An diesem Morgen bin ich die erste, die vor der Römervilla steht. Sehr gut erhalten soll sie sein, und Aufschluss darüber geben, wie denn unsere Vorfahren hier lebten und agierten. Über das Römische Reich weiß man so einiges: seine Ausdehnung verlief bis nach Ägypten, über den gesamten Mittelmeerraum und beinahe über das ganze heutige Deutschland. Nur Polen und die weiteren osteuropäischen Länder hatten größtenteils ihre Ruhe, doch kein Grund, um neidisch zu werden: was der Römer links liegen ließ, eroberten die Tataren.
Die altrömische Behausung in Ahrweiler wurde während dem Bau der Umgehungsstraße B267 im Jahr 1980 entdeckt. Eigentlich sollten die Schleifen, die heute um Ahrweiler führen, etwas enger verlaufen, doch während der Grabungen stoß man auf die Reste des Herrenhauses aus dem 2 bis 3 Jahrhundert. Die Mauern waren so gut erhalten, dass es beinahe schon danach schrie, den Ort hier für die Nachwelt freizulegen und zu rekonstruieren. Zehn Jahre dauerten die Ausgrabungen und die Auswertung ist bis heute noch nicht vollständig abgeschlossen. Nichtsdestotrotz lassen sich jetzt schon einige interessante Informationen für den Besucher bereit stellen.
Rund fünfhundert Jahre besetzten die Alten Römer weite Gebiete des heutigen Deutschlands. Es war Cäsar, der zum ersten Mal nach Germanien vorrückte und die Gebiete für das Römische Reich erschloss. Doch nur der Süden des Landes wurde kultiviert, was die vielen Funde wie gut erhaltene Reste von Behausungen und Wasserwegen belegen.
Was mich interessiert, ist weder die Mythologie noch die militärische Offensive der römischen Heere, denn darüber hörte und las ich zu genüge. Nein, was ich wissen will ist folgendes: wie lebten die Menschen? Wie bestritten sie ihren Alltag? Wie verbrachten sie ihre Freizeit? Wie lebten Hans und Kunz von nebenan? Das ist spannend und das ist wissenswert.
Wir wissen, dass die Römer einiges an Kultur und Entwicklung in diese Regionen brachten. Ihre Glauben und ihre Bräuche vermischten sich nach und nach mit den Gewohnheiten der keltischen Stämme, die hier siedelten. So hatten die Römer in ihren Häusern Schreine, die den Göttern geweiht wurden, und wo in kleinen, runden Tongefäßen Opfergaben bereit gestellt wurden. Die Hausgöttern sollte man immer gnädig stimmen, denn sie waren verantwortlich für Heim und Hof.
Ich bin erstaunt darüber, wie weitläufig das große Herrenhaus ist und wie fortschrittlich das Alltagsleben der Römer aussah. Sie hatten Annehmlichkeiten ähnlich den unseren, denn obgleich die Elektrizität noch nicht entdeckt war, gab es Schikanen wie warmes und heißes Wasser zum Duschen und über ein ausgeklügeltes Beheizungssystem sogar warme Umkleideräume und Fußbodenheizung.
Wir wissen, dass die Römer Sklaven hatten. Diese waren für die Beheizung der Räume sowie unter anderem das Kochen und Anrichten von Speisen und Kinderbetreuung zuständig.
Ein Badetag des Römers sah folgendermaßen aus: er betrat den beheizten Umkleideraum und entkleidete sich. Die hölzernen Sandalen ließ er an, denn der Boden erhitzte sich hier wohl stärker, und betrat das mäßig warme Bad. Dies wurde bis hin zum heißen Dampfbad gesteigert, so wie wir es wohl als Sauna kennen. Der Körper sollte erst nach und nach an die Hitze gewöhnt werden. Später durchlief man die Reihenfolge anders herum, um sich wieder an normale Temperaturen anzupassen. Zur Reinigung wurde keine Seife verwendet, obwohl man sie von den Kelten durchaus kannte – man fettete die Haut mit duftenden Ölen ein und zog die Schicht dann mit einem Schaber ab. Das Öl löste Verschmutzungen und pflegte die Haut zusätzlich; wenn ihr mich fragt, keine schlechte Idee.
