Deutschland, Europa

Angelbachtal – International Highland Games

Angelbachtal, Juli 2012

Jedes Jahr in Juli findet bei uns in Deutschland ein ganz besonderes schottisches Festival statt, bei dem große, runde Steinbrocken geworfen, zur schottischer Musik mit ernster Miene Stäbe geschwungen und mit animalischem Geschrei Baumstämme gehoben und umgeworfen werden von wilden Kerlen, die genauso unbeugsam zu sein scheinen wie die Gewichte, die sie zu Fall bringen. Dies ist die raue Seite Schottlands, in deren Seele wir einmal jährlich einen Einblick erhaschen dürfen: Dies sind die International Highlight-Games!

Das Festival gibt es bei uns seit 2010, wobei der Veranstaltungsort aus organisatorischen Gründen immer mal wieder variieren kann; 2012 finden die Spiele in Angelbachtal in Kraichgau statt. Es ist eine traditionelle Veranstaltung bestehend aus sportlichen Wettkämpfen. In Schottland selbst gibt es über 200 solcher Veranstaltungen jährlich, doch sie werden inzwischen weltweit organisiert. Ein ganzes Jahr lang trainieren die Teilnehmer hart, um in Disziplinen wie Baumstammwerfen, Steinstoßen oder Hufeisenwerfen gegeneinander anzutreten. Es sind vor allem Männer, aber nicht nur; so sehe ich vereinzelt auch starke Frauen, die mit einem Kampfschrei den Baumstamm umklammern oder die Eisenkugel in die Höhe werfen und sich auf diesem Wege respektvolle Blicke der männlichen Kollegen verdienen.

Angelbachtal ist eine 5000 Einwohner große Ortschaft im Rhein-Main Gebiet zwischen Sinsheim und Bruchsal und jedes Jahr Gastgeber diverser Festivitäten wie das Mittelalterliche Spektakulum oder eben der Highland-Games, die allesamt auf dem ummauerten Schlossgelände stattfinden.

Die Decke unter dem Arm geklemmt marschiere ich mit gekauften Karten am Wärterhäuschen vorbei und begebe mich ins Innere des Geländes, auf der Suche nach einem lauschigen Plätzchen, um mich auszubreiten. Und nebenbei halte ich Ausschau nach Leuten von meinem Biker-Stammtisch, von denen ich, den Online-Einträgen nach, einige hier vermute.

Das Schloss liegt umrandet von alten Bäumen im Schatten da und eine steinerne Brücke führt über den grünen Teich, den Enten und Papageientaucher bevölkern. Kleine Fliegen scharren sich in der flimmernden Luft und ziehen immer engere Kreise, einen Knäuel bildend und überall verstreuen sich Besucher, auf Decken auf der Wiese liegend, um den Teich schlendernd oder grüppchenweise der Dudelsackmusik lauschend. Die meisten von ihnen sind in traditionelle schottische Gewänder gekleidet und auch ich spiele kurz mit dem Gedanken, mir einen schottischen Kilt zuzulegen. Die Sache mit dem Kilt ist jedoch komplizierter, als man meint, denn jeder Clan trägt ein eigenes, individuelles Muster. Männer in Röcken – hier ist es Tradition. Und ich muss zugeben, dass der Kilt keinen der Schotten seiner männlichen Wirkung beraubt.

Die meisten Besucher tummeln sich freilich um die Essens- und Getränkestände herum. Es gibt hier alles, von obligatorischem Schmuck über Kleidung, Bier und Wein, doch in erster Linie gibt es Whisky. Gesegnet sei derjenige, der jemanden zum Heimfahren hat…

Mich fasziniert die Kleidung der Frauen und Männer, besonders die traditionsbewussten, stolzen Schotten mit ihrem Dudelsack auf der Schulter. Gespannt verfolge ich einen Wettkampf, bei dem es um das Handling eines Stabs geht: es ist ein kleines, blondes Mädchen, welches gerade im Wettkampf antritt. Ich bin erstaunt darüber, mit welcher Würde und welcher Ernsthaftigkeit die Kleine ihren Auftritt

absolviert: Nach ein paar geflüsterten Tipps von ihrem Trainer geht sie erhobenen Kopfes hinaus aufs Feld. Kein Platz für falsche Schüchternheit, dieses Kind hier weiß eindeutig, was es kann.

Es wird Dudelsack gespielt und die einzelnen Spielgruppen treten gegeneinander auf. Der ganze Rasen ist mit Männern in Kilts bevölkert, die mit geröteten Gesichtern ihre Instrumente bedienen.

Am meisten interessieren mich freilich die Wettkämpfe der „Großen“, die Gerätschaften schwingen, die ich noch nicht einmal aufzuheben imstande gewesen wäre: ganze Baumstämme, die durch die Gegend fliegen, eiserne Kugeln, die durch die Luft wirbeln. Unglaubliche Kraftleistungen, die meine Hochachtung abverlangen. Und na ja… toll anzusehen ist es auch 🙂

An Whisky traue ich mich nicht ran, und so steht auf geheimnisvolle Weise ein Glas Wein neben mir, während ich, meinen Blick von den Wettkämpfen inzwischen abgewendet, auf dem Rasen vor der Bühne sitze. Es ist später Nachmittag; jetzt findet die Siegerehrung statt. Stolze Teilnehmer bekommen Preise überreicht, ältere, ehrwürdige Herren in schottischer Bekleidung sind eigens aus Großbritannien angereist. Wie wichtig die Spiele den Schotten hier sind, das sehe ich in ihren Gesichtern. Ist es ein Stück Heimat in der Ferne? Mit Sicherheit. Auch auf die Zuschauer überträgt sich die feierliche Stimmung. Der langgezogene Klang des Dudelsacks ertönt.

Anschließend lockert die Stimmung auf, eine Band beginnt zu spielen. Die Wettkämpfe sind vorbei und die Leute wollen feiern. Auch mich hält es nicht mehr auf dem Boden, ich stehe mit den anderen auf und tanze. In der aufkommenden Dunkelheit werden im Hintergrund Feuer entzündet. Ein weiteres Glas Wein steht gefüllt zu meinen Füßen. Wie es dorthin kam, keine Ahnung…

 

Ach, jetzt fällt mir langsam wieder ein, wie der Weinbecher so plötzlich in meiner Hand auftauchte… 😉

Schnappschuss mit dem Bandleader…

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
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