Afrika, Kanarische Inseln, Lanzarote

Cueva de los Verdes

16 Mai 2022

„Da kannst du alleine hingehen.“ So klingt von vorne herein Stefans unerschütterlicher Beschluss, von dem ich ihn auch im Laufe der darauffolgenden Stunden nicht abbringen kann. Nicht mal im Ansatz. Dabei mag ich Höhlen so gerne. Sie üben eine Faszination aus, wie Tore in die Unterwelt. Es gibt nur noch wenig Unentdecktes auf unserer Erde, doch unter ihr sieht die Sache schon anders aus.

Die Cueva de los Verdes entstand während des Vulkanausbruchs des Montana Corona vor drei- bis viereinhalb Tausend Jahren. Es handelt sich hierbei um eine Röhrenhöhle, die sich bildete, als der Lavastrom an der Oberfläche erkaltete und die Magma unterirdisch weiter in Richtung Meer floss. Die dadurch entstandene Röhre ist sieben- bis acht Kilometer lang, doch der für Besucher zugängliche Teil führt über knapp einen Kilometer ins Erdinnere. Ein Kilometer, der sicherlich machbar wäre, auch für jemanden mit Angst vor engen Räumen. Denn die Höhle ist weitläufig, das werde ich im Laufe der Erkundungen feststellen.

Aber mein Liebster lässt sich dieses Mal durch keine Macht der Welt dazu bringen, das Naturwunder mit mir zu betreten, und so stelle ich mich alleine in die Schlange der Wartenden. Natürlich habe ich mir im Vorfeld kein Ticket besorgt, wir sind sowas von spontan unterwegs. Doch auch denjenigen, die eines online gekauft haben, winkt dadurch kein Vorteil – sie müssen Schlange stehen wie alle anderen auch. Ich blicke in das eine oder andere frustrierte Gesicht. Hey, Leute – möchte ich ihnen am liebsten zurufen – ihr habt doch Urlaub. Entspannt euch.

Tja, ich habe gut reden. Habe ich mir doch schnell und geschickt einen Platz weiter vorne gesichert (wer früh aufsteht und früh da ist…). Normalerweise pfeife ich auf den frühen Vogel, doch diesmal ist der Wurm drin… ich meine, mein.

Im Schatten vor der Höhle wartend krame ich bereits frühzeitig mein Jäckchen und mein großflächiges Tuch für die Schultern aus dem Rucksack. In Höhlen kann es gut und gerne um einige Grad kühler werden, man, bin ich gut vorbereitet. Zufrieden laufe ich mit den anderen los, nur um im Verlauf weiterer Meter Tüchlein und Jacke wieder einzupacken. Innerhalb der Höhle ist es warm, sehr warm: irgendwas zwischen 18 und 20 Grad.

Die Cueva de los Verdes – die „Grüne Höhle“ also, ist nicht grün, wie ich mit Erstaunen feststelle. Das Farbspektrum pendelt zwischen weiß (Calciumkarbonat), rot (oxidiertes Eisen) und schwarz, welches von erkaltetem Magma stammt. Kein Grün. Der Name „Verdes“ hat nichts mit der Farbgebung zu tun, er geht zurück auf eine Familie diesen Namens. Während im 16 und 17 Jahrhundert nordafrikanische Piraten die Insel angriffen, nutzten die Menschen diese Höhle als Versteck vor Überfällen. Eine Familie Verdes soll hier ihr Vieh gehalten haben.

Ich bleibe in der Nähe unseres Guides, denn so erfahre ich Dinge, die mir beim Umherstreifen so nicht aufgefallen wären. So zum Beispiel wissen wir jetzt, dass die „Stalaktiten“ und „Stalagmiten“, die um uns herum zu sehen sind, diesen Namen nicht wirklich verdienen. Denn Stalaktiten brauchen Wasser, um sich zu bilden. Diese Formen, die wir hier sehen, entstanden aus heiß tropfender Lava.

