Eine weitere, wichtige Sehenswürdigkeit der Stadt, die von Ólafur Elíasson gestaltet wurde, ist das sprichwörtliche Glashaus, in dem man sitzt, sobald man das Gebäude betritt: die bemerkenswerte Konzertlalle Harpa. Die Fassade vermittelt den Eindruck einzelner, zerbrechlicher Eiskristalle und fügt sich wie nichts in die raue Landschaft der Insel. Wie so oft, so soll auch hier die Fassade an raue, absteigende Küsten Islands erinnern, die Farbgestaltung an sich brechendes, dunkles Eis.
Harpa ist ein Konzert- als auch Konferenzzentrum, sie beherbergt unter anderem das isländische Symphonieorchester. Bereits in April 2002 wurde ein Vertrag für den Bau eines Konzerthauses geschlossen, doch die Finanzkrise verzögerte das Projekt, so dass es erst 2011 starten konnte. Das Konzerthaus war dringend nötig, denn Isländer gehen gerne auf Konzerte, auch wenn diese bislang in Gebäuden mit schlechter Akustik stattfanden. Die Halle wurde an der Ostseite des Hafens erbaut. Sie schließt damit das Stadtzentrum ab und schützt es vor kalten Winden. Die einzelnen Räume des Gebäudes sind nach Naturphänomenen benannt. So hätten wir die „Kalte Lagune“, „Silberberg“ und „Nordlicht“. Der größte Raum, die Flammenburg, kann bis zu 1600 Gästen Platz bieten. Bis zu 8m tiefe Resonanzräume sind hinter den Wänden verborgen.

Doch mich beeindruckt die Fassade. Ich hab’s ja mit Gebäudegestaltung, und hier ist wirklich etwas Besonderes entstanden. Sie greift die Form von Eiskristallen auf, und im Innern fühlt man sich wie in einem übergroßen Prisma. Das Konzertzentrum ist frei zugänglich, und über eine Treppe gelangt man bis nach oben. Mich wundert, wie wenig Besucher sich hierher verirren, in diese von Menschenhand gestaltete Märchenwelt aus Glas. Hier irre ich ausgiebig herum und mache meine Bilder. Aus jedem Winkel sieht der Innenraum anders aus, und nicht minder interessant. Je nach Tageslicht und Wetter, doch auch je nach Betrachtungswinkel verändert die Wabenstruktur ihre Farbe und wirkt mal dunkler, mal heller, transparent oder schimmernd. Das Glas lässt nur einen Teil des Lichtspektrums durch, der Rest wird von der Fassade reflektiert. Die Südseite wurde mit zwölfeckigen, die restlichen Bereiche mit sechseckigen Elementen gestaltet. Das Glas erfüllt aber auch die Anforderungen an die im Winter notwendige Isolierung; Wärmeschutz ist trotz der extrem leichten Optik gegeben. Beeindruckend.
Das dachte sich auch die Jury und zeichnete die Harpa Konzerthalle 2013 mit dem Mies van der Rohe Preis für die beste Gebäudegestaltung aus. Sie setzte sich somit gegen 350 Projekte aus 37 Ländern durch. Wer mehr über die Gestaltung der Glasfassade erfahren möchte, dem lege ich den Artikel von Baunetz ans Herz, er ist kurz und bündelt alle interessanten Details, die ich so besser nicht hätte niederschreiben können.
Der heutige Tag
Der heutige Tag ist schnell auserzählt, denn im Grunde besteht er aus nichts als Schlendern. Ein Bisschen ohne Ziel, ein Bisschen am Hafen entlang. Entschleunigung ist die letzten Tage angesagt, denn meine fantastische Tour durch Island ist bereits zu Ende. Ein Programmpunkt steht noch aus, eine Polarlichtertour, die immer mal wieder vom Veranstalter aufgrund von Witterungsverhältnissen verschoben wurde. Das Isländische Wetter ist wie ein launisches Mädchen, und meistens ist es nicht besonders gut gelaunt.