Die Römer legten – was zu damaligen Zeit als sehr fortschrittlich angesehen werden kann – großen Wert auf Freizeit. Ihrer Freizeitgestaltung wurde eine Wichtigkeit beigemessen, die wir sonst aus diesen Zeiten kaum kennen. So war das römische Bad nicht nur ein Ort, um sich zu reinigen, sondern auch, um zu tratschen, politische und geschäftliche Themen zu erörtern, Bekanntschaften zu pflegen und Geschäfte abzuwickeln. Für die sonstige Freizeitgestaltung standen viele Arten von Spielen, unter anderen Brettspiele, zur Verfügung. Einige von ihnen, wie das ludus latrunculorum, wurden gerne von Soldaten gespielt.
Auch das Bewässerungssystem der Römer sucht seinesgleichen. Die Wasserleitungen verliefen gut und gerne über hundert Kilometer weite Strecken durchs Land. Es wurden Flüsse und Quellen angezapft und das Wasser zu Häusern und Feldern geleitet.
Als ich die ganzen fortschrittlichen Dinge des täglichen Lebens sehe, die die Römer nach Europa brachten, frage ich mich unwillkürlich: obwohl sie erobert worden waren, waren die Menschen damals wirklich unglücklich über die römische Herrschaft? Wir wissen heute, dass die Römer sehr tolerant gewesen sind, auch was die kulturellen Eigenheiten und die Ausübung der alten, lokalen Bräuche betraf. So wurden die Religionen der Menschen nicht etwa bekämpft, sondern zum Teil von den römischen Eroberern selbst übernommen. Das können wir bestens an der griechischen Mythologie sehen, die zu einem großen Teil von den Römern selbst in etwas abgewandelter Form angeeignet wurde.
Und die Besatzer brachten mehr als nur die Fußbodenheizung mit. Sie brachten Frieden. Die Epoche der römischen Herrschaft war für die damaligen Zeiten die längste friedliche Epoche Süd- und Mitteleuropas. Nicht umsonst spricht man heute vom „Römischen Frieden“.
Ein wenig schaffe ich es, in die Alltagswelt der Römer einzutauchen, während ich durch die Ruinen spaziere. Unabdingbar ist der Film, den mir die nette Dame am Kassenfenster ans Herz legt und den ich zuallererst schauen soll. Dieser zeigt die Aufteilung der Räume der Villa, macht auf Besonderheiten aufmerksam und bietet viel an Hintergrundinfo. Im ersten Obergeschoss dann ist ein Modell der Villa aufgebaut, so wie sie vermutlich ausgesehen haben mag.
Fasziniert haben mich die gebrannten Tonplatten, die ebenfalls in den Trümmern der Römervilla gefunden wurden. Die Tonplatten wurden in hölzernen Gestellen geformt und zum Trocknen aufgestellt, eher sie gebrannt wurden, was ihnen Härte verlieh. Doch während sie trockneten, ließ es sich nicht vermeiden, dass unbefugte Wesen hindurch spazierten und ihre Spuren für die Ewigkeit hinterließen. So haben wir in den gefundenen Platten die Abdrücke von Katzen, Hundepfoten, Fasanen, ja sogar Eichhörnchen und kleinen Kinderfüßen. Unglaublich, wie echt und greifbar der mysteriöse Römer plötzlich wird und selbst die Hauskatze hatte sich unabsichtlich für die Ewigkeit verewigt. Zum Greifen nah, sprichwörtlich zum Anfassen (nur im Übertragenem Sinne natürlich, denn das Anfassen ist hier nicht gestattet…)
Und, man mag es kaum glauben, auch bei den Römern gab es so etwas wie Graffiti. Eines davon wird gut erhalten ausgegraben, hier zeigt sich die Albernheit und Leichtigkeit der Schulzeit, wie sie auch heute auf angeritzten Schulbänken anzutreffen ist: auf dem Graffito neckt ein Schüler einen anderen ob seiner mangelnden Schreibkenntnisse. „Wer nicht gut in Wort und Schrift ist, schwätzt wohl zu viel im Unterricht.“ So oder so ähnlich kann man den Inhalt, frei übersetzt, deuten.
