Afrika, Namibia

Heiße Quellen und das Bergzebra

„Achten Sie auf Ihre Sachen und lassen Sie nichts herumliegen, was Ihnen die Affen stehlen könnten.“ Lese ich auf einem am Tor eingebrachten Warnschild, auf dem ein kleiner Pavian abgebildet ist. Wir fahren hinein.

„Weißt du, dass es hier in der Nähe heiße Quellen geben soll?“ Fragt mich Stefan, während wir noch vor dem Fish River Canyon stehen.

In der nähe heißt jedoch in diesem Falle: Circa 90 km vom Canyon Roadhouse, unserer Lounge, entfernt, für die wir auf der staubigen, holperigen Piste zwei Stunden brauchen. Wir werden durchgerüttelt vom Feinsten und irgendwann machen wir Rast.

Ich steige aus – sobald meine Füße den Boden berühren und die Sonne meinen Kopf trifft, wird mir ein wenig schwindelig. Ich niese erstmal ausgiebig. Dann schaue ich mich in der Gegend um.

Wieder diese Stille.

Der seltsame Ruf eines Vogels (?) ertönt aus den Büschen vor uns: Eine ganz eigene, gleichmäßige Abfolge von Lauten. „So etwas bekommst du nicht im Bayerischen Wald.“ Sage ich zu Stefan.

Wir stehen an einem einsamen Rastplatz, mit Blech-Abfalleimer und einem großen, knorrigen, ausladenden Baum, der ein bisschen Schatten spendet. Ein Stückweit entfernt steht ein verrostetes Autowrack aus den 50er Jahren, dem alle brauchbaren Teile vor langer Zeit schon entnommen worden sind. Das Summen der Insekten erinnert mich daran, wie anhänglich die Fliegen hier sein können.

Ein kleiner Springbock spaziert direkt vor uns gemütlich über die Straße und verschwindet zwischen dem Gestein. Wir fahren weiter.

Und kurz nachdem wir ausgiebig die abenteuerliche Form der Felsen um uns herum bestaunen, fällt mir etwas zwischen eben selbigem auf, das da nicht ganz hinein zu passen scheint.

„Da! Zebras! Anhalten!“

Stefan bremst, legt den Rückwärtsgang ein und lässt sich ein Stück zurück rollen.

Die Zebras stehen da und glotzen uns an.

Drei Stück sind es an der Zahl. Mitten in den Bergen, mitten im Nichts. Sie sind kleiner als „normale“ Zebras und sehen irgendwie pummeliger aus. Laut Berichten der Einheimischen bekommt man die Bergzebras nur noch selten zu Gesicht, wobei sich ihre Population in den letzten Jahren schon wieder ein wenig erholt hat. Das Bergzebra ist etwas kleiner als ihre Kameraden aus der Savanne, und die schwarzen Streifen auf dem Fell sind dichter, wodurch das Tier insgesamt etwas dunkler wirkt.

Die Zebras stehen immer noch fast unbeweglich da und schauen und an, ein kurzes Wiehern ist zu hören. Erst als Stefan die Fensterscheibe runter lässt, wird es ihnen zu suspekt – sie trotten langsam davon und kehren uns ihren gestreiften Allerwertesten zu.

Um die heißen Quellen herum ist eine Luxus-Lodge-Anlage mitten in den Bergen erbaut worden, mit einem angeschlossenen Swimming Pool, für den das Wasser der Quelle aufbereitet wird: Das AI/AIS Wellness-Resort. Die Anlage ist am südlichen Ende des Fish River Canyon gelegen, ihr Name bedeutet im Landesdialekt soviel wie „brennendes Wasser“. „Als die Anlage das erste Mal erbaut wurde, haben sie sie zu weit unten angesetzt – die erste Regenzeit hat alles weggespült.“ Erzählt mir Stefan und ich frage mich, wo er solche Informationen denn immer herbekommt. „Jetzt liegt sie höher.“ Die Temperatur der eigentlichen heißen Quellen übersteigt 65 Grad und ist fürs Baden ungeeignet. Um den Swimming Pool zu nutzen, kann man auch als Tagesbesucher hinein.

Wir erreichen die Anlage auf abenteuerlichen Schotterpisten, die mal steil aufsteigen, mal um enge Kurven führen, zwischen hoch aufragenden Felsen hindurch, eine Straße, die an einen vollkommen verlassenes Stück Erde zu führen scheint. Und dann sind wir da, stehen vor einem Tor. Der Wächter notiert das Autokennzeichen sowie unseren Namen und ob wir Europäer sind. Soweit wir ihn verstanden haben, bezahlen wir den Eintritt beim Verlassen der Anlage.

