch Touristen, die einkaufen gehen oder mit ihrer großen Kamera die Innenstadt erkunden. Und wir sehen auch schick gekleidete Einwohner, die durch die Stadt schlendern.

„Tagsüber ist es wohl halb so wild.“ Sage ich zu Stefan. Dennoch haben wir unsere Kameras sicherheitshalber im Gasthaus gelassen und sind nun mit den Smartphones in der Stadt unterwegs.

Es gibt viele Möglichkeiten, hier seine Zeit zu verbringen: Wale-Watching, Katamaran- oder Quad fahren auf den umliegenden Dünen als auch Stadtführungen aller Art. Doch wir haben uns für… nichts davon entschieden. Genauer gesagt haben wir uns für gar nichts entschieden; wir nehmen uns eine Auszeit von all den Unternehmungen der letzten Tage. Das Einzige, was wir tun werden, ist Einkaufen und bei dieser Gelegenheit ein wenig durch die Stadt schlendern. „Find ich cool.“ Sagt Carmen dazu.

Es ist ein durchweg bewölkter Tag. Die Sonne, die gestern wenigstens ansatzweise am Himmel zu sehen war, ist heute vollends hinter einer Wolkendecke verschwunden und der Benguelastrom pumpt kalte, arktische Luft an die Küste – die Temperaturanzeige ist auf 14 Grad gesunken. Es ist kalt in Swakopmund. Die Menschen in der Stadt sind in Ohrenschutz-bestückten Mützen zu sehen und ich krame meine Baumwollhandschuhe raus. Es ist wie Mitte August an der Nordsee. Nur die Palmen stören das Bild.

Manchmal sehen wir Touristen, sofort an der Gänsehaut zu erkennen und daran, dass sie, völlig unvorbereitet auf die kalten Temperaturen, in ihren kurzen Shorts am ganzen Körper bibbern. Wer indessen warm angezogen ist, ist ein Swakopmunder.

Unsere Aufgabe Nummer eins: Neues Geld abheben. In Bank Nummer eins gibt mir die Bankangestellte mit Zeichen zu verstehen, dass das zur Zeit nicht möglich ist. Also wieder raus, über die Straße und zur Bank Nummer zwei. Dort lassen wir uns einen entsprechenden Betrag auszahlen, von dem wir glauben, bis zum Ende des Urlaubes damit auszukommen.

Auch das Geldabheben an diversen Automaten ist möglich, und die Kriminalitätsrate in der Stadt ist in den Augen der Wachmänner zu spüren, die selbige bewachen. Anscheinend muss es schon öfter zu Überfällen gekommen sein, denn jeder Geldautomat hat einen uniformierten Sicherheitsmann, der in dem Häuschen oder einfach auf einem Stuhl im Freien sitzt, eine Zeitung in der Hand. Auch am Automaten vor „unserem“ Supermarket, in den wir gerne einkaufen gehen, da wir uns dort ein wenig sicherer fühlen als wir es auf einem Wochenmarkt tun würden, sitzt ein Uniformierter – 24 Stunden am Tag. „Sie wechseln sich immer ab.“ Sagt Carmen, als ich sie danach frage. „Aber ja – es ist immer jemand da. Die ganze Nacht.“

Wirklich unsicher fühlen wir uns nicht. Wie könnten wir auch, so mitten am Tag…

Wir bestaunen indessen all die deutschen Schilder, die in vielen Besuchern sicher Nostalgie wecken und dem schwarzen Bevölkerungsanteil die ehemalige Kolonialzeit unter die Nase reiben. Da gibt es das Hotel Kaiserhof, die Apotheke, die Stadtmitte und die Bäckerei, auch die Gebäude erinnern eher an Little Sylt als an eine afrikanische Kleinstadt.

Von oben, vom  Woermannturm aus können wir von jedem der vier Fenster  einen anderen Teil der Stadt sehen. Unten sitzen Jugendliche in einem Innenhof und tippen auf ihren Smartphones. Ein Stück weiter spielen Kinder auf einer Wippe auf dem Spielplatz. Ganze Straßenzüge liegen vor uns und das bereits erwähnte Hotel Kaiserhof ist von Weitem zu sehen. Der bleierne Atlantik garniert als dunkler Streifen am Horizont die Stadt, unterbrochen von einem rot-weißen Leuchtturm, der mich an die Nordseeinsel Amrum denken lässt. Außerhalb der Stadt erheben sich Sanddünen.

Der Woermannturm ist in der Kolonialzeit 1894 von den Deutschen zu Handelszwecken erbaut worden. Heute er für Besucher gegen ein paar wenige N$ zugänglich. Mit einem anderen deutschen Pärchen geben wir uns die Klinke in die Hand. Oben angekommen haben wir dann einen Rundumblick über die Stadt.

