„Hola, hier ist definitiv einiges los!“
Nach einer weitestgehend einsamen Wanderung komme ich auf eine belebte Strecke. Gefühlt tausend Autos (gut, tatsächlich waren es vielleicht zehn…) parken entlang des schmalen Weges, Camper, Anhänger und alles, was sich einen schönen Ausflug ins Grüne erhofft, ist hier unterwegs. Ganze Familien und Gruppen machen sich fertig, um in ihr aktives Wochenende zu starten. Doch weshalb sich alles hier an diesem Punkt konzentriert? Fast bin ich geneigt, mich umzuschauen, ob es hier irgendwo was umsonst gibt.
Ein paar Schritte weiter entdecke ich des Rätsels Lösung. Hier befindet sich ein überdachter, mittelkleiner Rastplatz. Tisch und Bänke laden zum Sitzen ein, die omnipräsente Vogelkacke weniger. Hinter mir, im Schatten einiger Bäume, beginnt eine Verkäuferin, ihren Stand aufzubauen. Es gibt hier „Pajda ze smalcen“ (eine Stulle mit Schmalz). Nicht umsonst.
Vorsichtig platziere ich mich in eine saubere Ecke am Tisch. Von hier starten diverse Ausflüge in die Umgebung und eine Radtourenkarte gibt Aufschluss. Wo sind die von mir so präferierten Wanderstrecken? Doch wie bereits im letzten Beitrag erwähnt, lassen sich die Radwege problemlos als Wanderwege nutzen. Nur müssen die Strecken eventuell auf ihre Länge hin gekürzt und ggf. angepasst werden.
Einige Schautafeln informieren über verschiedene Arten zu Befüllen und Entleeren der zusammenhängenden Teiche. Bei dieser von Menschenhand geschaffenen Landschaft steckt ein ausgeklügeltes System dahinter und unterschiedliche Techniken kommen zum Einsatz. Die ältere Methode, die Teiche zu leeren, basiert darauf, dass das Teichsystem auf unterschiedlichen Höhen angelegt ist. Logischerweise beginnt man das Befüllen bei dem am niedrigsten liegendem Teich. Bei einer anderen, neueren Methode wird das Wasser auf verschiedenen Ebenen „über Kreuz“ geleitet, so dass sich die Gewässer nicht mischen und das Entleeren unabhängig von der Höhe der Teiche erfolgen kann.
Der Fluss Barycz fließt in mehreren Läufen in das weitläufige Tal hinein. Die Landschaft mit ihren vielen Vertiefungen ist wie geschaffen für die Fischzucht. Die ersten Verzeichnisse darüber gab es bereits im frühen Mittelalter, im 11 Jahrhundert. Doch ihre Blütezeit erlebte die Karpfenzucht im 13 Jhd., als sich die Zisterziensermönche in Schlesien ansiedelten. Mit ihrer Ankunft kamen auch neue religiöse Bräuche in diese Gegend, unter anderem der Begriff des Fastens, also des Verzichts auf Fleisch. Im Mittelalter wurde Fisch nicht als Fleisch angesehen, somit erfreuten sich die von den Mönchen mitgebrachten Karpfen einer großen Beliebtheit. Die zu dieser Zeit angelegten Teiche waren riesig, sie hatten teilweise mehrere Tausend Hektar Durchmesser.
Im 19 Jahrhundert ging die Karpfenzucht zurück. Zum einen sank der Wasserspiegel im Fluss, gleichzeitig stieg die Rentabilität der angebauten Pflanzennahrung wie Getreide usw. So wurde ein großer Teil der Teiche zugeschüttet, um Fläche für den landwirtschaftlichen Anbau zu erhalten.
Eine weitere, einschneidende landschaftliche Veränderung fand nach dem Zweiten Weltkrieg statt. Die Teiche wurden, um neuen, zyklischen Zuchtmethoden gerecht zu werden, in kleinere Bereiche unterteilt. Die zerstörten und verwahrlosten Wasserflächen wurden gesäubert und repariert, aus übriggebliebenem Material wurden Inseln aufgeschüttet. Heute bieten die weitläufigen Wasserflächen des Bartschtals Platz und Ruheorte für viele Vogelkolonien.
Der Hunger treibt mich näher an den Stand heran. Ich bin die erste Kundin, scheine aber mit meiner Anfrage das Geschäft angekurbelt zu haben, denn sofort bildet sich eine Menschentraube um mich herum.
„Eine Stulle mit Schmalz bitte.“ Sage ich. Die Dame zeigt mir die „Stulle“, die fast so dick ist wie en Hochhaus. „Eine ganze? Oder lieber eine halbe?“ Na was denkt ihr denn, eine ganze natürlich! Tante Kasia hat nicht gefrühstückt. Tante Kasia hat Hunger.
Die Stullenverkäuferin langt mit ihrem Brotmesser tief in den Schmalztopf rein. Eine dicke Schicht aus reinem Fett kommt auf mein Brot. Ich wünsche mir noch Tomaten, Schnittlauch und all das, was lecker und frisch ist und was ich von Zuhause kenne. Als sie fertig ist und ich mit meinem Hochhausbrot in Richtung Sitzbank schlendere, will längst jeder Ausflügler das gleiche haben wie ich.