„Achten Sie auf Ihre Sachen und lassen Sie nichts herumliegen, was Ihnen die Affen stehlen könnten.“ Lese ich auf einem am Tor eingebrachten Warnschild, auf dem ein kleiner Pavian abgebildet ist. Wir fahren hinein.

Die Anlage und das kristallblaue Schwimmbecken liegen mitten in den Bergen; einem hier hindurch führenden Wasserbett ist es zu verdanken, dass an dieser Stelle eine richtige kleine Oase mitten in der Tristesse entstanden ist. Zum ersten Mal seit langem sehen wir innerhalb der staubigen Wüste Namibias endlich wieder saftiges Grün. Steile Felswände umgeben die Anlage und an den Hängen halte ich unwillkürlich nach Pavianen Ausschau. In der Luft liegt ein süßer, betörender Duft von Blüten.

Doch Affen sehen wir keine. Die heißen Quellen sprudeln ein paar Meter weiter aus der Erde, doch ein Zaun mit einem verschlossenen Gitter verweigert uns den Eingang. Blubberblasen im Wasser zeugen von der Aktivität und die Hitze strahlt uns selbst aus der Entfernung stärker an als die Wärme der Sonne, die uns von oben bescheint. „Achtung! Extrem heiß – über 65 Grad!“ Warnt ein angebrachtes Warnschild. Das Wasser wird abgepumpt und dem Swimming Pool zugefügt, um eine angenehme Wärme zu erzeugen. Wir drehen ein paar Runden im Wasser innerhalb dieser unwirklichen Kulisse. Viel Betrieb gibt es hier nicht, vermutlich ist der Ort für die meisten Tagesbesucher zu mühsam zu erreichen. Zwei ältere Ehepaare bestimmen das Bild. Zwei junge Mädels sonnen sich neben uns. Ein verliebtes Paar mittleren Alters turtelt im Wasser herum. Es sind, uns eingeschlossen, vielleicht zehn Personen hier. Weiter weg, im Schatten der Bäume, wuseln schwarze Männer und Frauen in der Anlage umher, pflegen den Rasen oder tragen Handtücher aus. Alles für den älteren, reichen Weißen – kein einziger schwarzer Namibier schwimmt hier mit uns im Pool. Ich habe plötzlich ein fades Gefühl.

Etwa zwei Stunden bleiben wir hier, dann führt uns wieder der Rückweg über Geröll und Stein, vorbei an Bergen, die aussehen wie aufgeschütteter Abraum. Hin und wieder kommt uns ein Fahrzeug entgegen und schleift große, helle Staubwolken hinter sich her. Wir sehen die Staubwolken zuerst: Dann erst sehen wir das Fahrzeug. Etwa auf der Hälfte der Strecke hält Stefan das Auto an. Wir steigen aus.

Eine majestätische Aussicht erstreckt sich vor uns: Wir schauen weit übers Land zu den dunstblauen Bergen, die sich irgendwo in der Ferne verlieren. Das Geräusch der Trockenheit erfüllt die Luft: Zirpen der Insekten, leises Rauschen des Windes, das Knirschen der Steinchen unter unseren Schuhen; eine Mischung aus Staub, Sonne und Stille. Erst nach einem Augenblick dringt etwas in mein Bewusstsein vor, das diese Harmonie stört: Wie ein sonores, langgezogenes, dunkles Brummen, wie ein Stromgenerator in der Ferne, ein Rechner, dessen Lüftung angeht; wie ein weit entfernter, doch immer näher kommender Störfaktor.

„Schau mal da!“ Ruft Stefan. Im Gegensatz zu mir schaut er in Richtung Straße und bemerkt als erster die vereinzelten, immer größer werdenden Staubwolken am Horizont. Diese sind kleiner und inmitten vom Staub tauchen irgendwann einzelne Lichter auf. Das werden doch nicht etwa…

Doch, sind sie. Das Brummen wird zu einem Brüllen: Zwei Motorradfahrer kommt uns auf der steinigen Piste entgegen. Stefan registriert begeistert eine Africa Tween. Einer der Biker steht auf seiner Maschine, alle haben sie großen Spaß. Und wir sind neidisch.

Nach einer Weile kommt uns die zweite Fraktion entgegen: Es sind nochmal drei oder vier Maschinen. Alle haben sie südafrikanische Kennzeichen. Anscheinend lassen sich von Südafrika aus Motorradtouren für ausgewählte Strecken buchen. Spontan beschließen wir, das auch mal zu machen. Ein Support in einem Pick up folgt den Maschinen in einiger Entfernung.

Als uns die Biker passieren, halten wir alle Daumen nach oben.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

Für dich vielleicht ebenfalls interessant...

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.