Nach der Besichtigung der Konzerthalle treibt es mich ein Stück weit raus aus der Stadt und entlang der Küste. Hier, an Sæbraut, der nördlichen Küstenstraße, befindet sich das sog. Wikingerschiff, ein stilisiertes Denkmal, das eine der weiten Wikingerreisen symbolisiert, in Anlehnung an Ingolfur Arnarson, der hier eines der ersten dauerhaften Siedlungshöfe errichtet haben soll. Das Kunstwerk aus Edelstahl mit dem romantisierten Namen „Sonnenfahrt“ ist eines der charakteristischen Denkmäler der Stadt und gehört zu den meist fotografierten. Es wurde anlässlich des 200 jährigen Jubiläums der Stadt im Rahmen eines Wettbewerbs erbaut und 1990 enthüllt.

Als ich die Skulptur entdecke, zeichnen gerade die Wolken nach einem regnerischen Tag rosarote Muster am Himmel. Das Rosa spiegelt sich im Metall. Viele sehen in den Kunstwerk ein Wikingerschiff, welches gerade zu unbekannten Welten aufbricht. Und mal ehrlich, was sollte es wohl anderes sein? Für jeden etwas anderes, für mich eine Reise. Was sonst.
Im Grunde könnte ich den Rest der Reise schnell mal in einer Episode zusammenfassen. Wenn da nicht noch die Nordlichtertour mit dem Boot gewesen wäre. Und Silvester, mit der unglaublichen Pyrotechnik. Und das Feuerwerk. Die riesengroßen Feuer, um das alte Jahr zu verabschieden. Noch so vieles, das über Island zu erzählen ist. Ich gehe durch die Stadt und bewundere die Streetart. Spähe neugierig zum knallig roten Wunschbriefkasten für den Weihnachtsmann. Wir sind ja schon ziemlich weit im Norden, oder? Ob ich Briefpapier und einen Stift dabei habe?
Die Nordlichtertour
Bereits zweimal ist sie vom Veranstalter aufgrund schlechter Wetterverhältnisse verschoben worden. Doch die Polarlichtertour ist obligatorisch und gehört zu jeder Island-Reise dazu, erst recht, wenn die Reise zum Winter hin stattfindet so wie meine. Seit Tagen beobachte ich schon gespannt die Ausschläge des Magnetfeldes auf meiner Nordlicht-Webseite, die mir genau anzeigt, wieviel Polarlicht-Aktivität zur Zeit… ähm… aktiv ist. Momentan ist es nicht sehr viel. Ich bekomme via Email Treff- und Abfahrtort des Bootes mitgeteilt und, dick in diverse Kleidungsschichten eingemummelt, mache ich mich auf den Weg. Es ist noch nicht spät, doch die allgemeine Dunkelheit hat bereits von der Nordhalbkugel Besitz ergriffen. Warum auch nicht, es wurde den Tag über nicht wirklich hell.
Ich habe Zeit. Viel Zeit. Klar, wenn man zu denjenigen Menschen gehört, die schon Stunden vorher unterwegs sind, um ja nicht zu spät zu kommen. Es reicht allemal, um einen Abstecher zum städtischen Friedhof zu machen, wo die Grablichter geisterhaft in der kalten Stille schweben. Friedhöfe dieser Welt sind für mich ungeheuer spannend, doch teilt kaum jemand in meinem Umfeld dieses Interesse. Rotes Licht, illuminierte Kreuze und vermoderte Steine. Ein wenig Gruselfeeling, denn hier könnte man gut und gerne einen oder mehrere einschlägige Filme drehen. Ihr wisst schon, das Genre, das Teenager vorzugsweise anschauen und welches blasse, Zähne spitzende Protagonisten in den Hauptrollen besetzt hat. Schaurig ragen die fahl beleuchteten Pfeiler einer nahe gelegenen Kirche in die Höhe. Auf meinem weiteren Weg begegnet mir noch mehr Streetart in die Dunkelheit. Ganze Bäume sind mit Weihnachtslichtern behängt, ganze Häuser still und festlich beleuchtet. Ihr Inneres verströmt Wärme und Behaglichkeit, und die letzten Momente des alten Jahres hängen noch in der Luft. Ich mag eine solche Stimmung sehr.