Alles gar nicht so unähnlich wie in der heutigen Welt, denke ich mir, denn obwohl Whats App, Instagram und TikTok die heutige Welt der Jugend beherrschen, so sind sie alle Zeiten und Epochen hindurch gar nicht so verschieden. Auch wenn es uns heute fern und fremd erscheint. Etwas skurril, sich in die alte Zeit versetzen zu wollen, während da draußen durch die halb durchsichtigen Plexiglas-Fenster der Verkehr rauscht und die Silhouetten von Autos und Lastern zu sehen sind.
Da haste dir ja eine total interessante Stätte angeschaut! Ja, die Römer agierten in der Tat auf einem in dieser Zeit erstaunlich hohen Niveau und haben so einige hochwertige Errungenschaften in unser Leben gebracht.
Richtig. Die Kultur nur auf die Gladiatorenkämpfe und die Eroberungszüge zu reduzieren ergäbe sicherlich ein unvollständiges Bild. Selbst für die heutige Zeit war ihre Art zu denken hochentwickelt, umso weniger passen für mich die „Christ gegen Löwe“-Kämpfe… 😉
Die hatte ich aufgrund deines Posts auf meine Liste gesetzt, aber ich fürchte, in den nächsten Monaten, wenn nicht Jahren, hat Ahrweiler jetzt andere Probleme als den Erhalt römischer Villen. 🙂
Da hast du wohl Recht. Ich habe nicht geahnt, dass es in einer solchen Katastrophe mündet, sonst hätte ich den Post auf unbestimmte Zeit zurückgehalten. Das ist jetzt sehr unglücklich zusammengefallen; dabei habe ich den Artikel Mitte letzten Jahres geschrieben.
Lustig 😃 du bist ja ganz in der Nähe.
Ja hier gibt es jede Menge römische Überbleibsel – da ist bei manchem Häusle-Ausschachten was gefunden worden.
Liebe Bade-Grüße
Sabine vom 🕷 🕸
Vieles davon ist noch unentdeckt. Raum Ahrweiler gehörte früher zu meinem Kundengebiet, leider ab diesem Jahr nicht mehr. Insofern bin ich froh, noch das eine oder andere angeschaut zu haben 🙂
Liebe Grüße
Kasia
Interessant was Du so alles über die Römer herausgefunden hast. 👍Danke für diesen Bericht. Da die Römervilla nicht weit weg von meinem ursprünglichen Heimatort liegt muss ich sie mir irgendwann mal anschauen
Ich bin so oft an diesem Hinweisschild vorbeigefahren, dass ich irgendwann schließlich dachte, so, jetzt besuche ich es auch einmal. Ich kann sie dir nur empfehlen 🙂
10 Jahre Ausgrabung – und noch ist vieles unerforscht. Das ist schon krass.
Ein schöner Einblick.
Ich war auch schon begeistert, als ich Pompeji besucht habe, wie fortschrittlich alles damals war.
Auch Ägypten fand ich faszinierend, wie weit sie damals schon waren.
Ägypten würde mich schon reizen. Mal sehen, Lust hätte ich auf eine Flusskreuzfahrt den Nil hinauf. Und wenn das Reisen wieder uneingeschränkt möglich ist, weiter in den Sudan. Ach, ich tue es schon wieder, ich scrolle mit dem Finger über die Weltkarte…
Hahaha – ja leider im Moment nur mit dem Finger. Ich bin froh, dass ich damals die Chance nutzte und nach Ägypten flog. Mit der DJH ging es von oben nach unten. Sehr tolle Reise.
Was für eine großartige Stätte und wie glücklich, dass sie beim Bau einer neuen Autobahn entdeckt wurde. Dies ist sicher ein Publikumsmagnet in der Gegend. Anscheinend hatten die Römer mehr Luxus, als wir uns jemals hätten vorstellen können.
