Windhoek, Namibia
8 September 2017
– steht in großen Lettern über dem Eingang zur Flughafenhalle, in der wir uns nun geschlagene zwei Stunden die Beine in den Bauch stehen. Nach der angenehmen katarischen Effizienz sehen wir uns der afrikanischen Lethargie gegenüber, denn was immer der Grund dafür sein mag, so richtig geht es hier nicht voran.
Stefans Kopf nimmt nach und nach eine puterrote Färbung an. Währenddessen „flirte“ ich mit dem vor mir stehenden muslimischen Mädchen, welches mich unter ihrem schwarzen Kopftuch warm und scheu anlächelt. Sie trägt schwarz und der einzige Farbtupfer an ihr, an dem meine Augen immer mal wieder unwillkürlich hängen bleiben, sind ihre pinkfarbenen Ballerinas. Eine kleine, ältere Frau, vermutlich die Mutter, stützt sich am Arm des Mädchens ab, daneben steht der halbwüchsiger Bruder. Es erstaunt mich, dass die Flughafenhalle in Namibia in diesem Bereich über keinerlei Sitzmöglichkeiten verfügt und dass man es alten Menschen zumutet, so lange stehend zu warten.
Das Mädchen lächelt mich an, daraufhin mache ich eine Geste, die ein müdes Gesicht zeigt, und lasse kurz meinen Kopf auf meine Schulter fallen.
In der Zwischenzeit muss ich einen blonden, groß gewachsenen Mann in seine Schranken weisen, der, plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht, sich von der Seite an uns vorbei zu schieben versucht.
„Vielleicht sieht man sich ja wieder.“ Sagt dieser, nachdem er seinen Anpfiff kassiert hatte, woraufhin mir die klischeehaften Bilder einschlägiger Actionfilme durch den Kopf schießen. Schon sehe ich den Mann mit einem scharf gewetzten Jagdmesser zwischen den Zähnen in Crocodile Dundee Manier am nächsten Wasserloch sitzen und auf uns warten.
Bei der Einreise ins Land werden die Passagiere mithilfe einer Infrarot Kamera auf erhöhte Temperatur gescannt und es werden Fingerabdrücke entnommen. Das Scannen geht schnell – die Fingerabdrücke nicht. Immer mal wieder beobachten wir, wie die Geräte den Abdruck nicht erfassen können oder die Menschen schlichtweg überfordert damit sind, ihre Finger richtig zu platzieren. So stehen wir vor uns hin und die Zeit schreitet voran.
Das Visum für Namibia gibt es kostenlos und es wird gegen einen ausgefüllten Antrag erteilt – die Antragsformulare hält Qatar Airways freundlicherweise schon im Flieger für die Reisenden bereit.
Der Hosea Kutako International Airport, circa 40 km von Windhoek entfernt, wirkt nicht besonders groß. Gut kann ich mir vorstellen, wie hier alles lahmliegt, sobald nur mehr als zwei Maschinen gleichzeitig landen. Es gibt mehrere Geldwechselschalter, wobei die Windhoek Bank eindeutig den schlechtesten Kurs anbietet. Wir tauschen unser Geld bei der Western Union Bank.
Direkt am Flughafen gibt es auch mehrere Autovermietungen; praktischerweise sehen wir den Europcar Schalter und die gelangweilte Dame dahinter sofort. Sie ist auch die erste, die ein paar freundliche Worte mit uns wechselt. So lächelt sie, als die Unterlagen endlich ausgefüllt sind, und scherzt sogar ein bisschen. „Welcome to Namibia.“ Sagt sie. Sie schickt uns zu einem Gebäude vor der Flughafenhalle – dort dürfen wir ein Einführungsvideo sehen und unseren Wagen abholen.
Draußen, bei der Autoabnahme, achte ich penibel auf die kleinsten Kratzer. Ich schleiche wie ein Fuchs um unseren neuen Toyota SUV, die Kamera im Anschlag, und lasse mich von dem fröhlichen Kichern des Jungen neben Stefan nicht im Geringsten beirren. Die Jungs sind in der Regel bei der Rückgabe nicht mehr ganz so fröhlich.
Doch die entdeckten Mängel belaufen sich fast nur auf Steinschlag und diverse Kratzer – diese ziehen sich beidseitig entlang der Autotüren, fast so, als wäre damit jemand quer durch Dornenbüsche gefahren.
