Europa, Niederlande

Maastricht, die Beinahe-Kulturhauptstadt

Während der Fahrt durch die Altstadt muss ich höllisch aufpassen. vor allem beim Abbiegen. Es sind überall Radfahrer unterwegs. Aus allen Richtungen kommen sie angeschossen, tauchen unerwartet auf. Radfahrer, Rollerfahrer – und davon ganz viele. Doch ich komme nicht dazu, mich über sie zu ärgern, denn innerlich bin ich voller Bewunderung. 

Kaum ein anderes Land setzt die umweltfreundliche Fortbewegung so konsequent durch wie die Niederlande, das habe ich in Amsterdam schon erfahren dürfen. Und irgendwie erwartet man das auch – Fahrräder in Holland. Die Radwege sind überall, an jeder Straßenseite einer, selbst in den kleinsten Gassen sind sie wunderbar ausgebaut. Und sie enden nicht einfach irgendwo im Nirgendwo – sie werden fortlaufend geführt. Wie viele Menschen mehr würden wohl bei uns in Deutschland Rad fahren, wenn man ihnen derart gute Bedingungen dafür schaffen würde; wenn das Radfahren nicht so gefährlich wäre mitten auf der Straße? Wie viele Umweltdebatten und Diskussionen rund um die Luftverschmutzung würden auf einen Schlag überfällig?

Stattdessen führen wir Sperrzonen für Dieselfahrzeuge ein und beschützen zugleich die Autoindustrie. Ganz großes Kino.

Das und viel mehr geht mir durch den Kopf, während ich langsam die schattigen Alleen entlang fahre und gleichzeitig versuche, meine Augen überall zu haben. Ich komme an der Liebfrauenbasilika vorbei – sehr gut, da will ich später auch noch hin. Dann sehe ich die Dominicanen Buchhandel, eine der Sehenswürdigkeiten der Stadt. Jetzt noch einen schönen, schattigen Parkplatz finden – fertig!

Dabei versetzt mich – wieder einmal – die Geduld und Freundlichkeit der Menschen in Erstaunen, denn als ich gerade dabei bin, versehentlich falsch herum eine Einbahnstraße anzusteuern, weist mich ein entgegenkommender Autofahrer auf die andere Einmündung hin – mit einem netten Lächeln auf dem Gesicht und ohne die eindeutigen Hand- und Kopfgesten, die ich bei solchen Gelegenheiten (ist jetzt nicht so, als ob es viele wären…) von Autofahrern in Deutschland gewohnt bin. Liebe Fahrer hierzulande: Geht bitte, bitte sozialer miteinander um!

Das Parken in Maastricht ist ziemlich teuer – noch ein Beitrag zum Umweltbewusstsein der Menschen hier. Für rund zwei Stunden (die zulässige Höchstzeit) zahle ich über fünf Euro. Jap, warum nicht.

Etwas ärgerlicher als der Preis ist die verhältnismäßig kurze Parkdauer – zwei Stunden Power-Sightseeing. Zügig marschiere ich los.

All meine Städtetrips sehen im Grunde meistens so aus: Kasia läuft durch die Gegend und schaut sich hier und da etwas an. Genauso auch diesmal, nur dass mir dieses Mal auch die Zeit im Nacken sitzt. Doch zwei Stunden können ziemlich viel sein, wenn es ums Erleben geht und irgendwann beginne ich, zu schlendern, ohne mich noch groß beeilen zu wollen. Denn Maastricht hat so viel zu bieten! Kulturell und auch kulinarisch. Eine Stadt, deren Geschichte sich bis  in die keltische Zeit, 500 Jahre v. Chr. zurückverfolgen lässt, die nur knapp den Titel „Kulturhauptstadt 2018“ verpasst hat – der ging an die ebenfalls niederländische Leeuwarden.

Doch einen Titel kann man Maastricht nicht absprechen: Die Stadt wird als die kulinarische Hauptstadt der Niederlande bezeichnet, nennt mehrere Sternerestaurants ihr eigen und bietet zudem an jeder Ecke belgische Fritten, bestes Eis und belgische Schokolade. Ich überlege, in einem der Sternelokale essen zu gehen, doch es spricht einiges dagegen. Zum einem die Zeit, zweitens der Kostenpunkt… bäh… und die Notwendigkeit, im Vorfeld zu reservieren… ebenfalls bäh… und außerdem will ich Fritten! So richtig ordinäre, fettige, ungesunde Fritten, jah.

Vielerorts wird Maastricht als die untypische niederländische Stadt beschrieben. Wer Windmühlen und große Wasserflächen sucht, sucht hier vergebens – doch so untypisch finde ich diese Stadt an sich gar nicht. Die hohe Bauweise, die Häuser aus dunklen Ziegelsteinen sind etwas, das ich bereits in Amsterdam, aber auch in Belgien gesehen habe.