Zwischenzeitlich telefoniere ich mit meiner Mutter. „Wie, du bist alleine im Dunkeln unterwegs? Konntest du dir kein Taxi nehmen?“ Taxi in Island? Bin ich Rockefeller? Ich grinse leicht in mich hinein. Wie soll ich ihr erklären, dass diese Stadt hier, ja, dieses Land für mich gefühlt zu den sichersten Orten der Welt gehört?

Und da bin ich auch schon. Das Wasser plätschert dunkel vor meinen Füßen, das Boot ist auch schon da. Ich bin eine der ersten, also gehe ich schon mal unter Deck und ziehe den vorgeschriebenen, roten Thermoanzug an. Ein Bisschen fühlt sich das Ding an meinem Körper nach Expedition an, auch wenn die „Expedition“ vermutlich nicht mal richtig den Hafen verlassen wird. Ist das nicht übertrieben? Glauben die wirklich, dass ihre Touris mal eben vom Deck ins Wasser kippen? Jedenfalls, abenteuerlich komme ich mir damit vor, mit diesem schicken Teil. Da ich früh dran bin, warte ich auf den Rest der Besucher, der wieder zu einem großen Teil aus Chinesen besteht. Schließlich ist es soweit und das Boot setzt sich in Bewegung. Die Nordlichtaktivitäten sind heute als schwach gekennzeichnet, doch die Witterung ist günstig und der schwarze Nachthimmel wolkenlos. Das Boot fährt uns fort von der Küste, wo wir auf offenem Meer nur noch einen Lichterstreifen von Reykjavik sehen können. Wir, die Besucher, drängen über eine schmale Treppe aufs Oberdeck, wo wir versuchen, uns einen bestmöglichen Platz zu ergattern, um einen Blick auf das Spektakel werfen zu können. Die Polarlichter werden über Lautsprecher anmoderiert und auch, in welche Richtung man am besten schauen sollte. Kälte streift über erwartungsvolle Gesichter. Ich spähe angestrengt in die Dunkelheit und sehe zunächst mal – nichts. Nur ein schwacher, grau-grüner Streifen zieht irgendwo am Himmel. Wo ist mein Spektakel, wo ist meine Nordlichterparty? Ich strenge meine Augen an. Vielleicht bin ich ja einfach nur ein blindes Huhn auf der Suche nach Körnern…?
Zum Thema Polarlichter sollte man folgendes wissen. Und das besser, bevor man sich auf „Expedition“ macht und die Realität der durch Reportagen und Social Media geweckter Erwartungshaltung nicht gerecht wird. Nordlichter sind mit bloßem Auge nicht so klar und deutlich zu erkennen wie sie später auf Fotografien und Filmaufnahmen erscheinen. Natürlich hängt die Sichtbarkeit von der Sonnenaktivität ab und wie viele Teilchen auf das Erdmagnetfeld treffen. Sind die Aktivitäten stärker, so kann man die Lichter bis nach Europa sehen. Sind sie schwach ausgeprägt, aber dennoch da, ist lediglich ein grauer Streif zu sehen. Um eine halbwegs gute Aufnahme zu bekommen, muss die Kamera entsprechend eingestellt werden und ruhig stehen, am besten am Stativ. Für eine entsprechende Kameraeinstellung meines Smartphones habe ich im Vorfeld gesorgt, doch einen weiteren Faktor nicht berücksichtigt. Die Kamera muss ruhig stehen. Auf einem auf Wellengang schaukelndem Boot unmöglich. So bekomme ich nach einiger Nachbearbeitung unscharfe, leicht verwackelte Bilder meiner Nordlichter hin – und bin um einen Lernfaktor reicher. Nächstes Mal buche ich eine Bustour…
Ein Mädel neben mir hat nicht mal so viel Glück. Nach einigen missglückten Versuchen bittet sie mich, ihr meine Bilder zu schicken. Dolle sind sie nicht geworden, aber besser als gar nichts. Ein schöner, eindrucksvoller Abend war es dennoch. Und ein Wackelbild lasse ich euch trotzdem da. Als Tipp: Emerald Skies ist eine Webseite, die Vorhersagen für Nordlichtaktivitäten auf einer Skala 1-9 trifft. Und diverse Webseiten bieten Tipps für die richtige Kameraeinstellung eures Smartphones.