Fasziniert streifen wir durch diese Naturkathedralen. Immer wieder öffnen sich neue Räume, das „Gewölbe“ reicht unendlich hoch. Im Hintergrund sind leise, gregorianische Gesänge hörbar, gerade laut genug, um die mysteriöse Stimmung zu betonen. Wie unaufdringlich und geschmackvoll die Beleuchtung angebracht wurde, gerade so, um die natürlichen Eigenschaften des Gesteins hervorzuheben. Kein Wunder, wurde sie doch von Jesús Soto, einem engen Freund César Manrique installiert. Von der Natur geschaffene Formen und Skulpturen werden betont. Wo anderorts auf der Welt unterirdische Höhlen in geschmackneutraler, blauer und pinker Illumination erstrahlen, bildet die Cueva de los Verdes eine schöne Ausnahme.

Der Raum weitet sich zu einem Konzertsaal. Stuhlreihen und eine Bühne, Bühnenbeleuchtung, alles ist da. Hier wurde nicht nur mit Beleuchtung, sondern auch mit Klängen experimentiert, wie uns unser Guide erklärt – die Voraussetzungen dafür sind wie geschaffen. Die Konzerthalle wird heute noch für klassische Musikkonzerte genutzt. Das aber selten, denn es fehlt hier unten an nötigen Dingen wie beispielsweise Toiletten. Dafür muss eine Musikvorstellung in einer solchen Umgebung ein einzigartiges Erlebnis sein.

Über eine Wendeltreppe gelangen wir eine Ebene nach oben. Dann stehen wir vor einem Abgrund voller Farben und Licht. Unser Guide erzählt und erzählt, dann nimmt sie einen Stein in die Hand. Halt, möchte ich rufen, dort unten sind noch Menschen, wirf ihnen den Stein doch nicht an den Kopf. Der Arm hebt sich, der Stein fällt und dann…

Was dann passiert, möchte ich euch an dieser Stelle vorenthalten, aus Gründen. Wenn ihr vorhabt, nach Lanzarote zu reisen und die Cueva de los Verdes zu besuchen, dann recherchiert im Vorfeld nicht zu viel. Lasst euch überraschen und ich verspreche euch, der Eindruck wird einmalig sein. Verdirbt auch anderen nicht die Überraschung.

Wir stehen sprachlos da. Blicken hinein. Vor uns eröffnet sich ein Abgrund, der unermesslich in die Tiefe der Erde zu führen scheint. Oder in ein anderes Universum, so, als könnte etwas daraus emporsteigen. „Ich hab Angst.“ Sagt das polnische Mädchen neben mir zu ihrem Freund. Einem anderem Mädel ist die geisterhafte Musik unheimlich. Hier, genau an dieser Stelle, befindet sich das größte Geheimnis der Cueva de los Verdes, sagt unser Guide. „Erzählt es nicht weiter…“

Oben wartet mein Stefan auf mich. „Es hat sich gelohnt.“ Sage ich begeistert und mit leuchtenden Augen und wünschte, er könnte sehen, was ich gesehen habe. Natürlich verrate ich ihm nicht die Pointe am Schluss, könnte ja sein, dass er doch noch Gast im Untergrund sein möchte. Doch mein Liebster bleibt bei seinem „nein“; Höhlen, sagt er, das sei so gar nicht sein Ding.

 

Jardín de Cactus

Jeder, wirklich jeder, macht Bilder vor so einem Riesenkaktus. Zu nahe kommen sollte man den pflanzlichen, grünen Säulen jedoch nicht. Ihre Stacheln sind wie Waffen, jederzeit bereit, den unaufmerksamen Fotosüchtigen in den Hintern zu pieksen. Zum wiederholten Male zucke ich zusammen und stelle mir (lieber nicht) vor, wie es wäre, in einen solchen Hain hineingeworfen zu werden. „Schaatz…“ rufe ich, während ich die Kamera so weit am Boden halte wie möglich, um die Dimensionen – großer Stefan vor noch größerem Kaktus – zu erfassen. „Geh mal einen Schritt zurück… noch einen Schritt… noch einen…“ Stefan schaut sich um, ein stacheliger Kaktus schaut zurück. Mein Liebster sieht mich an und grinst. „Jaa, genau…“ Ich grinse noch breiter. Wir verstehen einander.