Schließlich, nachdem vom Hochhausbrot nur noch Krümel übrig sind, reihe ich mich in die Trauben der Spaziergänger ein. Wie schon in den letzten Beiträgen erwähnt, scheint Wandern hier etwas wenig bekanntes und nur in den Bergen praktiziertes zu sein. Was man hingegen häufig antrifft, ist sogenanntes „Schlendern“ oder „Spazieren“. So schlendern ganze Sonntagsgesellschaften den mit einem Male befestigten Weg an den Milicki- Teichen entlang. Links Wasser, rechts Wasser.
Die teils sehr alten Bäume geben den Blick auf weite Wasserflächen frei, in denen sich die ersten, braunen Kastanienbäume im stillen Wasser spiegeln. Die braune Färbung der Blätter kündigt den Herbst an. Wie schön muss es hier aussehen, wenn der Oktober alles zum Leuchten bringt. Wenn der Nebel langsam aufsteigt und inmitten der Nebelschwaden der Ruf des Reihers zu hören ist.
Auch jetzt ist das stahlgraue Wasser durchschnitten mit tausend kleinen Punkten. Wasservögel, groß und klein, tummeln sich im Schilf, geben hohe Laute von sich. An einer freien Stelle setze ich mich auf eine hohe Bürgersteigkante (die Blicke sind mir egal…) und genieße den Anblick. Enten sitzen auf sandigen Erhebungen wie aufgereihte Perlen auf einer Schnur. Graue Teiche verschmelzen mit grauem Himmel, wo die Grenze ist, ist nur zu erahnen. Scharfkantiger Schilfgräser stechen heraus wie ein Scherenschnitt.
Wo das Wasser an die Ufersteine plätschert, sehe ich grün, viel grün. Die Blaualge hat sich auch in diesem Sommer ausgebreitet. Die Böden sind überdüngt und auch hier, im Reservat, macht sich das bemerkbar.
Zwei kleine, grüne Frösche klettern auf die Steine.
Läuft man langsam und schaut aufmerksam ins Dickicht, so erspäht man hin und wieder kleine, einsame Ruderbote am Ufer. An bestimmten Stellen ist das Kajakfahren erlaubt und Kajakverleihe zu finden. Am besten, man mietet sich eines für einen halben Tag, um ohne Zeitdruck die freigegebenen Areale zu erkunden. Denn es sind weitläufige Flächen, die sich aus einer neuen Perspektive eröffnen.
Und wenn ihr schon mal da seid, probiert für mich unbedingt den Milicki-Karpfen, der hier gezüchtet und sowohl in Restaurants als auch in Imbissbuden gegrillt verkauft wird. Und sagt mir, wie er schmeckt. Denn ich habe es dieses Mal versäumt…
Mit dem aufgegessenen Brötchen kommt schlagartig die Müdigkeit. Die Beine tragen mich nur noch widerwillig und der Körper denkt an ein Nickerchen. Meine Überlegungen, die Stadt Milicz, inoffizielle „Hauptstadt“ des Bartschtals zu besuchen, bleiben Theorie. Vielleicht morgen. Vielleicht beim nächsten Mal.
Denn der Nachmittag gehört der Gemütlichkeit. Die Sauna wird angeworfen, die Flasche Wein vom Vortag genossen. Draußen prasselt der Regen gegen die Fensterscheiben und überschüttet die Landschaft, und ich denke an jenen Milicki-Karpfen, den ich nicht probiert habe…
Hi Kasia,
So ein Schmalzbütterken könnte ich jetzt auch verdrücken… 😉
aber das mit dem füllen der Teiche habe ich nicht verstanden. „Man fängt logischerweise mit dem untersten an“? Aber Wasser flisst doch bergab. Macht es dann nicht Sinn mit dem obersten anzufangen, wenn der voll ist, läuft er über und füllt den darunterliegenden, wenn der voll ist läuft er über und füllt den darunterliegenden, wenn der voll ist, läuft…. Du verstehst was ich meine?
Bleib gesund!
CU
P.
Na ja, ich gebe zu, dass ich mich in das Prinzip des Teiche befüllen auch erst richtig reinlesen musste und ich bin jetzt technisch keine Leuchte. Also gebe ich mal folgendes als mögliche Erklärung: wenn man alle Teiche auf einmal auffüllen will, kann man mit dem obersten anfangen, wenn man aber der Reihe nach befüllt und einige trocken lassen will, beginnt man mit dem untersten. So habe ich die klugen Köpfe auf der Erklärtafel verstanden… *kopfkratz*
Lg
Diese Region erstaunt mich immer wieder. Wie Sie sagen, muss es auch im Herbst schön sein.
Vielen Dank für die Erklärung, die Sie über das Wassermanagement in den Teichen geben.
Das Sandwich sah ziemlich lecker aus, obwohl es dir nicht genug Energie gab, um Milicz zu besuchen. Die Alternative klang auch sehr schön 🙂
Milicz hätte ich gerne besucht, da hatte es aber angefangen zu gewittern. Der Regen war eine willkommene Ausrede… ähm, ich meine, Begründung 😉