Die inoffiziellen, teilweise nicht ganz legalen Underground-Rave-Partys seien da noch zu erwähnen, ein sicherlich kulturelles Highlight und zweifelsohne sehr reizvoll. Die Events werden in den Höhlen und verlassenen Gebäuden rund um Maastricht abgehalten, doch es ist fast unmöglich, für Außenstehende an eine Einladung zu kommen – der Veranstaltungsort wird bis zuletzt geheim gehalten und oft auch kurzzeitig geändert, um einen vorzeitigen Abbruch vorzubeugen. Auch online kommt man kaum an Infos, dafür kursieren Gerüchte und Legenden…

 

Der Dominicanen-Buchhandel

Maastricht ist, überraschend für mich, doch recht touristisch – doch sehr weit davon entfernt, überlaufen zu sein. Man ist hier an Fremde gewöhnt und viele sprechen englisch, doch wie ich feststelle, kommen auch Niederländer aus anderen Teilen des Landes hierher.

Und zu besichtigen gibt es einiges, wie die Liebfrauen-Basilika, an der ich vorbei gehe. Denn ich habe zunächst ein anderes Ziel – doch schnell verlaufe ich mich wie so oft – was ja nicht schlecht sein soll in einer fremden Stadt.

Wie gehabt also; Kasia läuft durch die Gegend und schaut sich Maastricht an. Nur mit dem Unterschied, dass Kasia ein bisschen Zeitdruck hat aufgrund der kurzer Parkdauer. Aber was man so alles ablaufen kann in zwei Stunden!

Auf dem Liebfrauenplatz ist eine Kirmes aufgebaut. Ein deutsches Ehepaar macht probeweise einen Spaziergang hinein, obwohl die Stände noch geschlossen sind. Schilder lesen hilft: denn auch wenn da alles auf niederländisch steht, so kann man doch die Besuchszeiten unschwer entnehmen.

Abends, ab 18 Uhr.

Ich tauche in die Fußgängerzone ein, eine der vielen, die die Altstadt Maastrichts durchziehen. Hier macht die Stadt ihrer Bezeichnung als kulinarisches Kleinod alle Ehre, denn an wirklich jeder Ecke und in jedem Winkel sehe ich sitzende und schlemmende Menschen. Die Gehwege sind voll von kleinen Tischen, doch keiner der Tische scheint frei zu sein.

Vor dem historischen Rathaus steht eine Pantomime-Künstlerin in grau, und die Musik der Straßenkünstler fließt durch die Straßen, Hand in Hand mit dem süßen, leckeren Duft des Süßigkeitenladens an der Ecke.

Vor dem Dominicanen-Buchhandel sehe ich asiatische Touristen, wie sie sich gegenseitig abfotografieren. Ja, die Buchhalle ist für mich die wohl coolste Sehenswürdigkeit der Stadt. In den Gemäuern einer ehemaligen Kirche untergebracht verströmt sie eine ganz besondere Atmosphäre. Die Buntglasfenster sind noch erhalten und werfen ihr Licht auf die mit Büchern gefüllten Regale. Menschen, die den Ort zum ersten Mal sehen, bleiben stehen und schauen hoch zu der hohen Gewölbedecke, deren Fresken in farbiges Licht getaucht sind; zu den Spitzbogenfenstern und zu den Lichtstrahlen, die durch sie hinein fallen und auf dem steinernen Boden spielen. Viele zücken ganz selbstvergessen ihr Handy. Die Einheimischen haben sich schon an das Staunen der Tagesbesucher gewöhnt und stöbern ungerührt in ihren Romanen weiter.

Über eine Treppe – wahlweise über einen Aufzug – gelangt man nach oben, von wo man noch besser die kaum noch sichtbaren Decken- und Wandmalereien betrachten kann. Viele Besucher tun so, als würden sie in den alten und neuen Schmökern stöbern, doch ihre Blicke gelten der ehemaligen Kirche. Das Fotografieren ist nicht ausdrücklich verboten, doch habe ich niemanden ganz offen Bilder machen sehen. Man tut hier zumindest so, als nähme man Rücksicht auf die „richtigen“ Kunden.

Hier oben gibt es gebrauchte Bücher für einen symbolischen Betrag zu erstehen, unten Souvenirs und die neue Literatur zu regulären Preisen.

 

Belgische Fritten

Maastricht hat, wie schon erwähnt, einiges an Sternerestaurants aufzubieten (vier an der Zahl), doch ich will meine Fritten. Die besten soll es am Rathausplatz geben. Der Laden liegt etwas versteckt neben dem Burger King und nach einigem Suchen finde ich ihn auch. Zu den Fritten gibt es gegen Aufpreis eine ganze Auswahl an verschiedenen Soßen; für eine große Portion mit Ketchup zahle ich soziale 4,50 €.

