Mallorca, die Insel der Deutschen, von ihrer ursprünglichen Seite: Blühende Mandelbäume, wunderschöne Natur und ein mildes Klima, Pfade abseits der wild feiernden Touristenmengen und so viel zu entdecken – um all diese Aspekte geht es im heutigen Beitrag nicht. Nein, worüber ich heute schreiben werde, sind feierwütige Leute, Zehnliter-Eimer voll Sangria, laut mitgegrölte Schlager und irgendwo in dem ganzen Tohuwabohu verloren gegangene gute Vorsätze – und drei Mädels im Landeanflug auf das sprichwörtliche 17 Bundesland: auf Palma, Mallorca.
Mit Airberlin (damals noch nicht pleite) werden die Mädels innerhalb von knapp zwei Stunden zu ihrem Zielort befördert. Bereits auf dem Flug steigt die Laune, als sie den blauen Himmel und die ewigen Sonnenstrahlen draußen vor dem kleinen, runden Fenster sehen. Warum aber in die Fußstapfen des Massentourismus treten, sich dem Proletariat anschließen und ausgerechnet in die verrufene, belächelte Partyhochburg verreisen? Und dann noch für nur drei Tage? Wo bleibt da der Tiefgang, wo der Sinn für Land und Kultur?
Ihr habt Recht – es gibt keinen. Hier geht es um eines: Party. Und dafür gibt es einen ganz speziellen, und doch ganz alltäglichen Anlass:
Eine der Damen feiert ihren Junggesellenabschied.
Zu dritt landen wir in Palma und sofort empfängt uns die sonnenwarme Luft. Zu dritt, das sind Jenny*, Dani und ich.
Flughafen, Taxi, Hotel. Unser Domizil liegt dank der geschickten Buchung nur ein paar Schritte von der Feiermeile entfernt. An der Rezeption erledigt Jenny* alle Formalitäten; währenddessen starre ich auf die farbintensive, pinkfarbene Tapete des Raumes, die an manchen Stellen langsam beginnt, sich von der Wand zu lösen. Zu dritt in einem Zimmer, das wird ein Abenteuer! Doch erstaunlicherweise klappt unser Arrangement ziemlich gut.
Während wir am frühen Nachmittag zum überbevölkerten Strand flanieren, versucht Jenny, uns zu ausgewählten kulturellen Aktivitäten zu bewegen. Es gibt Musicals und Tanzvorführungen in der Stadt. Doch wir, die anderen, wollen von alledem nichts wissen. Wir wollen zum Strand!
Playa de Palma, Mallorcas längster und berüchtigster Strand, Promenade des deutschen Partytourismus mit Oktoberfest-Stimmung am Abend (und nicht nur). Dort liegen wir dann auch bis in den späten Abend hinein.
An dieser Stelle gibt es eine Besonderheit: Damals, im Sommer 2010, ist es das erste Mal, dass ich tatsächlich am Meer bin. Nie zuvor habe ich die Zehen in den feinen Sand eines Strandes vergraben und nie zuvor habe ich mich am selbigen von der Sonne küssen lassen. Entsprechend lasse ich auch die vor Begeisterung strahlenden Äuglein über die brutzelnden Leiber schweifen und während Jenny* etwas von „Massentourismus“ erzählt, lausche ich dem mächtigen Klang der Wellen, die sich im Sand verlieren.
Wie sagte Dani später zu mir: „Ja, ich weiß, es ist ein Pauschalurlaub – aber ich kann auch das genießen…“
Zwischendurch suchen wir uns ein Lokal, um dort eine überteuerte Pizza zu essen.
Zum Abend hin leert sich der Strand und als sich die Sonne senkt, sind wir fast alleine übrig. Das hat wiederum einen ganz besonderen Charme, sich den Strand nicht mit hundert anderen teilen zu müssen, plötzlich ist ganz viel Platz da und ich kann, da alle weg sind, auch wieder die Farbe des Sandes sehen. Kinder spielen Frisbee im Wasser. Die Oberfläche des Meeres hat plötzlich eine metallische Farbe. Und unsere Ausbeute für den Nachmittag ist eine Handvoll kleiner Muscheln und glatt geschliffener Glasstückchen, die irgendwann danach bei mir in der Vitrine landen sollen, mich erinnern sollen an den Salzgeschmack auf den Lippen, das Reiben des Sandes auf der Haut und an das atemlose Gefühl, wenn man nach ein paar Runden schwimmen wieder aus den Wellen steigt und zu seinem Handtuch läuft.
