Afrika, Marokko

Berberaffen, marokkanische Schweiz und ein Ausblick, der den nächsten jagt

September 2025

Marokko kann auch Grün. Sehr grün sogar. Das wird uns an diesem Tage auf unserer Tour ins Atlasgebirge vor Augen geführt. Erwartungsvoll steigen wir aus dem Wagen, doch schon nach wenigen Schritten kristallisiert sich heraus, dass es hier außer „grün“ nicht viel für uns gibt. Die Stadt Ifrane wird in Reisekatalogen als die „marokkanische Schweiz“ ausgepriesen und ist Naherholungsgebiet für Einheimische, die es gerne kühler mögen. Die Königsfamilie soll hier gerne verweilen. Der Ort liegt auf 1650 Metern Höhe und in den Wintermonaten gibt es sogar Schnee und Wintersportarten sind möglich. Auch Touris tummeln sich hier, es scheint der reguläre Stopp für Reisebusse zu sein. Doch einem Mitteleuropäer, der bereits die reguläre Schweiz bereist hat, entlockt die Aussicht ein müdes Lächeln. Viel schöner muss wohl die Umgebung sein mit ihren ehemals zum Teil bewohnten Höhlen, dem Wasserfall, den grünen Hügeln und kleinen Dörfern mit Häusern aus Stampflehm. Doch das ist heute nicht unser Ziel, denn wir sind hier nur auf der Durchreise.

Wir schlendern, das Auge noch nach Sensationellem suchend, durch die zugegebenermaßen schöne Parkanlage, vorbei an Restaurants, Cafés und mitteleuropäisch anmutenden Häusern, die auf französische Einflüsse zurückzuführen sind und von denen das eine oder andere so tut, als sei es „Fachwerk“. Aber vielleicht erwarten wir auch zu viel. Für das lokale Auge, das Wüste, Sand und Trockenheit gewohnt ist, muss das hier eine nette Abwechslung sein. Der Ort sieht europäisch aus. Vielleicht macht er uns deswegen nicht an. So sind wir nach ein paar Augenblicken fertig. Eine Runde gedreht, festgestellt, dass die Lokalitäten kein Bier haben, eine Kogge entdeckt (*Huh? Wie kommt die denn dahin?*) und weiter geht es. Die Berge warten.

Der zweite Stopp hat einen süßen Anlass. Einen sehr süßen. Wir sprinten aus dem Auto und rennen rüber zu den niedlichen, kleinen Berberaffen, die nach Futter heischend uns mit braunen Kulleraugen angucken. Einige Touris haben sich auch hier versammelt und prompt werden wir von ein paar windigen halbwüchsigen Jungs abgefangen. Zugegeben, ja, wir wussten, worauf das hinausläuft und wir haben uns gerne abfangen lassen. Die Sache gestaltet sich folgendermaßen: du gehst mit zu den Affen, bekommst Nüsse und Krümelkekse in die Hand gedrückt und fütterst die Viecher, die währenddessen munter auf deinen Schultern und deinem Kopf herumturnen (hoffentlich pinkelt mich keines von den Dinger an! – denke ich mir). Die Jungs schnappen sich dein Smartphone und schießen Fotos, machen Videos… solange, bis du genug hast bzw. zufrieden bist. Wie man auf den Aufnahmen sieht, hatten wir viel Spaß dabei. „Don’t touch!“ Ermahnen sie Rene, der die Plüschdinger, gleich Katzen, sofort streicheln möchte. Das allerdings hat zufolge, dass die Affen auf Distanz gehen; berührt werden mögen sie nicht.

Ist der Spaß dann zu Ende, wird es konkret. „So, money, money.“ Die Jungs verstehen es, sich verständlich zu machen, auch die Posen werden jetzt härter. Sie nennen einen astronomischen Preis. Rene und ich schütteln die Köpfe. Wir geben die Hälfte, was immer noch zu viel ist. An den Reaktionen sehen wir, dass es eh besser ist, als die tüchtigen Geschäftsleute vor uns erwartet hatten. Wir hätten es besser wissen müssen, denn wir sind schließlich beides keine Neulinge; Preise verhandelt man im Voraus. Überschwang und Zeitknappheit spielten wohl auch eine Rolle – aus dem Augenwinkel sehe ich, wie uns unser Fahrer zu Hilfe eilen will. Doch das Geschäft haben wir schon abgewickelt. Egal. Unglücklich sind wir nicht, ganz im Gegenteil. Breites Grinsen ziert unsere Gesichter, als wir wieder im Auto sitzen. Ibrahim schaut uns im Rückspiegel an, wundert sich vielleicht oder auch nicht, er weiß ja schließlich, wie der Hase läuft. Wir schließlich auch. Doch es war ne schöne Sache.

Nun liegt eine lange Fahrt vor uns. Wir werden heute das Atlasgebirge überqueren und uns gegen Abend in der Wüste niederlassen. Ein Wüstencamp samt Kamelritt wartet auf uns. Wir sitzen da, betrachten die Landschaft, Hügel und Berge, die langsam ansteigen. Wir befahren den Mittleren Atlas. Trocken und karg sieht es aus; das Atlasgebirge zieht eine natürliche Grenze zwischen dem relativ feuchten Klima des Nordens und dem Wüstenklima im Süden. Aus dem Radio tönt marokkanische Klassik; anders kann ich das nicht beschreiben. Doch es passt, es passt zur Umgebung, passt hierher. Und da wir beide kaum über längere Zeiträume ruhig sein können, fällt uns jede Menge Unsinn ein, um uns die Fahrt abwechslungsreich zu gestalten. Unsinn, an dem ich dich, lieber Leser, nicht teilhaben lassen möchte – glaub mir, es ist besser so. Ibrahim führt mit stoischer Miene das Vehikel über die geschwungene Fahrbahn, während vom Rücksitz aus unserer Richtung Gelächter ertönt. Siehe da, wir können Bescheuert. Auch ohne Bier.

