„Wie anders die Landschaft doch aussieht, abhängig vom Lichteinfall. Steht die Sonne tief, wirkt sie wie gemeißelt, bekommt mehr Tiefe, während sie am Mittag zweidimensional wie eine Schablone und fahl, ohne Farben und Schatten daherkommt. Jeden Tag fahren wir inzwischen bekannte Strecken entlang und jeden Tag entdecke ich einen neuen Blickwinkel, eine neuen Perspektive.“
„Der Moment, wenn die Welle sich formt, aufsteigt, für einen Augenblick wirkt sie ganz zerbrechlich. Zerbrechlich und kraftvoll. Dann bricht sie sich am Fels, erstirbt selbst und formt ihn zugleich.“
„‚Gibt es eigentlich ein Gesetz, dass die Häuser weiß sein müssen?“ „Nein, ich denke, die sind schon aus Tradition weiß. Schwarz wäre ja schlecht.“ Ich lache. „Außer wenn jemand zwischen dem Lavagestein nicht gefunden werden will…'“
„Rötliche und rostbraune Vulkane ziehen ebenso schnell an uns vorbei wie neongrüne Rebstöcke in den Vertiefungen des Vulkankies. Umringt mit kleinen, kegelrunden Mäuerchen formen sie eine einzigartige Landschaft, die es so vielleicht nur hier gibt.“
15 Mai 2022
Teguise ist heute kaum wiederzuerkennen. Aus der schläfrigen Kleinstadt ist ein geschäftiger Ort geworden, aus allen Richtungen strömen Autos hierher. Bereits jetzt am Morgen sind die Parkplätze voll, Einweiser lotsen Besucher in freie Parkräume. Dank einer Sondergenehmigung dürfen die Einwohner während der Markttage ihren Grund und Boden für Parkende zur Verfügung stellen und daraus Einnahmen generieren. Stefan kreist eine Runde ratlos durch den Ort, bis ich ihn endlich anflehe, einen solchen, kostenpflichtigen Parkplatz zu beanspruchen. Zudem ein solcher Parkplatz nur 1,80 kostet. Und schließlich wollen wir los.
Fasziniert schaue ich mich um. In das verschlafene Städtchen ist buntes Treiben getreten. Besucher schieben sich durch die Gassen und an den Schneeweißen Mauern platziert spielen Straßenmusiker. Auch das Wetter verwöhnt mit Sonnenschein und blauem Himmel, im Gegensatz zum letzten Mal.
Der Kunsthandwerkermarkt findet jeden Sonntag statt. Er erstreckt sich zwischen 9 und 14 Uhr auf weitläufiger Fläche und ist der größte Markt auf Lanzarote. Und er verdient seinen Namen. Es gibt hier alles, von Nippes bis Kunst. Was uns interessiert, ist die Kunst. Selbstgemachtes und Einzigartiges lässt sich finden, bunt und fröhlich ist die Stimmung. Manufakturen, die vor Ort ihre Geschäfte haben, sind vertreten. Kreativität und Ideen, welche ich in dieser Form hier zum ersten Mal sehe. Doch auch der Durchschnittstourist findet für sich etwas von der Stange. Auch „Designerwaren“ finden sich hier, doch eben auch Einzigartiges.
Wie diese kleinen und großen, ganz aus Holz gefertigten Vögel und Libellen, die im Wind vibrieren; kleine, bemalte Puppen und Musikinstrumente. Selbst designter Schmuck und immer wieder zieht sich als Motiv das Wahrzeichen von Lanzarote, der tanzende Teufel, hindurch. Lavagestein wird zu Schmuck verarbeitet. Ich verliere mich zwischen Schmuck, Steinen und handgefärbten Kaschmirtüchern, Seidentunikas und bemalten Schalen. Und nein, dies ist keiner dieser Orte, wo sich irgendwann alles zu wiederholen scheint; an jeder Ecke gibt es etwas Neues. Ich muss mich bremsen, der Kaufrausch lässt grüßen.
Erschöpft von so viel Kunst und Shopping flüchten wir in unser Burgerrestaurant, wo es zur Stärkung Bier und Meeresfrüchte gibt. Zu Hause fallen wir dann müde in unsere Betten. Ja, es ist erst Mittag, aber ihr wisst schon – die Tradition der Siesta muss man in Ehren halten.