Am Abend ziehen wir uns im Hotelzimmer um; es geht auf die Piste. Auf die Partymeile bin ich schon sehr gespannt, denn da habe ich bereits die wildesten Geschichten gehört. Und so klein die Welt am Ballermann ist, laufen uns postwendend die anderen beiden Mädels, die die Zeit auf Malle mit uns zusammen verbringen werden, über den Weg: Mona* und Nina.
Mona* und Nina sind bereits ein paar Tage später mit dem Flieger auf der Insel gelandet. Ihre Urlaubsregelung erlaubte es ihnen, zwei Tage länger in Palma zu bleiben, und so sind sie schon vor uns da, als wir uns an jenem Abend auf die Piste machen. Zu fünft ziehen wir weiter.
Inzwischen ist es vollständig dunkel, anziehend wirken die blinkenden Lichter der Clubs. Die vielen farbigen Strandverkäufer versuchen, unsere Aufmerksamkeit zu gewinnen. „Hey, Britney!“ „Lady Gaga! Lady Gaga!“ Rufen sie uns hinterher. In den Händen halten sie Sonnenbrillen, Hütte und Scherzartikel aus Plastik, die niemand braucht, die man aber aus Lust und Laune doch irgendwie kauft. Und gerade diese „Lust und Laune“ der Kunden ist ihr täglich Broterwerb: Nur der Mutige gewinnt! Mit Entschlossenheit und einem Lächeln schafft man es jedoch leicht, sich die Jungs vom Leib zu halten – belästigt oder gar bedroht fühlten wir uns in keinster Weise (einige Monate später macht die Partymeile mit organisierten Raubüberfällen von, teilweise rein weiblicher, Gangs von sich reden, doch zu dem Zeitpunkt war noch nichts von diesem Wandel zu spüren.
Eine Bar reiht sich an die nächste und Animierjungs- und Damen verteilen Flyer und versuchen, die Besucher in „ihr“ Lokal zu lotsen. Die Konkurrenz um die Gunst der Feiernden ist riesig und eine Selbständigkeit in der Partybranche hier auf der Insel harte Arbeit, ein ständiger Kampf um Zulauf und Publicity. Und all das mit einem fröhlichen Lächeln verbunden, denn es ist ja schließlich eine Partyinsel. So manch ein „Auswanderer“ aus Deutschland hat sich bereits beim Aufprall auf dem umkämpften Terrain eine blutige Nase aufgeschlagen.
Der erste Club spielt Partyschlager. Der Eintritt ist kostenlos, die Umsätze werden mit Getränken gemacht. Wir bleiben nicht lange; kurz posieren wir mit unseren überdimensionalen Cocktails, spielen mit den Schirmchen und tragen unsere riesigen Plastikbrillen zu schau, die kein Mensch braucht und die uns aussehen lassen wie Ameisen (so sind wir doch noch Opfer des charmanten Lächeln der Strandverkäufer geworden…). Doch dieses Mal fruchtet die Devise nicht, dass proportional zum Alkoholpegel die musikalischen (und auch sonstigen) Ansprüche des Menschen sinken; der „Cowboy und Indianer“ und das „Rote Pferd“ wollen uns irgendwie immer noch nicht in Partylaune bringen. Wir wandern weiter.
Draußen an der Strandpromenade ergibt sich eine kleine Diskussion. Jenny* möchte von Club zu Club ziehen und die Nacht unsicher machen. Doch uns, die anderen vier, zieht es an den fast menschenleeren Strand, zum Entspannen, die Beine ausstrecken und Party heute Abend mal Party sein lassen. Die Mehrheit setzt sich durch: Wir bleiben. Eine Gruppe Jungs aus Deutschland gesellen sich zu uns und so sitzen wir zusammen im Sand, quatschen und lauschen den Wellen – unter dem finsteren Blick von Jenny*, die uns nun mit Schweigsamkeit straft.