Viehtransporter überholen uns. „Zur lächelnden Kuh“ würde ich, was ich da sehe, bezeichnen. Mopeds schieben sich vorbei, manchmal blockiert eine Schafherde die Straße. „Guck mal, da läuft Essen!“ „Hm, schmeckt auch gut.“ Noch haben wir kein Kamel gesehen. Denn dann würde es W-Lan geben. Ja, lieber Leser, wir können Unsinn, den keiner versteht.

Die Sache mit Ibrahim, unserem Fahrer, ist folgende: nicht immer hat er einen Blick für gute Fotospots. Doch sobald wir ihn „anstupsen“, reagiert er sofort. Das Auto wird angehalten, sooft wir es wünschen. Wir springen raus und machen Bilder. Bilder von der Wüste, Bilder vom Nichts. Bilder von uns. Einmal gehen wir über Stock und Stein zurück zu einem von uns frequentierten Spot, weil das Auto für unseren Geschmack zu weit weg steht. Rutschend und fluchend kämpfe ich mich einen steilen, steinigen Hang hinauf, während mein Freund irgendwas von „marokkanischer Bergziege“ ruft. Halt die Klappe, schimpfe ich und würde gerne Steine werfen – wenn ich nicht damit beschäftigt wäre, mich festzuhalten. Als Antwort höre ich Gelächter.

Die Farben des Gebirgspasses wechseln zwischen sand, rötlich und sepia. Im gleichen Farbton gestaltete Siedlungen tauchen in der Tristesse auf, die beinahe mit der Umgebung verschmelzen. Hier wollten wir nicht leben, da sind wir uns einig. Es sieht trostlos aus. Trocken. Gerümpel und Gestein. Oasen gleich ziehen sich die Ortschaften entlang der Hauptverkehrsader. Hier und dort verschönern ein paar Palmen die Umgebung. In einem dieser Orte bleiben wir stehen. So langsam macht sich der erste Hunger bemerkbar, und in einem Lokal bittet man zum Buffet. Das Buffet ist lauwarm bis kalt, aber lecker. Eingenommen wird es auf einer mit Schilf überdachten Dachterrasse mit schönem Ausblick über die Umgebung. Einen Tisch weiter sitzt eine spanische Reisegruppe. Unsere Essensspots sind Anlaufstellen für Durchreisende.

Erste Lehmschlösser, Kasbah genannt, tauchen auf. Vor uns – der Hohe Atlas. Eine Weile fahren wir entlang eines türkisblauen Flusses, der im sandigen Beet mäandert. Wir sind wach wie Erdmännchen, denn die Landschaft wird interessant – und abwechslungsreich. Hohe Gebirge türmen sich auf. Der höchste von ihnen mit 4167 Metern ist der Toubkal. Die Straße schlängelt sich höher und höher, zu unserer Rechten ziehen Täler an uns vorbei. Immer dichtere Wolken bedecken den Himmel. Fast schon unwirklich, möchte man meinen. Ich frage Rene, ob er die aus Hamburg mitgebracht hat. „Das hätte noch gefehlt, dass es hier regnet.“ Einzelne Lichtflecke wandern über die sandigen Hügel. Wie ein goldenes Lichtspiel sieht das aus.

Wir kommen zum Stausee Hassan I, der nach dem im 19 Jhd. herrschenden Alawidensultan benannt wurde. Der Stausee wird vom Fluss Ziz gespeist und fasst ca. 273 mio. m³ Wasser. Die Staumauer ist 145 Meter hoch und wurde in den Achtziger Jahren erbaut. Der See dient sowohl der Bewässerung als auch der Stromerzeugung.

In den Nähe des Ortes Erfoud wird unübersehbar für die sich hier befindlichen archäologischen Stätte geworben. Große, kalkweiße Steine bilden ganze Schriftzüge auf den Hängen. Hey, Leute, hier gibt’s Fossilien! Ja, Leute, wirklich so. Fossilien? Wir brauchen keine Fossilien. Wir sind Fossilien. Bald jedenfalls. Doch Spaß beiseite, das Ganze hat einen Hintergrund. Vor etwa 380 mio. Jahren war die Sahara der Grund eines prähistorischen Ozeans. Fische, Pflanzen und Meerestiere lebten hier und sind heute als versteinerte, in Fels eingebettete Überreste zu finden.

Erfoud liegt am Fluss Ziz am Rande der Sahara. In der Umgebung gibt es mehrere Steinbrücke, die fossilienhaltigen Kalkstein abbauen und zu kunstvollen Objekten verarbeiten, die dann im ganzen Land verkauft werden. Auch fossilienhaltiger Marmor wird hier gewonnen und zu Tischen, Platten, Brunnen, Waschbecken und anderen Objekten verarbeitet. Da Marokko ein Land ist, in dem aufgrund von Trockenheit große Felsflächen freiliegen, ist die Gewinnung solcher prähistorischen Objekte einfacher als anderswo.

Wir streifen freilich nur diese faszinierende Gegend. Der Tag war lang und wir haben ein Ziel. Die ersten goldenen Sanddünen tauchen im Abendlicht vor unseren Augen auf. Ziemlich erschöpft kommen wir in der Erg Chebbi Wüste in unserem Camp nahe Merzouga an.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

Für dich vielleicht ebenfalls interessant …

Was brennt dir auf der Zunge? ;-)

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.