Salinas de Janubio
Hier wird noch immer Salz gewonnen. Die Salinas de Janubio sind die größte Anlage dieser Art auf den Kanarischen Inseln. Als 1985 mit dem Abbau von Salzablagerungen im Familienbetrieb begonnen wurde, wurde das Salz von der spanischen Flotte als Konservierungsmittel für den Fisch verwendet. Dieser Zweck ist geblieben, wenn auch nicht in einem solch großen Umfang wie damals. Auch heute wird das Salz in Familienbetrieb gefördert, rund zweitausend Tonnen pro Jahr. Ein Teil davon wird auf dem Markt als Speisesalz verkauft, ein weiterer Teil findet in Schwimmbädern als Ersatz für Chlor Verwendung. Die salzhaltige Umgebung ist ein Brutgebiet für Zugvögel und Organismen, die sich an eine solche angepasst haben und bildet so ein wichtiges Ökosystem, was ebenfalls für den Erhalt spricht. Ebenso der touristische Aspekt.
Salinas de Janubio können gegen Entgelt zwischen 11 und 17 Uhr besichtigt und betreten werden. Als wir ankommen, ist es schon relativ spät am Abend. Von den rosa- bis orange leuchtenden Farben ist aufgrund des ungünstigen Sonnenstands nicht viel zu sehen. Wir schauen uns kurz um, bleiben jedoch nicht lange.
Die Salinen zu betreten ist nicht unbedingt notwendig, und von oben lässt sich das Farbspiel viel besser bewundern. Den Haltepunkt nahe der Landstraße an einem windigem, grasbewachsenem Hügel entdecken wir nur via Zufall, da eine weitere Familie dort rastet. Wind zerrt an Haaren und Kleidung, als ich mich der Abbruchkante nähere, doch von hier oben bekommen wir beide einen hervorragenden Blick. Hier oben zu sitzen und einfach nur den Wellen des Meeres auf der anderen Seite zuzusehen hat aber auch seinen Reiz. Auch wenn die kalte Luft an einem zerrt. Weiter unten ist ein schwarzer Strand sichtbar. Es gibt viele solcher, völlig unentdeckter und nur von Bewohnern Lanzarotes genutzten Orte.
Fast eine Stunde bleiben wir so am Felsen sitzen.
Los Hervideros, die 2te
Wir haben noch freie Zeit und versuchen bei Los Hervideros unser Glück. Beim letzten Besuch waren die Wellen seicht und das berüchtigte Tosen des Meeres in den unterirdisch-vulkanischen Höhlen blieb aus. Wir nehmen uns vor, bei Flut wieder hierher zu kommen.
Dafür sehen wir ein anderes, nicht minder spannendes Naturphänomen: viele Insta-Sternchen, die am Abend hierher kommen und fast ins Wasser fallen für das perfekte Foto. Mit wehenden Kleidchen hangeln sie sich rückwärts den Hang entlang, die Kamera immer im Blick und das Lächeln fest auf ihren Lippen. So entstehen Aufnahmen, denen wir folgen und die wir bewundern – durch ein ungeschicktes Herumstolzieren barfuß oder in ungeeigneten Schuhen auf porösem, in Fußsohlen schneidendem Lavagestein. Nun, einerseits möchte man sich darüber amüsieren. Doch vergessen wir nicht, viele bekannten, milliardenschweren Modelabels machen das genauso…
Ein Weg zum Lago Verde
Wärme. Hier, an solchen Orten, ist man permanent von Wärme umgeben. Die Grundtemperaturen betragen 18-26 Grad und weichen selten davon ab. Nach rund drei Tagen hat man sich daran gewöhnt und es ist nicht mehr „zu heiß“. Man ist total entspannt durch eine konstante Grundwärme, wie ein Ofen im Inneren. Nicht wie in Deutschland, wo das vorrangige Gefühl, mit dem zu rechnen ist, das permanente, untergründige Frösteln darstellt…
Das schöne an zu viel Zeit ist eines: man hat keinen Druck und keine abzuarbeitenden Listen. So bleibt man offen für Überraschungen. Und schöne Orte, die man eventuell sonst nicht gefunden hätte. Und wie findet man diese? Die Einheimischen werden sie euch schon zeigen. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, wo sich viele Leute tummeln, da gibt es was umsonst. Ein nervöser Stefan parkt sein Auto im absoluten Halteverbot in der Kurve an einer der Hauptrouten, gleich hinter einer ganzen Reihe an Autos, die ebenso geparkt worden sind. Wir sind neugierig, was es hier zu sehen gibt. Die Menschen halten an, steigen aus und wandern an einem hervor ragendem, riesigem Stück Fels vorbei, der in der sinkenden Sonne aussieht wie eine honiggelbe Schichttorte mit Schokoladencreme. Man kann an der Färbung erkennen, wo unterschiedliche Lavaströme aufeinander trafen.