Am nächsten Tag: Die Braut wird gestriegelt und angekleidet, selbst gebastelte, pinkene T-Shirts weisen den Junggesellinnenabschied als solchen aus. Es geht zum Strand, um Dinge zu tun, die deutsche Junggesellenabschiede nun mal so tun: Kleinkram verkaufen, um so viel Bares wie möglich einzunehmen. Wir verkaufen Shorts, Nagellacks, Schminken und Nägel lackieren – und wir schminken und lackieren jeden, es ist Banane, ob da nun Weiblein oder Männlein vor uns steht. Bevor es losgeht, besorgen wir uns zum Einheizen einen dieser berühmt-berüchtigten Zehnlitereimer Sangria mit Eis und vielen bunten Strohhalmen, die später auf der Partyinsel verboten werden sollen – ein Rausch am frühen Vormittag hat schon etwas ethisch sehr verwerfliches an sich. Zugegeben, die Sache beginnt, langsam Spaß zu machen, unmoralisch und verdorben geben wir uns dem Sittenverfall hin. Der Alkoholpegel trägt sein Übriges dazu bei, und so fällt die eine oder andere Dame schließlich ganz aus und muss aufs Zimmer geleitet werden – der finale Effekt einer heimtückischen Mischung aus Hitze und Sangria. Zu viert machen wir weiter.
Unzählige weitere Junggesellenabschiede laufen uns über den Weg, und wir bewundern die verschiedenen, einschlägigen T-Shirt Designs. Dass die Idee, hier zu feiern, alles andere als einzigartig sein würde, ist uns von vorneherein klar, doch besser als eine Tour durch die heimische Fußgängerzone ist es allemal.
Am Abend im Hotel habe ich den bis dahin schlimmsten Sonnenbrand meines Lebens. Jaulend schäle ich mich aus der Strandkleidung und betrachte den Schaden. Der Sand und das Wasser müssen im Laufe des Tages den Schutzfilm an Sonnenmilch nach und nach herunter geschält haben. Vorsichtig kremen die Mädels meinen schmerzenden Rücken ein.
Doch nur die Harten kommen in den Garten, die Braut will feiern! So duschen wir und ziehen wieder los – diesmal um die Häuser.
Der nächste Morgen am Flughafen wird von Katerstimmung und einem matten Gefühl im Kopf und Magen begleitet. Das Wochenende geht zu ende und mit uns zusammen reiht sich gefühlt der gesamte Ballermann in die Schlange, um in den Flieger zu steigen, Schulter an Schulter die geschälte, krebsrote Haut. Die noch schwache Sonne erhebt sich langsam und spiegelt sich im Rumpf des wartenden Flugzeugs. Viel ist nicht übrig von der gestrigen Partylaune an diesem frühen Morgen, einzig der spürbarer Dunst duzender Alkoholfahnen weht wie eine Wolke durch die fast leere Halle.
Ein Erlebnis der besonderen Art aber absolut cool mal sowas zu erleben. Auch solche Geschichten bleiben hängen !!! Warum denn auch nicht ! Du schreibst das Leben ist zu kurz und die Welt zu klein um an einem Ort zweimal Urlaub zu machen und ich vertrete die Meinung das Leben ist zu kurz um nicht auch mal sowas erlebt zu haben ! Ich kann es natürlich nicht beurteilen wie groß der Spaßfaktor war ich hätte mir sowas nicht entgehen lassen, man muss eben nur
wissen wo die Grenzen sind !
OH je wann war ich in Mallorca ! vor ca. 15 Jahren und da sind 2 Jungs in Stuttgart mit einer wirklich weissen Hautfarbe ins Flugzeug gestiegen und beim Rückflug ( war vielleicht Zufall ) waren die wieder an Bord ! Die Hautfarbe war unverändert. Ich behaupte die haben keinen Sonnenstrahl gesehen !!!!
Wie bei vielem , es gibt Menschen die haben sich nicht im Griff und alles wird maßlos übertrieben und es geht so lange bis es verboten wird ! Eigentlich schade !
Ja, Mallorca wollte sich vor Corona zu einem Reiseziel für Familientourismus wandeln. Mit dem Effekt, dass die Partygänger nach Bulgarien weiterzogen, wo all das erlaubt war, was Malle verboten hatte.
Ich kann die Menschen dort aber auch verstehen. Ständig Party, betrunkene Leute, die sich nicht benehmen können… Der Geduldsfaden war gerissen.
Wenn ich die Bilder sehe, bin ich froh, diese Art Urlaub einmal erlebt zu haben. Auch wenn es heute nichts mehr für mich wäre, damals waren wir alle jung und es war okay… 🙂
Das meinte ich ja auch ! Man darf sowas ruhig mitnehmen und in dem Alter hätte ich das auch !!!