Beschaulich geht es heute in Swakopmund zu, als wir wieder unten sind und umher schlendern. Am Turm befindet sich ein Eiscafé, in dem wir auf der Suche nach einem Cappuccino für Stefan hängen bleiben. Die freundliche Mitarbeiterin weiß genau, wie sie uns zu noch zwei Milchshakes überreden kann (nicht dass sie uns hätte lange überreden müssen…). Genau von hier aus beobachten wir die frierenden Menschen. Gänsehaut auf nackten Beinen. Gänsehaut beim Hinsehen. Aber wer kann es ihnen verdenken, den Eintagesbesuchern, die noch 200 Kilometer außerhalb der Stadt mit Temperaturen über 30 Grad zu kämpfen hatten.

Wir machen einen Abstecher zum Strand. Hier, außerhalb der Innenstadt, sind wenige Menschen zu sehen. Möwen kreisen schreiend über uns und der Atlantik bricht sich in tosenden Wellen vor unseren Füßen. Ein Stück weiter weg am Pier sehen wir die Lichter eines Lokals. Eine Familie kommt mit ihren Kindern an den Strand, läuft an uns vorbei und weiter am Strand entlang. Mit bloßen Füßen gehen sie ins Wasser. Ich stecke einen Zehen rein. Brr… arktisch. Zwischen die dunklen, runden Steinbrocken haben die Wellen Muscheln und leuchtend grüne Algen angespült. Der Wind lässt unsere Kleidung flattern.

Als wir zurück zum Auto gehen, kommt uns eine Gruppe bettelnder Kinder entgegen. Mit ausgestreckter Hand, in der bereits ein wenig Kleingeld liegt, gibt er uns zu verstehen, dass ihm nur noch wenige N$ fehlen, um… ja was? Sich ein Eis zu kaufen? Für ein besseres Leben? Kinder sollten nicht betteln. Wir gehen weiter.

Die Deutschen bilden eine Minderheit in Namibia (ca. 0,9%),doch trotzdem sind in ganzen Land Spuren der deutschen Vergangenheit zu sehen.  In Swakopmund gibt es sogar zwei oder drei lokale, deutschsprachige Zeitungen; wir schlendern gerade am Sitz der Swakopmunder Allgemeinen Zeitung vorbei. Einige solche Blättchen haben wir bereits im Hotel liegen sehen. Namibia ist ein großes Land , in dem jedoch relativ wenig passiert und so kommt es, dass fast jedes erwähnenswerte Ereignis tatsächlich auch eine Erwähnung in der Zeitung findet. So erfahren wir, wo und wann es einen Wildunfall gegeben hat, welches Fahrzeug es auf den Schotterstraßen aus der Kurve gehoben hatte oder welche Bananensorte sich gegen ältere Sorten durchgesetzt hat; dass Chinesen mit Vorliebe Namibische Esel aufkaufen, um sie zu essen und dass ein illegaler Händlerring aufgedeckt wurde, der das Horn des weißen Nashorn im großen Stil aus dem Land schmuggelt – unter anderem nach China natürlich, Potenzmittel und so.

So verbringen wir einen Nachmittag damit, in den verschiedenen Artikeln zu stöbern. Man erfährt selten so viel über ein Land als wenn man einfach mal eine Zeitung liest – Sprachkenntnisse und freie Berichterstattung vorausgesetzt.

Als wir am nächsten Morgen weiter fahren, hält die Stadt noch eine weitere ihrer Facetten für uns bereit: Auf der Suche nach der Hauptstraße verirren wir uns in die Außenbezirke, das Downtown von Swakopmund. Die Häuser werden immer ärmlicher, bis sie selbst gezimmerten Behausungen gleichen. Junge Menschen hängen mit düsteren Blicken auf den Straßen herum. Ein kleiner Barbershop, bestehend aus einem Stuhl und einer flatternden Abdeckplane, existiert eingequetscht zwischen zwei weiteren Buden. Ausschließlich schwarze Bevölkerung ist auf den Straßen zu sehen. Und so sehr der Stadtteil, in dem unser „Intermezzo“ lag, eingebettet zwischen hohen Mauern der Villen mit teuren Autos, Verandas und Swimmingpools in den Gärten, in denen kleine, weiße Kinder toben, förmlich nach Geld aussieht, umso mehr scheint dieser Stadtteil hier zu zerfallen. Man kann die Aussichtslosigkeit hier förmlich greifen. Kein Wunder, dass die Menschen aus den Vororten einen Hass entwickeln. Und auch Carmen, die Besitzerin des „Intermezzo“, ist aufgrund der Überfälle in ihrer Nachbarschaft nicht wirklich verwundert. „In Namibia gibt es keinerlei Sozialabsicherung. Also woher nehmen, wenn nicht stehlen?“ Sagt sie am letzten Abend zu uns.

Die Kontraste fallen sofort ins Auge, selbst uns, Besuchern, ohne die genauen Zahlen zu kennen. Auf der einen Seite die Villen, auf der anderen Seite das Downtown, wie ich es für mich selbst benannt habe. Und überall die unvermeidliche, da notwendige Security.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

Für dich vielleicht ebenfalls interessant...

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.