Ich war in letztem Jahr im Sommer da, als die Pandemie uns gerade eine Verschnaufpause bot. Normalerweise ist die Ausstellung ziemlich gut besucht, und in der Gegend sehr bekannt 🙂
Vor allem die ausgefeilte, römische Fußbodenheizung, da war ich voller Bewunderung.
Ich liebe solche Orte. Auf Kos habe ich eine in den 30er Jahren von italienischen Archäologen rekonstruierte römische Villa besucht. Dabei war ich erstaunt, wie modern der Bau heute auf uns wirkt. Man könnte sagen, die Römer waren ihrer Zeit voraus. Ich versuche mir dann immer vorzustellen, wie das Leben zu der Zeit ausgesehen haben mag. Auf jeden Fall einen Ausflug wert!
Der Fokus auf die Freizeitgestaltung war sehr fortschrittlich für jene Zeit. Natürlich auch die Ausstattung der sanitären Anlagen, die für die damalige Zeit ihresgleichen sucht. Natürlich wirft der etwas blutrünstige Zeitvertreib bei den Hungerspielen… pardon, bei den römischen Gladiatorenspielen einen leichten Schatten, aber man muss das Ganze sehen. Und viele Aspekte der römischen Kultur sind noch unbekannt.
Wobei die Freizeitgestaltung nur in den höheren Schichten Thema war. In Sklavenkreisen gab es derlei Überlegungen wohl eher nicht. Aber davon abgesehen: im Bau- wie im Staatswesen, in der Medizin inklusive Chirurgie, im Entwickeln von Infrastruktur und dergleichen mehr war man schon recht weit – nicht nur für die damalige Zeit. Thermen mit Fußbodenheizungen kamen erst 2.000 Jahre später wieder ins Programm.
Wie, der Heizsklave hatte doch keinen Urlaub? 😉 Na ja, Sklaven waren eben Sklaven, aber selbst Soldaten und „normale“ Bürger hatten ihre Brettspiele und Badetage…
Und nach 20 Jahren Militärdienst bekam man ein Stück Land und ein Haus. Und – je nach Rang – noch Sklaven obendrauf. Das war mehr, als ich Rente erwarten darf.
…oder man hat die Rente nicht mehr erlebt, weil die Kelten mal wieder zu aufmüpfig waren… ach, wir sollten schon zufrieden sein 🙂
Sehr interessanter Beitrag, Danke fürs Teilen.
Liebe Grüße
Roland
Ich freue mich, dass dir der Beitrag gefallen hat.
Liebe Grüße
Kasia
Haha, Mobbing in der Schule gab’s also schon im Altertum.. 🙂
Das mit den Römern ist interessant. Tatsächlich waren die als Eroberer eher „die Guten“. Natürlich mussten die eroberten Gebiete ihren Tribut an Rom zahlen aber es wurde eben auch rege Handel betrieben. Und wie Du schon geschrieben hast, wurde nicht die Religion der Eroberer plötzlich zwingend, sondern die Stämme durften ihren Götzenkult behalten.
Tatsächlich hielten die Besatzer die Stämme ab untereinander Krieg zu führen – wahrscheinlich wäre es cleverer gewesen es zuzulassen – zum einen schwächt es den Gegner, wenn die sich gegenseit abmurksen und zum anderen waren die Römer dann wegen ihre Eingriff in die Zwistigkeiten, natürlich das bevorzugte Feinbild. Ist ja wie in der Bundesliga: Dortmund und Schalke Fans hassen sich wie die Pest – aber wehe Red Bull Leipzig kommt. Dann ist man sich einig wer auf die Glocke kriegen soll.. Verrückt..
Ich glaube, Mobbing in der Schule stirbt nie aus…
Es ist faszinierend, sich in die Geschichte zu vertiefen, vor allem wenn es um das Alltagsleben der Menschen geht. Wer wen wann erobert hat und wer was wann warum zurückerobert hat, das wird häufig durchgekaut, aber wie so ein römisches Haus ausgesehen hat, das zu sehen lässt die Römer etwas greifbarer werden.
Na ja, je weniger Kleinkriege geführt wurden, umso mehr konnte gearbeitet werden, umso mehr Handel konnte betrieben werden. Das Reich blühte und gedieh, bis auf weiteres…