Etwas gewöhnungsbedürftig ist es vielleicht, dass man hier erst bedient wird, wenn alle Kunden, die ihre Bestellung aufgegeben hatten, diese auch essensfertig in die Hand bekommen haben. Da erst werden neue Bestellungen entgegen genommen – das sorgt für Struktur, irritiert aber. Nicht nur ich stehe zunächst mal etwas verwirrt da und werde gekonnt ignoriert. Auch die in den Onlinebewertungen erwähnte, wartende Menschenschlange kann ich nicht sehen, was nicht heißt, dass keiner wartet… nur haben sich die Menschen nach dem Bestellen unauffällig auf dem Platz und um die Pommesbude verteilt.

Die Fritten sind übrigens lecker, doch vielleicht hätte ich sie ohne Soße nehmen sollen. Während ich esse, gehe ich weiter, denn meine Parkzeit läuft so langsam ab. Die Kalorien werden direkt verbrannt, ein in sich geschlossener Kreislauf.

 

Die St. Servatius Brücke und das östliche Maastricht

Ich fahre mit dem Wagen zur Ostseite der Stadt. Die Maas teilt die Altstadt auf und über die St. Servatius-Brücke, eine der vielen, die die Ufer miteinander verbinden, gelangt man von einem Teil der Stadt in den andere. Das Stadtviertel östlich der Maas ist um einiges moderner und wird meist ausgelassen; die Touristenströme konzentrieren sich hauptsächlich um die Sehenswürdigkeiten herum.

Hier sind Einheimische unterwegs, fahren Rad, gehen Einkaufen mit den schattigen Alleen, alte Reihenhäuser mit zierlichen Balkonen. Hier sind mehr Parkmöglichkeiten vorhanden, doch auch nicht günstiger als in der Altstadt. Zugute kommt mir die Achtzehn-Uhr-Regelung, demnach das Parken ab 18 Uhr frei ist.

Von einem der vertäuten Boote schallt mir Elektromusik entgegen, als ich über einen großen Platz gehe. Ich spaziere über die Brücke, während eine Fähre voll mit Bausand unten über das Wasser zieht. Die Sankt Servatius Brücke hat Schranken, die sich öffnen und schließen und ein Teil der Brücke kann bei Bedarf hochgefahren werden.

Ich bin überrascht, hier in der Stadt keine Coffeeshops zu sehen, obwohl ich weiß, dass es sie irgendwo geben muss. Doch sie sind nicht so grell und schillernd, ihre Anwesenheit nicht so vulgär zu Schau gestellt wie in Amsterdam, wo sich ein regelrechter Kiffer-Tourismus entwickelt hat. Wer hier etwas rauchen möchte, geht rauchen, es ist ein unauffälliger, natürlicher Bestandteil des Alltags. Zwei solcher Lokale habe ich in am Ufer liegenden Sportbooten gesehen, das Smookys und das Mississippi.

Ein Online-Tipp, auf den ich gestoßen bin, war ein Ausflug zum Fahrradparkplatz am Hauptbahnhof zu gehen; viele der alten Räder stünden seit Monaten hier herum und es gäbe interessante Fotomotive. Doch entweder man hatte den Parkplatz bereits aufgeräumt oder der Tipp taugt doch nicht so viel, denn ich konnte hier nichts Spannendes für mich entdecken. Dafür stellt sich der Bahnhof selbst als äußerst interessant heraus, außen unscheinbar, doch innen ein kleines Juwel. Der Architekt George Van Heukelom hatte es Anfang der zwanziger Jahre gestaltet, angelehnt am Stil der Neurenaissance mit viel Buntglas und Wandmalereien. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz. Geht mal hin, auch wenn ihr nicht mit dem Zug anreisen wollt.

Der Hauptbahnhof von Maastricht

Kathedrale? Nein, immer noch der Hauptbahnhof…

Als ich so dastehe und fotografiere, späht ein Mitarbeiter der Security unauffällig aus seinem Häuschen, um nach dem Rechten zu sehen. In der heutigen, unsicheren Zeit kann das Ablichten solcher Einrichtungen einen falschen Eindruck erwecken, doch als er mich sieht, dass sich meine Knipserei nur auf die Buntglasfenster beschränkt, geht er beruhigt wieder rein.

Kasia

Hi, ich bin Kasia, die Stimme von "windrose.rocks" :-)
Treibt Dich die Frage um, was sich denn alles jenseits der heimischen Couch verbirgt, bist Du rastlos und neugierig wie ich und spürst den Drang in Dir, in die Welt hinaus zu gehen? Dann tue es! Ich nehme Dich mit auf meine Reisen und lasse Dich hautnah das Unterwegs sein miterleben - in all seinen Facetten. Lass Dich inspirieren, komm mit mir und warte nicht länger, denn... die Welt ist so groß und wir sind so klein, und es gibt noch so viel zu sehen!

Die Welt wartet auf uns.

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