Zelten in der Schweiz, Juli 2009
„Muuuh!“ Ruft Jimmy* fröhlich aus dem Autofenster, bevor wir in den kühlen Tiefen eines Tunnels verschwinden. Das Muuh! hat hier Tradition – inmitten von grünen Hängen und saftigen Wiesen erblicken wir immer wieder die braunen Schweizer Milka-Kühe, wie sie da liegend mit ihren sanften, großen Augen kauend dem Verkehr hinterher schauen.
Wir wissen nicht wie das Wetter sein wird, als wir uns im Sommer 2009 mit Ausrüstung und Gepäck ins Auto setzen und über die Grenze meinem ersten richtigen Urlaub entgegen fahren – dem Zelten in der Schweiz. Wir hatten uns dafür eine wunderschöne Gegend ausgesucht – den Vierwaldstättersee am Fuße der malerischen Schweizer Alpen – und auch das schöne, kleine Städtchen Luzern liegt ganz in der Nähe.
Was bin ich aufgeregt! Schon Wochen im Voraus laufen wir von Geschäft zu Geschäft und decken uns für das Mini-Abenteuer ein. Ein Zelt muss her – was wäre denn Zelten ohne ein Zelt – es werden Vorzüge und Preise verglichen. Ein Grill muss her, schließlich wollen wir dort ja nicht verhungern. Taschenlampe, Schlafsäcke, Isomatten… Und natürlich die hintergründig präsente Sorge um das Wetter; immer wieder verfolgen wir gespannt den unsteten Wetterbericht. Es ist ein regnerischer Sommer in jenem Jahr, doch wir sollen in dieser einen Woche Glück behalten. Größtenteils zumindest…
So sitze ich an diesem schönen Tag im Auto und bestaune mit der Nase an der Fensterscheibe klebend die immer wieder wechselnde Landschaft. Die Berge werden höher, die Wiesen erscheinen grüner (wie alles, was auf der anderen Seite des eigenen Zaunes wächst… 🙂 ) und kleinere Grüppchen Kühe tauchen wie braun-gefleckte Punkte am Horizont auf, um sogleich wieder an uns vorbei zu ziehen. Wir nähern uns unserem Ziel.
Der See taucht inmitten der Berge wie ein langgezogenes, blaues Band vor meinen Augen auf – Häuser, Badebuchten und Campingplätze wechseln einander ab. Ich bin begeistert ob der idyllischen Lage und schaue den campenden Menschen sehnsüchtig hinterher.
„Das ist es noch nicht.“ Sagt Jimmy*, meinen Blicken folgend. Mehr und mehr entfernen wir uns von den Ballungsgebieten und Touristen-Hotspots, kleiner und abgeschiedener werden die Zeltplätze. Bis wir irgendwann abbiegen und einen schmalen Weg hinunter und auf eine grüne Fläche am Ufer des Sees zufahren. Dann parkt Jimmy* das Auto und stellt den Motor ab.
Wir sind da.
Nur wenige Zelte sind aufgebaut und vereinzelt Campingwagen zu sehen. Wir sind weit weg von den touristischen Massenaufläufen, alles wirkt ruhig und friedlich hier. Der freundliche Schweizer am kleinen, hölzernen Verwaltungshäuschen zeigt uns die Anlage. Und während er uns die Schlüssel zu den sanitären Räumen übergibt, klärt er uns in süßem Schweizer Akzent über die Regeln während des Aufenthaltes auf. Und obwohl er beim Sprechen durchaus streng dreinblickt, muss ich beim Klang der mir ungewohnten Sprechweise unwillkürlich lächeln.
Schnell stelle ich fest, dass die Schweizer sehr auf Umweltschutz bedacht sind – die meisten der Zeltplatzregeln drehen sich genau darum.
Die Zeltplätze sind streng von den Campingplätzen getrennt, ferner gibt es auch eigens einen Parkplatz für die Fahrzeuge, die dauerhaft neben den Zelten nichts zu suchen haben – lediglich während wir ausräumen und aufbauen, darf das Auto auf dem Rasen stehen bleiben.
Wir schauen uns um – es ist für uns noch ganz viel grüner, freier Fläche da. So bauen wir unser kleines, orangenes Zelt an einer schönen Stelle unter einem Baum genau am Wasser auf, was sich später als ein Glücksfall herausstellen wird.
Da ich keine Ahnung vom Aufbau habe, versuche ich anfangs zu helfen, räume dann aber schnell das Feld, und während Jimmy* fleißig mit dem Hämmerchen die Hacken in den feuchten Boden schlägt, setze ich mich auf einen der kühlen Steine, die, vom Wasser umgeben, hier und da das Ufer säumen, und betrachte den weitläufigen See.
Nach kurzer Zeit steht unser Zelt und wir räumen unsere Siebensachen hinein in unser neues Zuhause auf Zeit. Das Auto wird ein ganzes Stück weiter weg auf dem dafür vorgesehenen Parkplatz abgestellt, und so sind wir umgeben von nicht mehr und nicht weniger als von Bergen, deren Spitzen über uns hinaufragen, vom Plätschern des Wassers zu unseren Füßen, dem Grün der Wiesen und dem kühlen Wind. Abends, wenn es dämmert, hören wir das klangvolle Geräusch der Kuhglöckchen, deren Klingeln sich weithin in der Abendstille ausbreitet und von dem ich zuerst gar nicht glauben kann, dass es echt ist. Da lässt doch sicher einer ein Band abspielen, speziell für Touristen… oder? Doch als ich am Morgen danach die Kühe die Alm entlang wandern sehe, die Glocken um ihre Hälse, weiß ich, dass dies hier echt ist.
Das kühle Gras fühlt sich seidig an unter unseren Füßen und manchmal, wenn wir in der Dämmerung noch spätabends vor dem Zelt am Wasser sitzen, kommt ein schneeweißer Schwan zu uns herüber, neugierig den Kopf neigend, auf der stillen, schwarzen Wasseroberfläche wie eine Erscheinung wirkend.
Kein Moskitospray ist hier notwendig, womit wir uns vorsorglich vor unserer Hinreise eingedeckt hatten – denn hier gibt es keine Moskitos. So sitzen wir abends ungestört am Wasser und werden nicht belästigt; trotz der großen Ufernähe und dem Schilf, welches sich vor uns im Abendwind neigt, lässt sich keine einzige Mücke blicken. Nichts stört die Idylle.
Und wir? Wir sind entspannt, wir sind da, in der Frische des Abends mit vollkommen befreiten Gedanken, die Ruhe des Wassers, die sich nach und nach auf uns überträgt, macht es uns einfach, uns wohl zu fühlen. Wir – wir sind angekommen.
* Namen geändert