Ich bestehe darauf, den Menschen zu folgen, die hier vereinzelt entlang spazieren – auch wenn mein Stefan aus Angst um den falsch abgestellten Mietwagen fast einen Herzkasper bekommt. Wir gehen um eine Kurve und gelangen auf einen mit Holzbohlen abgesteckten Weg. Zu unserer Rechten gibt es noch mehr Schichttortenfelsen zu sehen, das Tuffgestein hatte sich in verschiedenen Farben abgelagert. Vor uns ein rostroter Berghang, links schneeweiß wie kleine Kinderbauklötze das Dorf El Golfo, das wie ein Lichtfleck am schwarzen Hintergrund der Vulkanberge leuchtet. Weit hinter mir wie ein Geist in der Sonne stehend die schwarze, schlanke Silhouette des zögerlichen Stefan, der zwischendurch anhält und weitere Bilder macht. Trotz seiner Bedenken kommen wir noch weiter heran an den Lago Verde, denn genau hier an diesem Ort haben wir ihn wiedergefunden, den grünen Teich.
Insgeheim frage ich mich, ob der Weg „von unten“ zum Lago Verde hin so ganz legal ist, hatte ich mal was anderes gelesen – doch die Locals sind schmerzbefreit. Und auch so, wozu ist der Holzbohlenweg sonst da? Er führt zu einem der schwarzen Strände, die Lanzarote umgeben wie ein dunkler Ring, zu den abgestellten, ausgedienten Fischerbooten. Lago Verde von unten ist nicht der Rede wert, die Farbe des Wassers ist eher grau denn grün. Mich zieht es weiter den schwarzen Strand entlang, vorbei an den Fischerbooten, denn ich möchte gern wissen, ob ich von hier aus am Strand entlang zur Bucht von El Golfo gelangen kann. Die kurze Antwort lautet ja, doch wäre dies mit einigem Aufwand verbunden, denn der Streifen schwarzen Kies, der den Strand bildet, ist von Felsen und Felshöhlen unterbrochen. So klettere ich über große, rund polierte nasse Steine, vermeide es, mich in Algen und sonstigem Gewächs zu verfangen und lande in einer dieser ausgespülten Höhlen, die nach und nach von den Wellen gebildet wurden. Wasser tropft drinnen von der Decke und ich weiß, dass die Höhle bei Flut vollständig überspült wird. Durch ein „Fenster“ schaue ich auf die Welt hinaus und fühle mich kurz wie Captain Cook.
Aus Rücksicht auf den wartenden Stefan wird die Expedition jedoch vorzeitig beendet, noch ehe neue Welten entdeckt werden können. Wir stampfen wieder durch den warmen Sand zu unserem Auto zurück, welches natürlich noch so steht wie wir es verlassen haben und wo uns niemand aus Nachsicht eine Delle im Blech produziert hat. Natürlich nicht, denke ich und werfe einen triumphierenden Blick zu Stefan.
Es geht zurück durch die von der Abendsonne gemeißelte Landschaft. Ach, schon wieder so viel getan, so viel gesehen und so viel erlebt. Und die restliche Zeit des nicht mehr jungen Tages? Da wollen unsere neu adoptierten Katzen, die lautstark unser Fortbleiben beklagen, versorgt, sprich: gestreichelt werden. Wie könnten wir da nein sagen.
Den Sonntagsmarkt in Teguise habe ich bewusst ausgelassen, weil ich den Massenandrang gefürchtet hatte. Vielleicht war das dann doch ein Fehler! Euer Besuch dort scheint sich ja wirklich gelohnt zu haben, auch wenn du deinen Kaufrausch zügeln musstest 😁. @Salinas und Hervideros: Glück gehabt! Als ich letztens auf Lanzarote war, waren die Zufahrtsstraße zu beidem gesperrt. Da hattet ihr an dem Tag ja echt ordentlich action! Und dann abends noch den anspruchsvollen Katzen gerecht werden …
Der Markt ist ein Sammelbecken von Künstlern und Kreativen. Es gibt dort auch viel Ramsch und ja, auch viel Trubel. Für uns hat es sich gelohnt, aber wir mögen ja auch Shopping 😉
Wir hatten Programm an diesem Tag. Die Katzen trugen dann zur Entspannung bei 😉
Mittlerweile habe ich dank eurer Geschichten viel über Lanzarote gelernt 🙂
Das freut mich. Wirst du mal hin reisen?😉
Sehr schön, dein Bericht macht Lust auf einen Besuch. Bisher dachte ich immer, da gibt es nichts als Lava, aber jetzt weiß ich es besser.
Schichttorte mit Schokoladencreme? – Du siehst aber auch Sachen in den Steinen, Ts Ts Ts…
Ich sehe eben Dinge… auch nüchtern😅