Der Kakteengarten in der Provinz Guatiza an der nordöstlichen Küste wurde, wie so vieles auf der Insel, ebenfalls von César Manrique gestaltet. Sie ist nicht übertrieben, die Behauptung, dass der Künstler das Antlitz der Insel geprägt hatte. Der Garten, der sich so schön in die Landschaft fügt, entstand mit Unterstützung seines Freundes Jesus Soto, der die geschmackvolle Beleuchtung der Cueva de los Verdes entworfen hatte. Jardín de Cactus war Manriques letztes großes Werk. Er wurde 1990 eröffnet, zwei Jahre vor seinem tragischen Verkehrsunfall im Jahr 1992.

Der Garten beinhaltet Kakteen- Aloe- und Sukkulentenarten, viele davon sind nicht auf der Insel heimisch. Was auffällt, ist die abgesenkte Lage des Gartens; er wurde in einer ehemaligen Abbaugrube (Rofera) entworfen und gestaltet. Die ebenirdische Mitte bildet den Hauptpunkt der Gartenanlage, doch auch einige Terrassen, die in die Höhe führen, sind vorhanden. Sie stellen einen Bezug zu den Terrassen auf den Feldern von Lanzarote dar.

Wir lassen uns durch die gewundenen Wege treiben. Einige Magmasäulen sind stehen geblieben; Manrique hatte beschlossen, sie in den Garten mit zu integrieren und als Kunstwerke zu behandeln. Überhaupt sollte so wenig wie möglich aus der Landschaft herausstechen; das Restaurant wurde ebenfalls aus Lavagestein gebaut. Das Restaurant ist rund und unter der Dachkuppel ist ein großes Windspiel zu sehen. Wer möchte, kann hier solch exquisite Gerichte wie einen Kakteenburger probieren, eines der Dinge, die ich gerne Probiert hätte, wäre ich nicht einfach daran vorbei und weiter gelaufen.

Die weiße, geschichtliche Mühle gibt uns Fragezeichen auf. Sie wurde, wie wir später erfahren, restauriert und stammte aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert. Hier wurde ein Lebensmittelprodukt namens Gofio erzeugt; es handelt sich um geröstetes Getreide, das unter Zugabe von Salz vermahlen wurde. Manchmal fügte man Hülsenfrüchte hinzu. Andere Länder, andere Mühlen…

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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8 Kommentare

  1. Wunderschön, diese Höhlen! Ich war nicht dort, will das aber beim nächsten Mal nachholen. Und ich werde nach deiner Warnung auch garantiert nicht zu viel im Vorfeld recherchieren. Hach, der Kakteengarten! Ich fand den auch total klasse. Ja, auch Kakteen brauchen Liebe – aber besser auf Distanz 😁.

    1. Du warst nicht dort? Dann unbedingt nachholen 🙂 Aber was rede ich, es gibt so viel Schönes auf Lanzarote, man könnte glatt nochmal zwei Wochen dran hängen. Die Cueva de los Verdes lohnen sich auf jeden Fall.

  2. Danke für den interessanten Bericht. Einfach schön was die Natur zustande bringt.
    Liebe Grüße, Harald

    1. Die Natur ist immer wieder erstaunlich, doch hier hat der Mensch sie in Szene gesetzt 😉
      Lg Kasia

      1. Aber die Natur hat hierfür die Voraussetzungen geschaffen.

        1. Das hat sie. Und das hat der Mensch zu nutzen gewusst 😉

  3. Schöne Bilder, aber ich wäre trotzdem vorsichtig mit Kakteen umarmen – LOL

    1. Auch Kakteen brauchen Liebe 😉

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

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