Auf dem Weg zurück zum Hostel herrscht tiefe Nacht. Reykjaviks Straßen sind leer und die letzten Feierleichen sitzen in Lokalen und Clubs. Nur die feierlich weihnachtlichen Schaufenster der geschlossenen Geschäfte leuchten still vor sich hin. Ich bewundere die witzigen Werbeideen, die das Typische dieses Landes aufzugreifen versuchen. „Chuck Norris can say Eyjafjallajökull backwards!“ Na, das kann ich nicht, dafür geht’s jetzt ohne Umwege ins Bett.

Hallo Kasia,
schön von dir zu hören. Ich habe schon gedacht, das du deinen Blog dicht gemacht hast. Zum Glück ist das nicht so. Ich freue mich auf weitere Beiträge von dir.
Liebe Grüße aus der Pfalz
Harald
Hallo Harald,
der Gedanke war tatsächlich da. Ich habe mich aber entschieden, weiter zu machen. Es wird neue Geschichten und neue Mitreisende geben 😉 Schön, dich weiterhin als Leser zu haben.
Lg Kasia
Na, das ist doch mal ein schickes rotes Ensemble – da kam mir gleich der Song „LADY IN RED“ von Chris de Burgh in den Sinn.. 🙂
Ich freue mich aber noch mehr, dass dein Blog nicht ganz so tot ist, wie es den Anschein hatte.
Ich hoffe, Du hast den Beitrag nich nur für mich geschrieben, damit ich mal wieder beim Thema Reisen ziemlich unqualifizierte Kommentare da lasse – da müsste ich mich ja schämen.
Nordlichter (aka Aurora borealis) finde ich aber echt cool.
Habe von einer Ferienhaussiedlung gehört, die aus luxuriösen Iglus besteht, wo man im hohen Norden (Finnland?) die Nordlichter betrachten kann. Das würde mir echt gefallen. Nicht vielleicht so ganz allein – da sollte man dann schon zu zweit oder noch ein paar Personen mehr hin…
Bleib gesund – Grüße an Stefan und man sieht sich..
CU
P.
Da, da ist er ja, einer meiner Lieblingskommentatoren 😉 Von diesem Igludorf (Finnland) habe ich auch schon gehört und es steht auf meiner Bucketlist. Jak klar, alleine macht sowas keinen Spaß. Aber ich denke (hoffe?), dass ich nicht mehr (nie wieder) ein solches Abenteuer alleine erleben muss.
Was den Blog betrifft, habe ich wieder einen Motivationsschub. Auf Dauer muss ich mir aber was einfallen lassen, um mal zwischendurch einen Post abzusetzen. Ich bin dabei, den für mich besten Weg herauszufinden.
Lg Kasia
Ist ja schon irgendwie heftig, Island im Winter. Alles so kalt und dunkel. Aber bestimmt eine interessante Erfahrung. Ich bevorzuge trotzdem die warmen südlichen Ziele. Läuft ja nicht weg.
Meine Sorge war eher, dass es wegschmelzen könnte… vor allem die Eishöhlen. Aber du hast schon recht, man muss wirklich leicht irre sein, im Winter hin zu fahren 😅
Ich fahre nächsten Sommer. Winter würde mich auch reizen, aber da geht das tatsächliche nur mit einer Gruppe und wenig Rückzugsmöglichkeiten; das ist für mich purer Stress. Eine Kreuzfahrt – auch oder gerade auf einem kleinen Schiff – bietet dagegen schon Möglichkeiten, den anderen Menschen mal zu entkommen, sogar auf den Ausflügen.
Soll auch im Sommer sehr schön sein dort, vor allem aber voller als im Winter. So ein Sommerbesuch fehlt mir noch. Ich bin gespannt, was du berichtest.