Nach getaner Besichtigung lege ich meine Tasche ins Auto und gehe in das Europcar-Häuschen hinein, um nach einem Kompressor zu fragen, falls wir auf sandige Pisten kommen. Da bin ich lieber vorbereitet – und Stefan würde mir wohl am liebsten verständnisvoll den Kopf tätscheln. Oder mich abmurksen, je nachdem. Nun kommt er mir grinsend entgegen mit meiner Tasche in der Hand.
„Wie eine gute deutsche Beifahrerin wolltest du dich auf die rechte Seite setzen.“ Ich stutze. Ja, richtig, Linksverkehr; da war was.
Langsam fahren wir los. Linksverkehr. Stefan rollt den Wagen vorsichtig vom Parkplatz und ordnet sich brav im Verkehr auf der linken Seite ein, nicht ohne vorher zum Blinken den Scheibenwischer zu betätigen.
Das Fahren auf der linken Seite kostet Überwindung. Ständig habe ich – zumindest zu Anfang – das Gefühl, ein Geisterfahrer zu sein, frei nach dem Motto: „Einer? Es sind hunderte!“ Doch das Abbiegen nach links hin, um sich in einen Kreisverkehr einzuordnen, setzt alldem die Krone auf. Das fühlt sich so falsch an!
Vom Flughafen aus fahren wir in die gute 40 km entfernte Hauptstadt Windhoek.
Windhoek ist eine kleine Stadt. Es ist eigentlich keine Stadt, so wie wir sie kennen, mit einer Einkaufspromenade und einer Flaniermeile: Vielmehr stellt Windhoek eine Ansammlung von Häusern, Geschäften und Supermärkten dar, die nach und nach immer mehr werden. Als in der Stadt dann das Navi kurz ausfällt, halten wir am nächstgelegenen Parkplatz.
Parkplatze in den Städten Namibias haben oft ausgewiesene Parkplatzwächter. Sie helfen, die Parkuhr zu bedienen, achten darauf, dass niemand schwarz steht und lotsen dich anschließend aus deiner Parklücke. Ein kleines Trinkgeld ist üblich, doch Stefan ist mit den Nerven am Ende und ignoriert den Mann zunächst völlig. Als wir weiter fahren, habe ich ein schlechtes Gewissen.
Im Spar-Supermarkt versorgen wir uns zuallererst mit Nahrung. Schnell erlegen wir ein paar freilaufende Sushi-Stücke aus dem Kühlregal, die die Sparmarkt-Mitarbeiterin vor den Augen der Gäste soeben frisch zubereitet hat. Wir essen sie noch draußen auf dem Parkplatz. Sushi in Afrika, das hat was.
An der Supermarktkasse wird, so wie wir es schon von Aruba her kennen, alles – sei es auch nur das kleinste Stück – in dünne, transparente Plastiktütchen verpackt. Ratlos stehe ich daneben, sehe dem Wahnsinn zu, sehe jedoch keinen Weg, wie ich ihn beenden könnte, ohne dass der Junge, der gerade mein bereits in Plastik verpacktes Antilopenfleisch in weiteres Plastik steckt, verständnislos zurückbleibt. Ich will nicht, dass die Einpacker hier den Eindruck bekommen, etwas falsch gemacht zu haben, denn ich habe meine Zweifel, ob sie Umweltbedenken begreifen würden. Also lasse ich sie gewähren, bin sprachlos ob der Selbstverständlichkeit, mit der hier an jeder Kasse Unmengen an Plastik verpulvert werden. Die Tüten aus den Supermärkten landen später am Straßenrand und hängen an den Sträuchern der Kalahari Wüste.
Auch die Parkplätze größerer Supermärkte haben Parkplatzwächter. Sie halten bei der Ankunft nach freien Parklücken ausschau und helfen den Besuchern, ein- und wieder auszuparken. In der gesamten Zeit bin ich allerdings noch nicht dahinter gekommen, ob diese fest eingestellt sind oder die Arbeit mangels Alternativen „auf eigene Faust“ für ein Trinkgeld machen.
Hier im Spar habe ich die Möglichkeit, eine echte namibische Spezialität zu probieren: Biltong Beef, getrocknetes Antilopenfleisch, das in diesem Fall in Form von praktischen Sticks verarbeitet wurde. „Biltong Beef“ bezeichnet einfach nur das Trockenfleisch; es kann aus Antilope, Büffel, Strauß oder sogar Fisch hergestellt werden. Als wir später weiter fahren, halte ich Stefan die offene Tüte hin.
„Magst du probieren?“ Er schaut kurz hinein, zuckt zusammen. „Nein, danke.“
„Wirklich nicht?“
„Nein, Schatz, ganz bestimmt, wirklich nicht…“